Windige Prüfkriterien

Gutachten: Bewertung von Windrädern nach Flugsicherheitskriterien hat Schwächen

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.
Planer von Windkraftanlagen haben nicht nur manchen Anwohner gegen sich. Auch wegen der Flugsicherung werden Neubauten untersagt. Ein Gutachten zweifelt nun an den angewandten Prüfmethoden.

Ausgerechnet der Ausbau der rentabelsten erneuerbaren Energiequelle nach der Wasserkraft, der Windenergie, bekommt zunehmend Schwierigkeiten. Nicht nur gegen eine »Verspargelung der Landschaft« protestierende Anwohner und die verschleppte Netzanbindung machen den Windmüllern in spe zu schaffen. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) blockiert ebenfalls einige Neu- und Ausbauten. Der Grund: Der Schutzbereich rund um die mehr als 60 Funkfeuer der Flugsicherung wurde im Jahr 2009 von 3 auf 15 Kilometer erweitert. Das heißt, innerhalb dieses Radius bedürfen alle Bauwerke, die die Funkwellen stören könnten, einer Genehmigung. Windkraftanlagen sind solche Bauwerke. Und das BAF kommt bei seiner Prüfung oft zum Ergebnis, dass geplante Windräder nicht gebaut werden dürfen, weil sie die Funkfeuer beeinträchtigen.

Die UKW-Drehfunkfeuer sind spezielle Radiosender mit Frequenzen gleich im Anschluss an den UKW-Bereich. Ihre Funktion lässt sich mit der von Leuchttürmen in der Schifffahrt vergleichen. Wenn ein anfliegendes Luftfahrzeug die Signale mehrerer solcher Funkfeuer empfängt, können die Piloten daraus auch bei ungenügender Sicht die genaue Position bestimmen. Hindernisse in der Nähe des Funkfeuers können zur Verfälschung des Funksignals und damit zu ungenauen Positionsangaben des Flugzeugs führen. Soweit die Theorie.

Das schleswig-holsteinische Energiewendeministerium mochte sich mit den wiederholt negativen Bescheiden des BAF für Windparks an der Küste nicht abfinden und beauftragte Experten des Instituts für Luft- und Raumfahrt der TU Berlin mit einem Gutachten zur bisherigen Genehmigungspraxis. Zudem ließ man am Funkfeuer Michaelsdorf unweit der Ostseeinsel Fehmarn von einem Sachverständigen in verschiedenen Flughöhen genau nachmessen. Dabei zeigte sich, dass die meisten Störungen innerhalb des Bereichs von drei Kilometern auftreten. Das räumt auch die Deutsche Flugsicherung (DFS) ein.

Einer der Autoren des Gutachtens, der Berliner Luftfahrtingenieur Ferdinand Behrend, kritisiert gegenüber »nd«, dass die Flugsicherheitsbehörden für ihre Sicherheitsprüfungen ein sehr vereinfachtes Berechnungsmodell benutzten. Das unterstelle zur Berechnung des zusätzlichen Fehlers durch die Errichtung von Windrädern eine flache ungestörte Umgebung der Funkfeuer. Doch der Gesamtfehler bei der Ausbreitung der Funkwellen setze sich aus verschiedenen Quellen zusammen - Topographie, wechselnde Luftfeuchtigkeit, Vegetation, Bauwerke. »Der prozentuale Anteil einzelner Faktoren ist bisher nicht simulierbar«, ist Behrend überzeugt. Überdies seien selbst große Windräder nicht höher als 200 Meter. Zivile Flugzeuge, die Funkfeuer nutzen, fliegen dagegen in mehreren tausend Metern Höhe. Da könne der Fehler bei der Navigation kaum den messbaren Bereich erreichen.

Das Gutachten der Berliner Luftfahrtexperten geht noch weiter. Angesichts veränderter Navigationsverfahren in der Zivilluftfahrt müsse man prüfen, ob überhaupt noch alle in Deutschland betriebenen Funkfeuer notwendig seien. Denn längst sind die meisten Passagierflugzeuge nicht mehr auf die Navigation mit UKW-Drehfunkfeuern angewiesen, sondern nutzen parallel die Informationen von Satellitennavigationssystemen und weiterer Sensoren. Außerdem werden die Maschinen durch die Radarüberwachung der Flugsicherung kontrolliert und geleitet. Angesichts der schrumpfenden praktischen Bedeutung der Funkfeuer hält Behrend die Genehmigungspraxis des BAF für unverhältnismäßig.

Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) sieht nun den Bund in der Pflicht, die »intransparenten« Genehmigungsverfahren und das »restriktive Vorgehen« der Flugsicherung bei der Genehmigung von Windenergieanlagen zu überprüfen.

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