Der Schrein des Hochbegabten
WM-PORTRÄT
Im zweiten Stock eines Herrenbekleidungsgeschäftes an der Freien Straße in Basel gibt es eine Umkleidekabine für die Mitarbeiter. Der Spind eines ehemaligen Azubis wurde immer noch nicht ausgeräumt, obwohl der seit 2009 nicht mehr zur Arbeit erschienen ist, weil er seine Lehre für den Weg des Fußballprofis abbrach. Ein weißes Hemd, Pullover, Ordner, eine Packung Kaugummis, ein noch verschweißtes Französischbuch inklusive Quittung über den Kaufpreis von 30 Franken - alles liegt seit fünf Jahren im Schrank. Die Reliquienverehrung im Heiligenschrein gilt Xherdan Shaqiri (23), dem derzeit wohl begabtesten Schweizer Fußballspieler. Gegen Honduras schoss er die Eidgenossen mit seinen drei Toren im Alleingang ins Achtelfinale und sorgte damit für einen verschobenen Renteneintritt seines Nationaltrainers Ottmar Hitzfeld, der als erst zurücktreten will, wenn die Schweiz ausgeschieden ist.
Das könnte bereits am 1. Juli so weit sein, wenn die Schweizer im Achtelfinale gegen die Mannschaft des anderen kleinen Hochbegabten des Turniers antreten müssen: Lionel Messis Argentinien. Dem nur 1,69 Meter großen, im heutigen Kosovo geborenen, Shaqiri, dessen Familie in seiner frühen Kindheit ins Basler Land zog, gilt dabei auch die besondere Aufmerksamkeit seines Vereinstrainers: Pep Guardiola, der mit Messi den FC Barcelona zur zeitweise stärksten Klubmannschaft der Welt formte, ist jetzt der Übungsleiter des Hochbegabten Shaqiri beim FC Bayern München. Obwohl der Schweizer dort nicht oft spielt, nennt Guardiola ihn »ein Geschenk für diesen Verein«. Und bemerkt weiter: »In seinem Land ist er ein Gott.« Mit eigenem Schrein im Herrenmodefachgeschäft.
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