Ein Feuerwerk für Erneuerbare

Nichtregierungsorganisation fordert angesichts der Ukraine-Krise Ausbau von Ökoenergie

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Immer mehr EU-Politiker wollen vom russischen Gas unabhängig werden. Doch so einfach ist das nicht zu bewerkstelligen.

Am 22. März 2013 war die Welt noch in Ordnung. Damals kannte noch kaum jemand außerhalb der Ukraine den Kiewer Maidan-Platz und EU-Energiekommisar Günther Oettinger unterzeichnete gemeinsam mit dem russischen Energieminister Alexander Nowak in Moskau eine Roadmap für die Energiezusammenarbeit zwischen Russland und der EU bis ins Jahr 2050 hinein. Doch seit man sich mit Moskau um die Ukraine streitet, denkt man in Brüssel laut darüber nach, sich wieder unabhängiger von den russischen Gas- und Erdöllieferungen zu machen. Denn das Land ist mit einem Importanteil von 36 Prozent (Erdgas) beziehungsweise 31 Prozent (Erdöl) der größte Energielieferant der EU.

Für Hans-Josef Fell kann es da nur einen Weg aus der Abhängigkeit geben: »Jetzt muss die Erneuerbare-Energien-Novelle eingestampft werden«, fordert Fell, der von 1998 bis 2013 für die Grünen im Bundestag saß. Statt die Energiewende auszubremsen, wie es die schwarz-rote Bundesregierung mit ihrem Gesetzesvorhaben derzeit plant, müsse es ein »Feuerwerk für den Ausbau der Erneuerbaren geben«. Zwar weiß auch Fell: »Russland war selbst in Zeiten des Kalten Krieges ein zuverlässiger Energielieferant.« Doch müsse man sich in Zeiten der diplomatischen Eskalation von der »russischen Abhängigkeit« befreien.

Nun ist der ehemalige Grünen-Parlamentarier Präsident der »Energy Watch Group«. Das ist eine Nichtregierungsorganisation, die es sich zum Auftrag gemacht hat, die Öffentlichkeit über Energiethemen aufzuklären. In dieser Funktion hat Fell eine Analyse über die künftige Versorgungslage der EU mit Erdgas geschrieben. Sein Fazit: »Russland wird nicht automatisch und kann schon gar nicht für immer ein verlässlicher Energielieferant für Europa bleiben.«

Der ehemalige energiepolitische Sprecher erwartet nämlich, das die russischen Erdöl- und Erdgasförderungen in den kommenden Jahren zurückgehen werden. Schließlich produzieren die beiden größten russischen Gasfelder Yamburg und Uren- goi, die jährlich 60 Prozent der Gasförderung Moskaus ausmachen, schon jetzt immer weniger Gas. Mit Neuerschließungen sei dieser Rückgang nicht wettzumachen, meint Fell. Zudem will Russland auch nach Japan und China künftig mehr Erdgas exportieren.

Will die EU sich von Moskaus Gas emanzipieren, wird dies zu einem Mammutvorhaben: Denn es müssen nicht nur die russischen Importe von rund 130 Milliarden Kubikmetern jährlich kompensiert werden, auch die eigene Gasförderung ist stark rückläufig - während man zeitgleich ein Wachstum der Nachfrage erwartet. So muss die EU eine Alternative für bis zu 380 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr finden.

Zwei Vorhaben, die seit dem Ausbruch der ukrainischen Krise im Gespräch sind, erteilt Fell zumindest eine Absage: Das umstrittene Fracking und die Suche nach neuen Gaslieferanten. So könnte die umstrittene Fördermethode Fracking, bei der Chemikalien in Gesteinsschichten gepumpt werden, selbst bei einem konstanten Bedarf nur maximal fünf Prozent der benötigten Erdgasmenge liefern. Auch der Plan, sich neue Lieferländer zu suchen ist Fell zufolge ein »Luftschloss«, denn allerhöchstens »im politisch instabilen Mittleren Osten« gebe es eine steigerbare Gasförderung. So importiert sogar die USA, die derzeit einen Fracking-Boom erlebt, weiterhin Erdgas aus Kanada.

»Eine Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen innerhalb des fossilen Energiesystems zu erreichen, ist unmöglich«, fasst Fell seine Untersuchungen zusammen. Eine »mittelfristig umsetzbare Alternative« biete hingegen der schnelle Ausbau der Erneuerbaren. Für die Untermauerung dieser These liefert Fell nicht so viele Fakten wie zur Analyse der Erdgasversorgungslage. Trotzdem geht er davon aus, dass dies in fünf bis sechs Jahren hinzukriegen sei. Solange kann man nur hoffen, dass die Lage nicht weiter eskaliert.

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