Löw will WM-Kandidaten kämpfen sehen

Nach einem langweiligem 0:0 überrascht Joachim Löw immerhin mit der Nominierung Christoph Kramers

  • Holger Schmidt
und Thomas Niklaus, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Spieler ist ganz gestrichen, drei dürfen nicht mit ins Trainingslager. Nach dem wertlosen Test gegen Polen nominierte Joachim Löw überraschend Christoph Kramer.

Joachim Löw ist immer für eine Überraschung gut. Nach dem langweiligen 0:0 gegen Polen hatte der Bundestrainer eine niederschmetternde Nachricht für André Hahn. Christoph Kramer wurde dagegen unverhofft zum Gewinner des Debütantenballs.

Der Mönchengladbacher Kramer schlüpfte mit einer aggressiven Vorstellung noch in den 30-köpfigen WM-Kader, den Löw dem Weltverband FIFA meldete und der nach den vorherigen Ausbootungen von Mario Gomez, René Adler und Max Kruse eine geschlossene Gesellschaft zu sein schien. Der 23-jährige Kramer darf nun aber doch noch als einer von 27 Spielern mit ins Trainingslager nach Südtirol in einer Woche. Dort will Löw, dass es »auf einigen Positionen einen Konkurrenzkampf gibt. Ich will sehen, dass die Spieler um ihr WM-Ticket kämpfen.«

Beendet ist der Traum für Hahn, der »positionsbedingt« (Löw) durchs Sieb fiel. Nicht mit nach Südtirol reisen dürfen auch der Schalker Max Meyer trotz einer spielfreudigen Vorstellung gegen Polen, der am Dienstag enttäuschende Leon Goretzka sowie der Hamburger Marcell Jansen. Sie stehen immerhin noch auf Abruf, ihre WM-Chancen sind aber minimal, weil Löw selbst von den 27 »Südtirolern« noch vier streichen muss.

Jansens Streichung hat die WM-Chancen des Dortmunder Linksverteidigers Erik Durm noch einmal erheblich gesteigert. Er ist nun der einzige Spieler ohne bisherigen Länderspieleinsatz im Kader, von den Polen-Debütanten sind neben Kramer noch Kevin Volland (Hoffenheim) und Shkodran Mustafi (Genua) dabei. Bei Jansen wisse er, »was er leisten kann, wenn er topfit ist«, sagte Löw. Das ist er aber im Moment nicht. Bei Twitter schrieb Jansen, die Entscheidung sei »natürlich enttäuschend«.

Kramer habe laut Bundestrainer »in Training und Spiel einen hervorragenden Eindruck hinterlassen«. Der Mönchengladbacher ist eine zusätzliche Absicherung im defensiven Mittelfeld, wo Ilkay Gündogan ausfällt, Sami Khedira gerade sein Comeback gegeben hat, Bastian Schweinsteiger verletzt ist und Rechtsverteidiger Philipp Lahm nur im Notfall spielen soll.

Wie schwer der Kader in diesem Jahr zusammenzustellen war, zeigt die Tatsache, dass der ausgebootete Mario Gomez am Dienstag in Hamburg noch als einer von sieben DFB-Spielern auf den Werbeplakaten für den offiziellen WM-Spot eines Sponsors prangte. Ins Sammelheft eines Süßwarenriesen kann man Bilder von Stefan Kießling, Sidney Sam, Heiko Westermann, René Adler, Sven Bender, Gündogan oder Max Kruse einkleben.

An das Polen-Spiel dachte am Mittwochmittag kaum noch jemand. Dabei war es ein fußballhistorisches: Löw hatte die jüngste Startelf der 106-jährigen DFB-Geschichte aufgeboten (21,45 Jahre), Julian Draxler war der jüngste Kapitän (20 Jahre, 235 Tage). Löw brach sogar einen Rekord, der für die Ewigkeit schien: Mit zwölf Debütanten überbot er die elf, die es im allerersten Länderspiel 1908 gegeben hatte - Auswechslungen waren damals noch nicht erlaubt.

So viel Joachim Löw die junge Mannschaft später auch lobte, war es für die meisten Zuschauer doch eine Mogelpackung. Sie hatten den normalen Eintrittspreis bezahlt und sich auf eine Elf mit zumindest einigen Stars gefreut. Sie bekamen eine mit einem Kapitän, der nicht einmal das WM-Ticket sicher hat. SID/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal