Was ist ein Afghane wert?

Zivilisten müssen ihr Unglück allein bewältigen

  • Lesedauer: 2 Min.

Im Jahr 2012 gab es 1143 Soldaten, die in Bundeswehrkrankenhäusern wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) behandelt wurden. Allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres waren es bereits 1100 Fälle. Wie hoch die Dunkelziffer der an der Seele verletzten deutschen Soldaten ist, mag niemand schätzen. Das Verteidigungsministerium hat reagiert und Ende 2012 mit Brigadegeneral Klaus von Heimendahl sogar einen Beauftragten für das Problem benannt. Doch was ist mit jenen, die keine Uniform tragen, in deren Heimat geköpft, getötet und gestorben wird?

Es gibt für nahezu alles eine emotionslose Statistik. Keine gibt die Not und die Verzweiflung der Menschen adäquat wieder. Laut UNO-Buchhaltern wurden von Januar bis Juni in Afghanistan 1564 Zivilisten getötet. Das sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 24 Prozent mehr zivile Opfer, sagt die UN-Mission in Afghanistan (Unama). Die Anzahl der verletzten Zivilisten stieg dem Bericht nach um 28 Prozent auf 3289. Vor allem wuchs die Zahl der getöteten Kinder und Frauen. So seien im Berichtszeitraum 295 Kinder umgekommen, 64 oder 27,8 Prozent mehr als 2013. Die Anzahl der verletzten Kinder stieg um fast 47 Prozent. Bei den Frauen verzeichnete Unama einen Anstieg der Todesopfer um 40 Prozent, bei den Verletzten ein Plus von über 21 Prozent. Für 74 Prozent der zivilen Opfer machte Unama Aufständische wie die Taliban verantwortlich, für acht Prozent afghanische Sicherheitskräfte. Ein Prozent verantworteten demnach ausländische Truppen.

Was ist das Leben eines Afghanen wert - so man überhaupt registriert, dass ein Einheimischer durch ausländische Truppen »zu Tode kam«? Die Summen, die die unter ISAF versammelten NATO-Staaten bereit sind auszugeben, variieren. Italien ist bereit, bis zu 13 500 US-Dollar zu zahlen. Norwegen bietet 8000 US-Dollar an, deutsche Finanzverwalter haben die Auszahlung bei 6500 US-Dollar begrenzt. Die USA, Polen und die Niederlande meinen, dass der Wert eines Menschen mit 2500 US-Dollar ausreichend gewürdigt ist. Das Thema Posttraumatische Belastungsstörungen bei einheimischen Zivilisten oder Militärs interessiert fast niemanden. hei

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