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»Wo gibt’s frischen Fisch in Palma?«

Reiseveranstalter setzen im Kundenkontakt zunehmend auf digitale Technik.

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 6 Min.

Irgendwie erinnerte der Auftritt von Michael Tenzer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Thomas Cook Touristik GmbH, vor wenigen Tagen bei der Präsentation der Winterprogramme an einen Science-Fiction-Film aus den 60er Jahren. An seinem rechten Brillenglas klebte etwas, was sich bei genauerem Hinsehen als winzige Kamera entpuppte. Als er auch noch anfing, mit seiner Brille zu reden, befürchteten einige für einen kurzen Moment, die Hitze vor der Tür sei daran schuld: »O. k. glass, take a picture!«, flüsterte er und zwinkerte der Brille aufmunternd zu. Um dann den amüsierten Journalisten zu erklären, dass er gerade per Wimpernschlag ein Foto von ihnen gemacht und versendet habe. Der Beweis ließ zwar ein Weilchen auf sich warten, und als das Bild endlich auf dem Monitor erschien, war es etwas verwackelt - aber immerhin!

Was Tenzer damit zeigen wollte: Die totale digitale Vernetzung lässt sich nicht mehr aufhalten. »Die neue digitale Technik ermöglicht ganz neue Formen, den Kunden auf seiner Reise mit uns zu begleiten, sich mit ihm auszutauschen und ihn einzubinden«, erkläre er. Das sehen alle anderen Reiseveranstalter genau so und setzen immer stärker und komplexer auf die moderne Technik.

Vorbei die Zeiten, da man sich auf dem heimischen Sofa durch Berge von Katalogen wühlte, heute fällt die Entscheidung bei acht von zehn Reisen online. 2006 noch nutzten nur gut 40 Prozent das Internet, um sich über das Reiseziel zu informieren oder sich inspirieren zu lassen. Das ergab eine Ende 2013 veröffentlichte Studie des Marktforschungsinstituts GfK zum Buchungsverhalten der Deutschen. Was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien: Bereits jede dritte Urlaubsreise wird heute im Internet gebucht, seit 2007 stieg der Anteil um 57 Prozent. Dennoch wird das gute alte Reisebüro so schnell nicht aussterben, denn beim Vertragsabschluss setzten nach wie vor die meisten auf einen persönlichen Ansprechpartner. Fast alle aber kommen sehr gut informiert zum Vertragsabschluss - recherchiert wurde online zu Hause, gebucht wird dann im Reisebüro. Jeder Zweite hält es so, bei Pauschalreisen sind es sogar 65 Prozent. Noch!

Denn: »Ihr Urlaub wird gerade neu erfunden«, verkündete vor wenigen Tagen Christian Clemens, Vorsitzender der Geschäftsführung der TUI Deutschland GmbH bei der Vorstellung der Winterprogramme. Und meint damit, dass das Unternehmen auf vielfältige Art und Weise mit seinen Kunden ständig vernetzt ist, z. B. über die App »meine TUI«, die bereits mehr als 100 000 Mal heruntergeladen wurde, und über die jeder Kunde individuell bis ins kleinste Detail über seine Urlaubsreise informiert wird. Seit Juni beantworten Mitarbeiter des Unternehmens 24 Stunden an jedem Tag in sozialen Netzwerken Kundenfragen rund um den Urlaub. »Wo gibt's frischen Fisch in Palma?«, wollte kürzlich eine Frau wissen. Die Antwort kam nach 22 Minuten von einem Mitarbeiter aus Mallorca.

Als erster Reiseveranstalter hat die TUI in diesem Jahr das ticketlose Reisen eingeführt. Sofern der Kunde will, werden ihm alle Unterlagen auf sein persönliches Serviceportal hochgeladen, nur Ausweis oder Pass muss man neben dem Smartphone noch einpacken. Demnächst soll es auch möglich sein, im Hotel online einzuchecken. Und damit der Reisende an keinem Ort ins digitale Loch fällt, werden ab 2015 alle TUI-Transferbusse über kostenloses WiFi verfügen. »Damit schließen wir eine Lücke, die andere Reiseveranstalter noch nicht besetzt haben«, freut sich Clemens und ist sich sicher, dass das ein weiterer Schritt ist, um »aus Kunden Fans« zu machen.

Früher reichte dafür einfach nur ein guter Service, der persönlich, per Post oder Telefon geboten wurde. Damit kann man heute vielleicht noch Oma Ida und Opa Fritz und die immer weniger werdenden jüngeren Technikverweigerer zufriedenzustellen. Für alle anderen gilt: Wer Fan werden will, muss über Smartphone oder Tablet verfügen, um immer erreichbar zu sein oder andere erreichen zu können. Auch und unbedingt im Urlaub.

Thomas Cook setzt als wichtigstes Instrument der digitalen Strategie auf die Reise-App »Travelguide«, die, ähnlich, wie die personifizierte TUI-App, den Kunden auf seiner gesamten Reise begleitet und sicher durch den Urlaub lenkt. 180 000 Kunden scheinen nur darauf gewartet zu haben und luden sich den 2013 von der Touristikbranche als beste Reise-App ausgezeichneten Travelguide herunter, sechs Millionen Mal wurde er bereits genutzt. 160 Zielgebiete und 600 individuelle Tipps von Reiseleitern enthält er, dazu jede Menge Karten, die auch offline abrufbar sind, eine Reisecheckliste erleichtert dem Urlauber die Vorbereitungen und hilft, das Richtige einzupacken und dabei nichts Wesentliches zu vergessen.

Eine repräsentative Befragung unter 18 000 Thomas-Cook-Kunden hatte 2012 ergeben, dass für 77 Prozent der Urlaub nur noch mit Smartphone oder Tablet denkbar ist. 65 Prozent gaben an, kostenloses WLAN im Hotel sei für sie ausschlaggebend bei der Wahl der Unterkunft, und 80 Prozent erwarten WiFi nicht nur in allen öffentlichen Bereichen sondern auch im Zimmer. Aus dieser Befragung heraus entstand das jüngste Hotelkonzept des Reiseveranstalters - SunConnect. Die ersten zehn Häuser öffneten mit großem Zuspruch in diesem Sommer in der Türkei, Kroatien, Spanien, Tunesien und Zypern, weitere sind bereits geplant. Wie sich Urlaub in einem SunConnect Hotel anfühlt, in dem man überall vom Aufstehen bis zum Schlafengehen online unterwegs ist, hat nd-Mitarbeiterin Marlene Göring eine Woche lang mit gemischten Gefühlen getestet. Unter »An der Küste von WiFi« ist ihr durchaus kritisches Urteil in »nd« vom 21./22.6.2014, S. 31 nachzulesen.

In Zukunft »werden wir uns verstärkt auf den Omnichannel-Dialog mit unseren Kunden« konzentrieren, sagte Michael Tenzer, und meint damit, dass man mit ihnen über alle Kanäle gleichzeitig kommunizieren will. Dazu gehört auch, dass seit einiger Zeit die Kunden verstärkt angerufen werden, um von ihnen noch genauer zu erfahren, »was sie wollen, und was wir künftig noch besser machen können«. An die Telefonnummern heranzukommen ist überhaupt kein Problem, denn »jeder Zweite gibt sie uns freiwillig«. Neben dem Chef, der den Journalisten mitteilte, jede Woche nach dem Zufallsprinzip fünf Kunden selbst anzurufen, sitzen weitere 40 leitende Mitarbeiter am Telefon und plaudern angeregt mit ihren Kunden über den Urlaub. Die Frage eines Journalisten, ob die Mitarbeiter von ihm dazu »verdonnert« wurden, wies der Unternehmenschef entschieden von sich.

Und wie sieht die Zukunft für die bunten Papierkataloge aus, mit denen man sich jahrzehntelang Urlaubsfeeling aufs heimische Sofa holte? Noch gibt es sie, doch langfristig haben sie wohl keine Zukunft. Traurig werden darüber sicher die wenigsten sein, denn: Nicht nur, dass sie kaum erschienen, schon wieder unaktuell sind, man spart auch jede Menge wertvolles Papier. Die TUI hat mit ihrem vor wenigen Wochen als Testballon auf den Markt gebrachten »Magalog« ein erstes Zeichen gesetzt. Es ist eine Mischung von Katalog und Magazin nebst QR-Code, über den man direkt auf das elektronische Reisemagazin www.tui-reisewelt.de gelangt. Pressesprecher Mario Köpers ist überzeugt davon, dass der »Magalog« auf lange Sicht die bislang »uninspirierten Immobilienkataloge« ersetzen wird.

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