Echtes Indianerspiel

Drüben heißt es Peteca, hierzulande Indiaca, und Danny Thiele ist darin Spitzenklasse

  • Lesedauer: 4 Min.
Es ist wie Badminton ohne Schläger. Ein federballartiges Geschoss fliegt, per Hand geschlagen, hin und her: »Peteca«, eine Erfindung brasilianischer Indianer. In Brasilien rangiert Peteca hinter Fußball und Volleyball. In der übrigen Welt hat es sich in einer modifizierten Form als »Indiaca« etabliert. Danny Thiele, 36, Wirtschaftsinformatiker in Düsseldorf, ist der deutsche Bundestrainer. Im Mixed-Doppel wurde er 2013 Weltmeister. nd-Autor René Gralla spielte mit ihm Frage-Antwort-Indiaca.

nd: Warum spielen Sie »Indiaca« und nicht das brasilianische »Peteca«, die ursprüngliche Version des Spiels?
Thiele: Weil »Indiaca« eine Weiterentwicklung der Sportart »Peteca« ist. Und zwar, nachdem der deutsche Sportlehrer Karlhans Krohn aus Dillenburg das Spiel 1936 am Strand von Rios Copacabana beobachtet hatte. Nach seiner Rückkehr kombinierte er das Gesehene mit den Volleyballregeln, und als Resultat ist »Indiaca« herausgekommen.

Klingt ein bisschen nach deutschem Kulturimperialismus.
Das wäre eine völlig überzogene Interpretation. Peteca hat seinen Schwerpunkt in Südamerika, das stimmt, und dort natürlich in Brasilien, das ist auch klar. Trotzdem ist Indiaca schon lange kein deutscher Sonderweg mehr, sondern wird auch in anderen europäischen Staaten gespielt, besonders in unseren Nachbarländern Frankreich, Niederlande und Schweiz. Darüber hinaus ist Indiaca populär in den USA und Russland, in China und Japan. Und sogar in Lateinamerika hat Indiaca jetzt neue Anhänger gefunden, von Bolivien über Paraguay bis Chile.

Federball ohne Schläger

Die indigenen Völker Brasiliens haben das Spiel schon vor der Ankunft der Konquistadoren gepflegt. »Peteca«, wie es in der Sprache der Tupi heißt, bedeutet »Schlag«: Mit einem gezielten Schlag muss der Federball auf der Spielfeldhälfte des Gegners platziert werden. »Indiaca«, eine außerhalb der Grenzen Brasiliens gepflegte Variante, unterscheidet sich vom klassischen Vorbild dadurch, dass im Indiaca jeweils fünf Spieler ein Team bilden, während im Peteca zwei Einzelspieler oder zwei Doppel gegeneinander antreten.

Peteca steht daher dem Badminton näher, während Indiaca Anklänge zum Volleyball aufweist. Indiaca wird auf einem 16 Meter mal 6,10 Meter großen Feld ausgetragen. Die Netzhöhe beträgt zwischen zwei Metern und 2,35 Metern. Gespielt wird mit zwei oder drei Gewinnsätzen. Einen Satz entscheidet die Mannschaft für sich, die zuerst 25 Punkte mit mindestens zwei Punkten Abstand zum Score des Gegners holt. gra

 

 

Beim Indiaca wird eine Art Federball über ein Netz geschlagen.
Das ist die Verwandtschaft zum Volleyball, nach dem Konzept des bereits erwähnten Karlhans Krohn. Die Aktiven versuchen, den Ball - den wir »Indiaca« nennen - nach drei Berührungen innerhalb des eigenen Teams derart schwungvoll im gegnerischen Feld zu platzieren, dass der Gegner dann nicht mehr rankommt.

Ziemlich gewöhnungsbedürftig ist die Form der besagten Indiaca, diese Kombination aus einer runden und verstärkten Schaumstoffbasis plus draufgesetzten Federn. Das muss doch sehr schwierig sein, ein derart bizarr geformtes Objekt zu treffen, und dann auch noch mit der flachen Hand?!
Das ist schwieriger als im Volleyball, das stimmt. Andererseits sind die Flugeigenschaften der Indiaca dermaßen gut ausbalanciert, dass sich die Federn immer recht schnell nach hinten wegdrehen - mit der praktischen Folge, dass man die für einen Schlag geeignete Seite der Indiaca eigentlich immer gut erwischen kann.

Außerdem soll es richtig weh tun, wenn man, was nun mal zum Spiel gehört, die Indiaca mit der flachen Hand trifft. Hört sich abschreckend an.
Das ist reine Übungssache. Wenn Sie als Anfänger noch nicht die richtige Technik draufhaben und dementsprechend Ihre Handfläche in einem ungünstigen Winkel mit der Indiaca kollidiert, werden Sie das tatsächlich schmerzhaft spüren. Aber Sie werden das schnell in den Griff kriegen.

Was ist für Sie der besondere Kick an diesem Spiel?
Die Geschwindigkeit. Und der exotische Hintergrund macht es obendrein spannend. Dann hat Indiaca noch ein Plus: Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten bleiben Verletzungen eher die Ausnahme.

Woran liegt’s?
Selbst beim Volleyball darf man oberhalb und unterhalb des Netzes auch etwas robuster agieren, während das im Indiaca strengstens untersagt ist. Mit der Folge, dass körperliche Berührungen mit dem Gegner praktisch ausgeschlossen sind. Indiaca ist somit auch für Menschen über 50 attraktiv. In meinem Verein trainiere ich zum Teil mit über 75-Jährigen.

Was muss ich mitbringen, um gut zu werden im Indiaca?
Eine gute Hand-Augen-Koordination. Ganz wichtig: Sie müssen die konkrete Flugbahn der Indiaca einschätzen können, um darauf Ihre Taktik einstellen zu können. Äußerst hilfreich sind obendrein Sprungkraft und ein zügiger Antritt quasi aus dem Stand.

Können Sie durch clevere Spielzüge die anderen ausmanövrieren?
Das funktioniert. Indem Sie sich derart geschickt gruppieren, dass der Gegner verleitet wird, eine bestimmte Zone zu entblößen.

Besondere Glücksmomente während eines Matches?
Nach einer gelungenen Schmetteraktion oder einem gut gesetzten Block, an dem eine Attacke abprallt, fühlt sich das an wie Glück pur.

Wann steht das nächste internationale Turnier auf dem Terminkalender?
Das ist der World Cup für Vereinsmannschaften Ende August 2015 in Saitama bei Tokio.

Nächstes Turnier im Indiaca: 23. »Kamen Open« am 28./29.6.2014, weitere Infos unter www.cvim-kamen.de ; weitere Infos zum Indiaca: www.dtb-online.de/portal/sportarten/indiaca.html

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