»Im Moment haben wir …

Kathrin Gerlof über Phänomene wie Verfolgungsvakuum, Einzelfallgerechtigkeit und Massenverwaltungstauglichkeit

  • Lesedauer: 3 Min.

… ein Verfolgungsvakuum, das kann so nicht bleiben.« Dieser preisverdächtige Satz stammt von der sozialdemokratischen Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Innenministerium, Heike Raab. Man mag sich nicht vorstellen, welches Vakuum in ihrem Kopf geherrscht haben muss, als sich die Abgesandte der teuren Toten SPD derart zum Thema Vorratsdatenspeicherung äußerte. Und wünscht sich glatt, dass einer der vielen Reformstaus das Verfolgungsvakuum füllt, damit wir wieder eine Zukunftsperspektive in der effektiven Bekämpfung der organisierten Kriminalität haben. Aber das wird uns nicht gelingen, weil nicht alle an einem Strang ziehen, um die Sicherheit des Landes, Europas, der Welt und des Universums zu gewährleisten, statt dessen Einzelinteressen über das Gemeinwohl gestellt werden.

Die Sache ist nämlich so, dass sich die Bundes-SPD – nachdem der Europäische Gerichtshof die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung als, naja, nicht richtig genug für eine Richtlinie, geißelte – ein wenig schwer tut, die Sache mit der präventiven Ausschnüffelung weiter voranzutreiben. Die wissen, wann man den Mund halten und den Kopf einziehen muss, um keine schlechte Figur zu machen.

Ihre Mannen und Frauen in den Bundesländern aber finden das doof. Die wollen speichern. Der sozialdemokratische Innenminister Baden-Württembergs, Reinhold Gall, beklagt eine offene Flanke bei der Verbrechensbekämpfung, sieht aber gleichzeitig – trotz aller Urteile – ausreichend Möglichkeiten für eine sinnvolle Vorratsdatenspeicherung. Man sehnt sich glatt nach Frau Leutheusser-Schnarrenberger, auch wenn die in der FDP ist. Eine, nur eine einzige Befehlsverweigerin diesen Kalibers in der SPD, und Frau Merkel hätte ein paar schlaflose Minütchen.

Man darf allerdings die sinnvolle Vorratsdatenspeicherung nicht in Gänze verdammen. Schließlich wäre es schön, speicherten die Bürgerinnen und Bürger mal das eine und andere ordentlich in ihrem singulären oder kollektiven Gedächtnis ab, um es bei den nächsten Bundestagswahlen parat zu haben. So eine kleine Liste des Grauens, um im Angesicht des Wahlzettels nicht etwa auf die Idee zu kommen, eine Partei zu wählen, die zwar Kanzler werden will, am Ende aber wieder als Wirtschaftsminister in einer Großen Koalition und Handelsvertreter der deutschen Autoindustrie im fernöstlichen Großraum endet. Obwohl noch nicht klar ist, ob Deutschland nicht bald mal wieder einen richtigen Autokanzler braucht. Man darf ja nicht vergessen, dass jedes exportierte Auto die Feinstaubbelastung hierzulande verringert. Beziehungsweise nicht erhöht. Das ist wie mit den Waffen. Was weg ist, pustet hier niemandem die Lichter aus.

Vorratsdatenspeicherung also – kollektive – dafür braucht es kein Gesetz, das ist Menschenrecht und Bürgerpflicht. Natürlich gehört es inzwischen zum genetischen Erbgut zu wissen, wem wir die Hartz-Gesetze zu verdanken haben (nicht Peter Hartz – nur noch mal zur Sicherheit). Nun tagt schon seit einem Jahr eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen, um das Machwerk zu reformieren. Weniger Bürokratie, mehr Sanktionen, so in etwa lassen sich die Ziele zusammenfassen. Der Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, ist der Meinung, die bisher verfolgte Einzelfallgerechtigkeit mache die Hartz-IV-Regelungen zu bürokratisch.

Einzelfallgerechtigkeit ist ganz große Scheiße, da hat der Mann Recht. Man muss das Elend in Gruppen bündeln, um dann sozusagen viele Fliegen mit nur einer Keule erschlagen können. Es gehe bei den angedachten Reformen um »Massenverwaltungstauglichkeit«, kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband. Ja, für Regelungen mit Massenverwaltungstauglichkeit hat die teure Tote seit jeher ein Händchen. Die Reichsautobahngebühr in Höhe von jährlich 100 Euro zum Beispiel wäre genau das Richtige, um es einmal mehr unter Beweis zu stellen.

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