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Künstlerischer Aktivismus

Eine spanische Gruppe von Medienschaffenden verbindet Kunst und Politik

  • Lesedauer: 4 Min.
Die Fotografin Oriana Eliçabe (Jahrgang 1972) gehört der siebenköpfigen Gruppe von Medienschaffenden namens Enmedio an. Über die Arbeit, Motivation und Ziele der spanischen Künstler und Aktivisten sprach mit ihr für »neues deutschland« Ralf Hutter.

nd: In Barcelona läuft bei Enmedio wieder ein wöchentlicher Kurs namens TAF (Werkstatt der fotografischen Aktion). Du bist jetzt auch für einen mehrtägigen TAF nach Berlin gekommen. Was ist die Idee dahinter, und seit wann macht ihr das?
Eliçabe: TAF folgt derselben Grammatik wie Enmedio: Es geht um Aktivismus aus einem kreativen Raum heraus, der sich nicht an die Aktivisten richtet, sondern an Leute, die nicht mit uns einer Meinung sind, die sich nicht für Politik interessieren. Wir begannen mit diesem Projekt 2011, gleichzeitig mit der spanischen Protestbewegung 15M. Zu dem Zeitpunkt gab ich einen Fotokurs, und dort fragten wir: Warum machen wir nicht auch eine Aktion, aber mit Fotografie?

Das war also eigentlich ein normaler Fotokurs?
Es war ein Kurs in Autoren-Dokumentarfotografie. Manchmal gebe ich Kurse, die sozusagen eher traditionell sind. Für mich war aber immer die Verbreitung des Fotos wichtig. Bei Enmedio denken wir: Die Verbreitung des Fotos ist politisch. Das Bild an sich ist nicht politisch - erst, wenn du den besten Weg findest, es zu verbreiten. Es im öffentlichen Raum zu verteilen oder an Orten, wo Entscheidungen gefällt werden, ist eine andere Form der Verbreitung von Fotografie. Viele Dokumentarfotografen oder Fotojournalisten glauben, dass ihr Foto schon dadurch politisch ist, dass es etwas dokumentiert. Enmedio funktioniert so: Wir haben eine Idee und veranstalten eine offene Werkstatt. Wir haben dabei Regeln. Zum Beispiel repräsentieren wir die Leute als Kämpfende, es geht uns um Selbstermächtigung. Wir wollen keine Opfer zeigen. Wir wollen Menschen zeigen, keine Statistiken. Wir versuchen, mit den Geschichten der Leute zu arbeiten, nicht mit Zahlen und aus der Distanz.

Enmedio

Die Gruppe Enmedio arbeitet seit 2007 in und von Barcelona aus im Raum zwischen politischem Aktivismus und Kunst. Weil sich die Gruppenmitglieder zwischen diesen beiden Polen nicht entscheiden wollten, wählten sie den Namen, der übersetzt »In der Mitte« lautet, wobei »medio« aber auch »Medium« bedeutet. 

Enmedio-Arbeiten wurden schon in mehreren Ländern ausgestellt, vor allem die großen Fotos von Zwangsräumungsbetroffenen und -bedrohten nebst deren Botschaften, die an Bankfassaden geklebt wurden. Foto- und Aktionskurse fanden auch im Oktober in Hamburg und bis vergangene Woche in Berlin statt. In Berlin beklebten einige Teilnehmende im Anschluss eine Schautafel des Energiekonzerns Vattenfall mit selbst gemachten Anti-Kohlekraft-Postern. rhu

 

 

2011 wolltest du also mitten im Kurs etwas anderes machen.
Ja. Die Krise trieb sowohl die Politisierten als auch die Nicht-Politisierten auf die Plätze. Ich hatte schon von Fotografie zur Intervention im öffentlichen Raum gesprochen und sagte dann, zwei Tage, nachdem die Bewegung 15M begonnen hatte: »Warum arbeiten wir nicht mit Leuten, die noch eine Arbeit haben? Wir gehen zum großen Markt La Boquería und fotografieren die Leute dort! Wir könnten sie fragen, ob sie wissen, was da auf dem Platz passiert.« Und wir fragten sie, ob wir ein Foto von ihnen zum Platz bringen könnten, weil sie ja nicht hingehen konnten. Die Reaktionen waren sehr gut. Diese Fotos trugen wir zum Katalonien-Platz, wo wir auch ein mobiles Studio aufbauten, um die Leute auf dem Platz zu fotografieren und ihre Bilder in die Stadt zu tragen.

Macht ihr die TAFs regelmäßig?
Wir haben alle zwei bis drei Monate reguläre Kurse in unseren Räumen und weitere, wo wir mit politischen Gruppen kooperieren. Die regulären umfassen sechs wöchentliche Sitzungen. Da kommen Kunststudierende, Soziologen und Fotografen. Im Kurs geht es um die Macht der Bilder, in jeglicher Hinsicht: zum einen im Aktivismus - dabei auch: Welche Fehler gibt es beim Aktivismus mit Bildern? -, zum anderen in der Werbung. Auch um die großen ikonischen Bilder der Geschichte geht es, die das kollektive Imaginäre schaffen, aber bewusst hergestellte Bilder sind.

Und die anderen Kurse, die mit den politischen Gruppen?
Der andere Teil ist sozusagen die Strategie TAF: Fotografische Intervention, Direkte Aktion mit Fotografie. Es ist eine der Taktiken von Enmedio, Aktionen zu machen, zum Beispiel zusammen mit der Plattform der Hypothekenbetroffenen. So entstand die Aktion, wo wir Bilder von Geräumten oder von Räumung Bedrohten an die Fassaden von Banken klebten.

Ihr wurdet schon in mehrere Länder eingeladen, um auszustellen und Kurse zu halten. Ihr habt Erfolg.
Wir werden an verschiedene Orte eingeladen. Das ist wichtig für uns, weil wir so das Geld für Aktionen bekommen. Wir leben nicht von Enmedio. Fast alles, was wir für Ausstellungen oder Vorträge bekommen, wird ins Kollektiv reinvestiert. So sind ungefähr 90 Prozent der Kurse gratis. Und dennoch zahlen wir für Enmedio immer drauf.

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