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Demokratieprobe für Indonesien

Ein volksnaher »Reformer« und ein ehemaliger Diktaturgeneral kämpfen um die Präsidentschaft im Inselreich

  • Mathias Peer, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
Indonesien stehe vor der wichtigsten Präsidentenwahl seit dem Sturz der Suharto-Diktatur 1998, heißt es. Rund 190 Millionen Indonesier sollen heute den Nachfolger Susilo Bambang Yudhoyonos wählen.

Endspurt im indonesischen Präsidentschaftswahlkampf. Das Fernsehen übertrug live und Favorit Joko Widodo hielt sich auf dem Lebensmittelmarkt im Süden Jakartas an sein Erfolgsrezept: Keine große Rede, stattdessen direkte Gespräche mit Händlern und Besuchern über deren Nöte. Der 53-Jährige, meist nur bei seinem Spitznamen Jokowi genannt, will ein Politiker zum Anfassen sein. Mit unangekündigten Kontrollbesuchen bei Behörden und spontanen Bürgersprechstunden auf Märkten hatte sich Jokowi bereits in seiner Zeit als Bürgermeister der Provinzstadt Surakarta und später als Gouverneur von Jakarta als Politiker neuen Typs präsentiert. Medien nennen ihn den indonesischen Barack Obama. Umfragen sehen den hemdsärmeligen Senkrechtstarter als Favoriten im Rennen um das Amt des Staatschefs von Südostasiens größter Volkswirtschaft.

Rund 190 Millionen wahlberechtigte Indonesier sind an diesem Mittwoch aufgerufen, den Nachfolger des amtierenden Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono zu wählen. Yudhoyono, der nach zehn Jahren als Staatschef nicht mehr kandidieren darf, hinterlässt ein Land mit Problemen: Jahrelang hat sich die Politik auf guten Geschäften mit dem Rohstoffexport ausgeruht. Doch der Boom geht zu Ende, das Wirtschaftswachstum sank zuletzt auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren. Firmen klagen über Korruption, hohe Transportkosten, lange Wartezeiten in den Häfen und schlecht ausgebildetes Personal.

Jokowi macht der Wirtschaft Hoffnung: Als Hauptstadtgouverneur seit 2012 erarbeitete er sich binnen weniger Monate den Ruf eines zupackenden Reformers, der die Bürokratie auf Vordermann brachte und wichtige Infrastrukturprojekte anstieß. In Indonesiens wachsender Mittelschicht ist er beliebt: Der ehemalige Möbelhändler, der einfache Karohemden trägt und gerne Heavy Metal hört, zählt als einer der ihren.

Sein Konkurrent Prabowo Subianto ist ein ehemaliger General, der bis zum Ende der Herrschaft von Diktator Suharto 1998 zu den mächtigsten Militärs des Landes gehörte. Mit einer Tochter Suhartos war er lange Zeit verheiratet. Der 62-Jährige empfiehlt sich den Indonesiern selbstbewusst als »starker Mann«. Im Wahlkampf ließ er Sänger für sich werben, die Uniformen im Nazistil trugen. Im Übrigen kündigte er an, er werde das indonesische Wahlsystem »zurückschrauben«, sollte er zum Präsidenten gewählt werden. Direktwahlen sind seiner Auffassung nach »nicht indonesisch«.

Obwohl ein Sieg Subiantos das Ende der Demokratie in dem Inselstaat mit seinen rund 250 Millionen Einwohnern auf 17 000 Inseln bedeuten könnte, gelang es dem steinreichen Exgeneral, seinen Umfragerückstand auf Jokowi von weit über 20 Prozentpunkten im Frühjahr auf zeitweilig nur noch vier Prozentpunkte zu verringern - unter anderem mit Parolen gegen ausländische Investoren. Ihnen wirft er vor, sich unrechtmäßig an Indonesiens Bodenschätzen zu bereichern. Darüber hinaus ließ sein Lager Gerüchte streuen, Rivale Joko Widodo sei eigentlich chinesischstämmig und kein Muslim. Im bevölkerungsreichsten muslimischen Staat der Erde wiegt solche Unterstellung schwer, selbst wenn sie jeder Grundlage entbehrt.

Jokowi gab sich dennoch optimistisch. »Ich weiß, wohin ich gehen muss, damit wir gewinnen«, sagte der Kandidat zu Journalisten und machte sich prompt auf den Weg zu Rindfleisch- und Gurkenverkäufern auf dem Markt.

Erste Prognosen zum Wahlausgang werden für Mittwochabend erwartet. Ein offizielles Ergebnis wird jedoch wahrscheinlich erst in drei Wochen bekannt.

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