Der lange Weg zur Befreiung der Welt von Chemiewaffen

Die Organisation zum Verbot chemischer Waffen vor großen Herausforderungen / C-Waffen-Konvention trat am 29. April 1997 in Kraft

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor 90 Jahren begann der lange Weg für ein völkerrechtliches Verbot chemischer Waffen. Einer 1924 vom Völkerbund einberufenen Konferenz lagen entsprechende Vorschläge vor.

Das erste rechtsverbindliche Verbot der Anwendung von Chemiewaffen erfolgte am 17. Juni 1925, als 38 Staaten das »Genfer Protokoll« unterzeichneten. Dieser erste wichtige Schritt wurde möglich, weil die verheerende Wirkung chemischer Waffen noch aus unmittelbarem Erleben im Ersten Weltkrieg in Erinnerung war.

Denn obwohl bereits die Haager Konferenzen von 1899 und 1907 die Anwendung von Giften und vergifteten Waffen verurteilt hatten, wurden im Ersten Weltkrieg chemische Giftgase zunächst von deutschen und dann auch von alliierten Truppen eingesetzt. Trotz des Verbots kam es auch später immer wieder zur Anwendung von Chemiewaffen. Italien setzte 1935 Giftgas im Krieg gegen Abessinien (das heutige Äthiopien) ein; die USA, die das Genfer Protokoll erst 1975 ratifizierten, versuchten, ihre Niederlage in Vietnam durch den Einsatz von Herbiziden und Reizkampfstoffen abzuwenden, und Irak griff gleich mehrmals zu chemischen Waffen. Der jüngste Einsatz von Giftgas mit über 1500 Toten und Verletzten ereignete sich in Syrien im August 2013, und auch danach soll Giftgas eingesetzt worden sein.

Das nach 1945 in den Jahrzehnten des Kalten Krieges einsetzende Wettrüsten mit chemischen Waffen führte zur Anhäufung von insgesamt 100 000 Tonnen chemischer Kampfstoffe, vor allem durch die Sowjetunion/Russland (etwa 40 000 Tonnen) und die USA (etwa 34 000 Tonnen). Nach fruchtlosen Bemühungen in den Vereinten Nationen in den ersten Jahren ihrer Existenz, wurde in den 60er Jahren im Genfer Abrüstungsausschuss ein Verbot chemischer Waffen angestrebt. Doch die Verhandlungen traten lange Zeit auf der Stelle.

Erst der Einsatz chemischer Waffen im ersten Golfkrieg Iraks gegen Iran sowie gegen die eigene kurdische Bevölkerung in den 80er Jahren löste internationale Besorgnis über die Anwendung und weitere Verbreitung chemischer Waffen aus. Ebenso schockierend war das durch die UN-Kontrollkommission nach dem zweiten Golfkrieg im Jahre 1991 aufgedeckte Rüstungsprogramm Iraks. Immerhin besaß Bagdad laut Angaben der UNO etwa 46 000 mit dem Nervengas Sarin gefüllte Sprengköpfe bzw. Bomben und zusätzlich mehr als 400 Tonnen chemischer Kampfstoffe. Die Bestände wurden anschließend unter UN-Aufsicht vernichtet.

Weitere mehr als 20 Staaten werden zu den potenziellen C-Waffen-Besitzern gezählt. Darunter befinden sich Ägypten, China, Frankreich, Indien, Iran, Israel, die beiden Koreas, Kuba, Libyen, Pakistan, Südafrika, Taiwan und Vietnam. In dieser Situation brach sich die Erkenntnis Bahn, dass, wenn es jetzt nicht gelänge, ein weltweites Verbot zu erreichen, es für immer zu spät sein könnte. Das brachte die Verhandlungen schließlich im Sommer 1992 zum Durchbruch. Die C-Waffen-Konvention trat am 29. April 1997 in Kraft.

Die Vernichtung der chemischen Waffen sollte danach innerhalb von zehn, in Ausnahmefällen 15 Jahren erfolgen. Eine vollständige Beseitigung aller chemischen Waffen hätte also bereits 2012 erreicht sein sollen.

Die Einhaltung und Umsetzung der Chemiewaffenkonvention obliegt der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (engl.: Organization for the Prohibition of Chemical Weapons - OPCW). Sie ist eine autonome internationale Organisation, die durch besondere vertragliche Beziehungen mir der UNO verbunden ist. Die OPCW hat ihren Sitz in Den Haag/Niederlande. Der C-Waffen-Konvention und damit der OPCW gehören mit dem Beitritt Syriens im Oktober 190 Staaten an (siehe Karte). Verboten sind sowohl die Anwendung von Giftgasen als auch deren Herstellung und Besitz, vorhandene Bestände müssen vernichtet werden.

Die Organisation besteht aus der Konferenz aller Vertragsstaaten, einem 41 Mitglieder starken Exekutivrat und dem Technischen Sekretariat zur Vertragsimplementierung. Sie steht unter der Leitung von Ahmet Üzümcü aus der Türkei.

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