CSD in drei Varianten

Demonstrationen von verschiedenen Veranstaltern führen durch Berlin

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach Streitigkeiten zwischen den beteiligten Organisatoren gibt es in diesem Jahr drei verschiedene Veranstaltungen.

Letztes Jahr zerlegte sich der alternative Kreuzberger CSD im Streit, in diesem Jahr ist der große CSD dran. Im Streit um eine als von vielen als handstreichartig empfundene geplante und teilweise bereits zurückgenommene Umbenennung in »Stonewall« hat sich neben dem CSD e. V. ein »Aktionsbündnis CSD 2014« gegründet, das nun ebenfalls in der City West eine Demonstration organisiert.

»Lesben- und Schwulenverband, Berliner Aidshilfe, der Berliner Leder- und Fetischverein, aber auch SPD, Grüne und CDU«, zählt Ralph Ehrlich die sicheren Teilnehmer an der Alternativveranstaltung auf. »Ganz wichtig war uns, einen Akzent zu setzen: Auf der Route selber sollen politische Aussagen getroffen werden und keine Aussagen für kommerzielle Werbung«, sagt Ehrlich. Die Route soll von der Botschaft Ugandas über das Justizministerium, die russische Botschaft, in der Nähe des Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus über den Bundesrat, die Potsdamer Straße (»Unser Gruß & Solidarität gilt den Sexarbeiter*innen«) zum Nollendorfplatz führen. Der klassische CSD führt vom Kurfürstendamm über den Nollendorfplatz bis zur Siegessäule, wo er wegen der Fanmeile zur Fußball-WM auch endet und nicht zum Brandenburger Tor weiterführt.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat schon ein Grußwort verfasst und wird zusammen mit Ute Hiller von der Aidshilfe die Demonstration eröffnen. Insofern kann sich Sissy Kraus vom CSD e. V. bestätigt fühlen, die schon im Februar mit der Einschätzung als »Regierungs-CSD« gegen das Aktionsbündnis ätzte. »Wir sind kein Putsch einer Regierungspartei. Wir fanden es selbstverständlich, dass Wowereit unseren CSD eröffnet. Gerade wenn es um Akzeptanz und Toleranz geht, dann ist es ein Zeichen, dass der Bürgermeister auf unserer Seite steht«, entgegnet Zehra Can.

Zehn Wagen sind beim CSD des Aktionsbündnisses bereits angemeldet. »Keine Ahnung«, sagt Carsten Schatz auf die Frage, mit wie vielen Teilnehmern er rechnet. »Angemeldet haben wir 10 000.« Er legt Wert darauf, dass im Gegensatz zur anderen Veranstaltung überhaupt keine Gebühren erhoben werden. Eine Demo sei schließlich kostenlos. Dennoch sei man auf Spenden für das Drumherum angewiesen. Man sei überrascht von der guten Resonanz gewesen. »4000 Euro sind schon zusammengekommen, 800 Euro waren die größte Einzelspende«, berichtet Ralph Ehrlich. Da man kein Verein sei, könne man aber leider keine Spendenquittungen ausstellen.

Entzündet hatte sich der zum Zerwürfnis führende Streit vordergründig an der geplanten Umbenennung des CSD in Stonewall, nach dem Namen der Schwulenkneipe, deren Besucher sich 1969 gegen eine der damals zahlreichen Razzien erstmals handgreiflich wehrten. »Die Neuausrichtung des Vereins wurde innerhalb von einer Stunde beschlossen. Wir haben gesagt, dass wir Bedenkzeit brauchen«, sagte Ute Hiller im April. Doch generell wird die fehlende Einbindung der vielfältigen Berliner Community bemängelt. »Der CSD e. V. wird von außen als Vertreter der ganzen Szene wahrgenommen. Das haben wir nicht so gefühlt«, sagt Ralph Ehrlich. Vor allem CSD-Geschäftsführer Robert Kastl steht mit seiner häufig recht forschen Art in der Kritik, auch wenn das niemand laut sagen will, um nicht noch mehr Porzellan zu zerschlagen. »Das Tischtuch ist angerissen aber nicht zerschnitten«, sagt Sebastian Ahlefeld vom Aktionsbündnis über den CSD e. V. Man sehe einen gemeinsamen CSD 2015, man müsse halt noch viel reden.

Als wäre das alles noch nicht kompliziert genug, gibt es auch in diesem Jahr noch eine weitere, dritte Variante des CSD: Unter dem etwas skurrilen Motto »Die Oranienstraße ist keine Einbahnstraße - Solidarität auch nicht« führt der Kreuzberger CSD diesmal sehr fußlahmenfreundlich nur vom Oranien- zum Heinrichplatz, wo es Redebeiträge, ein Bühnenprogramm sowie ein Straßenfest geben wird. Er richtet sich gegen Gentrifizierung, für Mitbestimmung, soziale Absicherung und Bleiberechte. Kreuzberger Nachtlebeninstitutionen wie Schwuz, SO36, Südblock und Möbel Olfe haben sich unter anderem mit dem Rattenbarkollektiv zusammengetan, um dieses Jahr den Umzug auf die Beine zu stellen. National- und Parteiflaggen sind dort weiterhin verboten.

www.csd-berlin.de www.csd-berlin-2014.de

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