Könige

Leo Fischer kümmert er sich vierzehntäglich um liegen gelassenen Politikmüll

Demokratie ist nicht gleich Demokratie, und in vielen europäischen Staaten hatte man den Despotismus über die Jahrtausende so liebgewonnen, dass man ihn, nach den wenigen und späten demokratischen Revolutionen, nicht rundheraus abschaffen wollte: Man hat ihn statt dessen musealisiert. Der Tyrann wurde nicht ins Exil geschickt oder hinter die Rewe-Kasse gesetzt, sondern durfte, nachdem man ihm alle Zähne und Krallen gezogen hatte, sein Amt ausüben wie bisher, nur eben von Volkes Gnaden. Der Souverän wollte sich großzügig und frei von Rachegelüsten zeigen, und auch der Glanz der Monarchien sollte erhalten bleiben: Es war doch alles so schön und erhaben bei Hofe! Man wollte Majestät ohne Herrschaft, Pracht ohne Ausbeutung.

Man hat sich getäuscht, insbesondere mit der Idee, man könnte die monarchische Ästhetik beerben und die Demokratie dabei schadlos halten. Denn die Ästhetik, der absolutistische Glanz war immer auch ein Machtmittel. Die Könige regieren nicht mehr mit Bataillonen, sondern mit Klatschzeitschriften und Sonntagsreden, also den Mitteln der Kultur. Das sorgt dann dafür, dass es im gründlich demokratisierten Vereinigten Königreich keine Statue und kein Ehrenmal für den Dichter John Milton gibt, weil der Mann ja schließlich leidenschaftlicher Republikaner war, und für so jemanden ist im demokratischen Absolutismus kein Platz.

Sie herrschen aber auch über die Sprache: Tatsächlich nutzten im Zusammenhang mit dem Interregnum in Spanien deutsche Journalisten bestürzend oft das Wort »Amtszeit«, so als würde der neue Monarch mit dem Antritt seiner Cosplay- und Maskottchen-Tätigkeit plötzlich beginnen, Steuern einzutreiben und Todesurteile zu unterschreiben, jedenfalls den Staat in seinen Grundfesten erschüttern. Lachhaft auch die »bewusst sparsamen« Inthronisierungsfeierlichkeiten - als sei das Durchfüttern des Kostümkönigs nicht an und für sich unverantwortliche Geldverschwendung.

In Deutschland hat der Bundespräsident den Kaiser ersetzt, eine ultimative Schwundstufe, ein Grüßonkel, ein besserer Museumsführer, ein moralisierender Onkel mit Verfassungsrang. Die meisten der Amtsinhaber wussten um ihre Nichtigkeit, hielten überzeugend die Klappe, linsten aus ihren Anzügen und verknusperten ihre Pensionen.

Mit Joachim Gauck hat diese Tradition der Bescheidenheit ihr Ende gefunden. Noch keiner nahm das Amt so ernst wie er, und noch keiner hat den absolutistischen Kern des Amtes so entschlossen reaktiviert. Gauck will Krieg, das lässt er neuerdings jedermann wissen, es wird mählich beherrschendes Thema seiner Amtszeit. Man sollte das Amt abschaffen, bevor er ihn bekommt.

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