Die Raubkatze gerät ins Abseits

Die Fußball-WM in Brasilien ist auch eine gewaltige Markenschlacht der führenden Sportausrüster

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Materialien und Technologien scheinen bei Sportartikeln fast ausgereizt. Umso härter führen die Hersteller den Kampf um diesen Markt: Die Fußball-WM lassen sie sich fast 300 Millionen Euro kosten.

Fest steht: Der Trikottausch wird auch für Fußballer der iranischen Nationalmannschaft nach ihren WM-Gruppenspielen gegen Nigeria, Argentinien und Bosnien-Herzegowina erlaubt sein. Das Ritual muss nicht unterbleiben, weil mit den Jerseys sparsam umgegangen werden muss, wie es unlängst aus iranischen Verbandskreisen verlautete. Und als der Ersatztorwart lästerte, sein Trainingsanzug würde einlaufen, fiel der zuständige Teamausrüster, das deutsche Traditionsunternehmen Uhlsport, aus allen Wolken. »Falsch und absurd« seien solche Vorwürfe, hieß es. Marketingchefin Melanie Steinhilber betont heute lieber wieder »das partnerschaftliche Miteinander«.

Es ist eine Liaison zweier krasser Außenseiter: Das mittelständische Unternehmen mit Sitz in Balingen auf der schwäbischen Alb, das sich vor allem mit Torhüterausrüstung einen Namen machte, und der iranische Fußballverband kamen vor zwei Jahren zusammen, wobei sich die Unterstützung in erster Linie aus Sachleistungen speist. Was anderes kann sich eine Firma mit 180 Mitarbeitern und 60 Millionen Euro Jahresumsatz auch gar nicht leisten, denn auf dem globalisierten Sportartikelmarkt geben gemeinhin die Großkonzerne mit schwindelerregenden Summen die Spielregeln vor, um die WM-Teilnehmer einzukleiden.

Auf bis zu 300 Millionen Euro werden diesmal die Investitionen geschätzt, die sich zuvorderst auf drei Ausrüster verteilen: den amerikanischen Gigant Nike sowie die deutschen Konkurrenten Adidas und Puma. Nike hat zehn Teams unter Vertrag, darunter Gastgeber Brasilien, Niederlande, Frankreich, England oder Kroatien. Adidas schickt neun Mannschaften nach Brasilien, neben Deutschland, Weltmeister Spanien und Argentinien noch Russland, Kolumbien oder Mexiko. Puma stattet acht Vertreter aus, darunter Italien, Schweiz oder Uruguay sowie Ghana, Kamerun und die Elfenbeinküste.

Vor allem Nike und Adidas liegen im erbitterten Dauerwettstreit, obwohl die Materialien und Technologien längst mehr als ausgereizt wirken. Aber darum geht es gar nicht mehr. Stattdessen gilt es, den Kunden weiszumachen, dass sich mit den auffällig gestalteten Markenprodukten tatsächlich besser kicken lässt. »Die WM 2014 spielt die Hauptrolle in unserer Markenkommunikation. Die Kampagne ›All in or Nothing‹ ist die größte in der Geschichte«, erklärt Adidas-Sprecher Oliver Brüggen: »Unsere Hauptzielgruppe sind die 14- bis 19-Jährigen.« Dafür wird mittlerweile in den digitalen Medien eine einzigartige Marketing- und PR-Maschinerie angestoßen. Mit Animationen und Videos auf Plattformen wie Youtube und Instagram, oder die unter Vertrag stehenden Stars wie Mesut Özil preisen die Produkte direkt über ihr Facebook-Profil an. Ein gewinnbringender Doppelpass. Das Dax-Unternehmen aus Herzogenaurach peilt in diesem Jahr nach Angaben von Firmenchef Herbert Hainer ein Rekordergebnis von zwei Milliarden Euro ausschließlich mit Fußballprodukten an.

Nike, das Galionsfiguren wie Cristiano Ronaldo, Neymar oder Wayne Rooney unter Vertrag hat, erlöste mit Fußballartikeln zuletzt rund 1,5 Milliarden Euro, ist aber bei der Zahl der verkauften Fußballschuhe und beim Gesamtjahresumsatz (Nike: 18,7 Milliarden Euro - Adidas: 14,5 Milliarden) mittlerweile vorn. Für den erst vor zwei Jahrzehnten überhaupt in die Kicker-Branche eingestiegenen US-Konzern mit Sitz in Beaverton im Bundesstaat Oregon ein gewaltiger Erfolg, der den innovativen Farb- und Formgebungen bei Produkten mit dem »Swoosh« zu verdanken ist. Adidas wiederum verweist auf seinen Vorteil, seit 1970 als offizieller WM-Ausrüster zu firmieren - so ist der Spielball »Brazuca« in der World of Sports in Herzogenaurach entwickelt worden.

An der Kooperation mit dem Weltverband wird ungeachtet aller Skandale bedingungslos nun sogar bis 2030 festgehalten. Einen Imageschaden befürchtet Adidas nicht einmal wegen der bevorstehenden Proteste auf brasilianischem Boden. »Natürlich ist es legitim, wenn nun viele Brasilianer die WM als Plattform nutzen, um für Wandel in ihrer Gesellschaft zu werben. Solange diese Proteste friedlich ablaufen, ist das absolut in Ordnung«, teilt Brüggen mit. »Wir hoffen, dass die brasilianische Regierung wie angekündigt den konstruktiven Dialog mit der Bevölkerung fortsetzt und Verbesserungen umsetzt.«

Ganz andere Sorgen plagen den in unmittelbarer fränkischer Nachbarschaft angesiedelten Konkurrenten Puma, der bei der WM 2006 in Deutschland noch mit zwölf Teams die meisten Teilnehmer ausgestattet hatte. Das Logo mit der Raubkatze hat sich zurückdrängen lassen. »Wir gehen momentan durch schwere Zeiten. Mit stagnierenden Umsätzen und rückläufigen Gewinnen«, gestand Vorstandschef Björn Gulden kürzlich dem »Kicker«. Immerhin: Acht ausgerüstete WM-Teams sind eine allemal stattliche Zahl, »und unsere Mannschaften kosten im Schnitt keine acht Millionen Euro« (Gulden). Die teuren Exklusivverträge mit Einzelspielern hat Puma arg zurückgefahren - immerhin reichte es noch, Deutschland-Schreck Mario Balotelli neben Marco Reus als einen Repräsentanten ins Schaufenster zu stellen.

Mit welch harten Bandagen hinter den Kulissen gekämpft wird, zeigt das Beispiel Bosnien-Herzegowina. Eigentlich wäre die kleine Balkan-Nation genau wie Belgien (Burrda), Honduras (Joma), Costa Rica (Lotto) oder Ecuador (Marathon) mit einem hierzulande weitgehend unbekannten Ausrüster beim Turnier angetreten, denn der WM-Neuling war vertraglich an den italienischen Teamausstatter Legea gebunden. Doch pünktlich seit dem 1. Juni greift ein besser dotierter Kontrakt, und bosnische Balltreter tragen nunmehr ebenso Utensilien mit den drei Streifen.

Auch bei Iran gab es Gerüchte, dass der ehemalige Nationalspieler und Adidas-Repräsentant Ali Daei versuchte, noch den FIFA-Sponsor ins Spiel zu bringen. Von einer »kleinen Unruhe« spricht rückblickend Melanie Steinhilber und verweist darauf, dass »Iran bei Uhlsport eine andere Nummer ist als bei Adidas.« Aber sie weiß auch, dass es bereits zu Diskussionen gekommen sein soll, Marken wie ihre, die aus Kostengründen gar keine Fußballschuhe mehr herstellen, von der WM-Bühne zu verbannen. Was da ablaufe, sei teilweise »schon sehr bizarr«. Aber wohl auch typisch für solch ein gewaltiges Geschäft, das die Weltmesse des Fußballs alle vier Jahre neu belebt.

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