Helden werden an schlechten Tagen gemacht

Eine der positiven Überraschungen der Tour de France ist der Debütant Leopold König aus Tschechien

  • Tom Mustroph, 
Bagnères de Luchon
  • Lesedauer: 4 Min.
Leopold König ist eine der positiven Überraschungen der aktuellen Tour. Der Tscheche fuhr sich bei seinem Debüt mit einer starken Leistung in den Alpen unter die Top 10 der Gesamtwertung.

Die erste Pyrenäenetappe brachte einen Etappensieg für den Australier Michael Rogers. Er war der stärkste aus einer ursprünglich 21 Mann umfassenden Ausreißergruppe. Er setzte sich in der Abfahrt vom Portes de Bales von seinen Fluchtgefährten ab und sorgte nach dem Polen Rafal Majka für den zweiten Bergetappensieg eines Contador-Helfers nacheinander.

Ein angeschlagen wirkender Vincenzo Nibali verteidigte das Gelbe Trikot. Im innerfranzösischen Duell um den dritten Rang verschaffte sich ein starker Thibaut Pinot Vorteile gegenüber Romain Bardet. Er übernahm auch das Weiße Trikot des besten Jungprofis. Hinter ihnen kletterte Leopold König auf den 7. Gesamtrang.

Der Tscheche ist eine der positiven Überraschungen der aktuellen Tour. Er fuhr sich bei seinem Debüt mit einer starken Leistung in den Alpen bereits unter die Top 10 der Gesamtwertung und verbesserte sich noch am ersten Pyrenäentag. Er selbst ist gar nicht überrascht davon. »Vor Bergen habe ich gar keine Angst, egal ob sie lang oder steil sind. Wichtig ist nur, dass ich gute Beine habe«, sagte der 26-Jährige dem »nd«. In den Alpen hatte er so gute Beine, dass er zuerst dem Gesamtführenden Nibali davonfuhr und später gar noch als Windschattengeber für ihn fungierte. »Ich war schon überrascht, als ich Nibali am Hinterrad spürte und er zunächst gar nicht Führungsarbeit leistete. Aber er hatte viel Energie aufwenden müssen, um bis zu uns zu gelangen und war wohl für einen Moment am Limit«, bezog sich König auf die Etappe nach Chamrousse, als er gemeinsam mit Majka enteilt war.

Die Erfahrung, zumindest für ein paar Kilometer in den Bergen Taktgeber für Nibali zu sein, hat König gezeigt, wozu er in der Lage ist. »Das Tourpodium hat er sicher drin in seiner Karriere«, meint der Chef seines Teams NetApp, Ralph Denk. König selbst traut sich noch viel mehr zu - eines Tages sogar den Sieg bei der Tour de France. »Das ist wahrscheinlicher als ein Meistertitel bei den Landesmeisterschaften«, flachst er. Der wird auf einem nicht allzu bergigen Terrain ausgetragen und bietet Klassikerspezialisten wie dem Tschechen Zdenek Stybar und dem Slowaken Peter Sagan Gelegenheit für Dauerduelle. »Ich habe mich abgefunden, wohl niemals ein Trikot in Landesfarben zu tragen«, meint König.

Dass er überhaupt in solchen Kategorien denken kann, verdankt er ein paar Mädchen, die ihn einst auf dem Rad stehen ließen. Die Episode ist kurios. Als Teenager wechselte König vom Eishockey zum Radsport. »Im Sommer bin ich als Training immer Mountainbike gefahren. Eines Tages bin ich komplett zum Radsport gewechselt. Ich war aber nie ein richtig guter Fahrer. Zu Beginn war es sogar so, dass einige Mädchen, die in meiner Kategorie fuhren, schneller waren«, erzählt König und muss selbst lachen. Weitergemacht hat er aus purem Stolz. »Ich habe in den Spiegel geguckt und mich gefragt, ob ich das auf mir sitzen lassen wolle. Ich wollte nicht. Also habe ich angefangen, richtig zu trainieren.«

Der ganz große Durchbruch ließ aber länger auf sich warten. Mit Anfang 20 hatte König wieder einen Einbruch. Auch in den Jahren mit Team NetApp war nicht immer alles leicht. König galt als verletzungsanfällig, als ein sehr fragiles Kletterjuwel. Den Giro d›Italia 2012 musste er deshalb auslassen. Bei der Spanienrundfahrt ein Jahr später glänzte er aber mit einem Etappensieg auf dem Alto Pena Blancas.

Seitdem erweist sich König immer mehr als ein ausdauernder Kletterer, der schon sehr gut seine Grenzen kennt und selten seine Kräfte überschätzt. So ging er die Attacke des Franzosen Pinot am Dienstag am Portes de Bales nicht mit, schloss aber auf der Abfahrt die entstandene Lücke.

Sogar Zockerinstinkt zeichnet ihn bei seiner ersten Tour de France aus. Bei der zweiten Alpenetappe nach Risoul fühlte er sich nicht sonderlich stark. Dennoch ließ er am Col d‹Izoard sein Team Tempoarbeit machen. »Ich dachte mir, wenn es mir schlecht geht, dann geht es anderen sicher auch schlecht. Und es ist besser, wenn dein eigenes Team Tempo macht als wenn du folgen musst. Nicht zuletzt ist es ein psychologisches Spiel«, so König.

Für die drei Pyrenäenetappen prognostiziert er »einen schwarzen Tag für jeden Klassementfahrer, auch für mich«. Es käme nur darauf an, die anderen den eigenen schwarzen Tag nicht spüren zu lassen. »Helden werden an den schlechten Tagen gemacht, nicht an den guten«, fasst er zusammen. Nun hofft er, dass sein Heldentag schon der Dienstag gewesen ist und Mittwoch und Donnerstag leichter und strahlender werden.

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