Echte Perspektiven sehen anders aus

Johanna Uekermann über den abgesagten Gipfel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die »Jugendgarantie«

  • Johanna Uekermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 11. Juli wollten sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf einem Jugendgipfel in Turin treffen, um über die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Umsetzung der »Jugendgarantie« zu sprechen. Leider wurde dieser Gipfel nun abgesagt und auf Ende des Jahres verschoben. Wieder einmal lässt Europa seine Jugend und ihre Zukunft im Regen stehen.

Wirft man einen Blick auf den aktuellen Stand der »Jugendgarantie«, wird schnell klar, warum die Staats- und Regierungschefs mehr Zeit brauchen: Die bisherigen Anstrengungen im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit reichen bei Weitem nicht aus.

Mit der »Jugendgarantie«, für die SozialdemokratInnen und SozialistInnen lange gekämpft haben, verpflichten sich die EU-Mitgliedstaaten, dass »allen jungen Menschen unter 25 Jahren innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos werden oder die Schule verlassen, eine hochwertige Arbeitsstelle oder Weiterbildungsmaßnahme oder ein hochwertiger Ausbildungs- bzw. Praktikumsplatz angeboten wird«. Klar ist: Eine »Jugendgarantie« ist kein Allheilmittel gegen Jugendarbeitslosigkeit, kann aber - wenn sie entschieden umgesetzt wird - die Mitgliedstaaten zum schnellen Handeln bewegen, um arbeitslose Jugendliche in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen.

Dass die »Jugendgarantie« aber von vielen nicht mal als Überbrückungselement gesehen wird, sondern oft auch als blanke Symbolpolitik, wird deutlich, wenn man einen genaueren Blick auf die finanzielle Ausstattung wirft. Für die Jugendgarantie sind innerhalb der Eurozone lediglich 6 Milliarden Euro vorgesehen, mindestens 21 Milliarden wären nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aber nötig. Zur Rettung der Banken wurden 700 Milliarden mobilisiert. Beim derzeitigen Stand von 5,6 Millionen arbeitslosen Jugendlichen in Europa bedeuten 6 Milliarden, dass jeder Jugendliche im Monat mit 41 Euro gefördert wird. Noch extremer wird dieses Bild, wenn wir uns vor Augen führen, dass die Versorgung arbeitsloser Jugendlicher jährlich 100 Milliarden Euro verschlingt.

Kritisch sehen wir in diesem Zusammenhang auch, dass grenzüberschreitende Mobilität oft als einziger Ausweg für arbeitslose Jugendliche propagiert wird. Natürlich gilt: Mobilität innerhalb Europas ist eines unserer größten Güter. Junge Menschen müssen dieses Recht aber freiwillig und unter guten Bedingungen nutzen wollen. Werden junge Menschen willkürlich durch Europa geschickt, um sie in Arbeit zu bringen, sind die Opfer, die sie bringen, oft groß. Sie verlassen ihre Familie und ihre Freunde. Sie müssen sich in einer fremden Umgebung mit fremder Sprache zurechtfinden. Und vergessen werden darf auch nicht, welche Auswirkungen die massive Auswanderung junger Menschen für die eh schon schwer getroffenen Regionen hat, die sie verlassen.

Im Vordergrund muss deshalb stehen, jungen Menschen vor Ort Chancen und Zukunftsperspektiven zu eröffnen.

Deshalb heißt es für uns: Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen endlich handeln! Die »Jugendgarantie« muss entschlossen umgesetzt werden und finanziell besser ausgestattet werden. Auch die Qualität der getroffenen Maßnahmen muss verbessert werden. Statt nur über junge Menschen zu reden, müssen sie endlich auch mit einbezogen werden.

Der Erfolg der »Jugendgarantie« hängt aber natürlich von der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Lage ab. Auch mit der schönsten Jugendgarantie können Jugendlichen in Europa schließlich keine Jobs garantiert werden, die es nicht gibt. Die besten Zukunftschancen für junge Menschen garantiert deshalb eine Politik, die dazu beiträgt, dass mehr Arbeitsplätze entstehen. Die gegenwärtige Anti-Krisen-Politik in Europa ist davon weit entfernt. Sie hat die Krise und die Situation für junge Menschen verschärft. Die Arbeitslosenquoten steigen seit Beginn der Austeritätspolitik weiter an.

Die Sparpolitik muss deshalb beendet werden. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft, in Bildung, Forschung, neue Energien und eine europaweite nachhaltige Wachstumspolitik. Um Europa endlich aus der Krise zu bringen, braucht es mehr als kurzfristige Maßnahmen. Die Staats- und Regierungschefs sollten sich schämen, diesen Gipfel abgesagt zu haben, und endlich gemeinsam handeln, bevor junge Menschen Europa ganz den Rücken kehren.

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