Chinas Entwicklungsstrategie wandelt sich

Führung in Peking setzt weiter auf die Förderung des Handels, doch künftig soll vor allem die Binnennachfrage stimuliert werden

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Chinas Führung macht sich mehr Gedanken über die Entwicklung der Regionen jenseits der großen Wirtschaftsmetropolen. Auch Privatbanken und Kleinunternehmen sollen hierbei helfen.

Die Modernisierung des Finanzsystems gehört zu den wichtigsten Reformbereichen der amtierenden chinesischen Regierungsmannschaft unter Ministerpräsident Li Keqiang. In der vergangenen Woche wurden nun versuchsweise die ersten drei Lizenzen für private Banken vergeben. Zeitgleich erhielten staatliche Großbanken die Auflage, sich arbeitsteilig darum zu kümmern, Bauern und landwirtschaftlichen Betrieben bessere Finanzdienstleistungen anzubieten, sich um Renovierungsprojekte in wilden Siedlungen und Slums zu kümmern oder Export-Import-Geschäfte zu begleiten. Ziel ist es, örtliche Wirtschaftskreisläufe bedarfsgerechter mit Kapital zu versorgen.

Das war überfällig, denn bisher beherrschen die vier großen Staatsbanken sowie die anderen gut 200 staatlich gelenkten Banken den streng regulierten Kapitalmarkt. Sie vergeben Kredite vorzugsweise an Großunternehmen, die im Krisenfall mit der Rettung durch den Staat rechnen können. Vor allem die rasch wachsende Anzahl kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU) leidet aber unter Finanzierungsnot. Illegale Schattenbanken nutzen das und verleihen Geld nicht selten zu Wucher-Bedingungen. Die Weiterführung der Strukturreform hin zu immer mehr leistungsfähigen KMU verlangt nun auch vom Finanzsektor, neue Wege zu gehen.

All das ist von hoher politischer Brisanz, weil im Zuge der weiteren Urbanisierung bis 2030 rund eine Milliarde Menschen in kleineren und Mittelstädten leben werden. Das erfordert, jährlich über 15 Millionen Landbewohner dorthin umzusiedeln, mit Arbeitsplätzen zu versorgen und sie vorrangig in Sozialwohnungen unterzubringen. Nötig sind Bau- und In-frastrukturmaßnahmen, Lösungen für den Stadtverkehr, Investitionen in Telekom- und Dienstleistungsbereiche, Ausbildungsmaßnahmen und der Schutz des knappen Agrarlandes - die Kosten dafür werden auf umgerechnet über 4,1 Billionen Euro veranschlagt. Diese gigantischen Herausforderungen können nur durch die Erschließung neuer Finanzierungsquellen bewältigt werden, ohne jedoch die makroökonomische Steuerung durch die Partei und die Zentralregierung aufzugeben. Getestet wird deshalb auch, durch neue lokale Steuern auf Immobilien oder zentralstaatlich aufgelegte Schuldverschreibungen den örtlichen Regierungen größere Finanzspielräume zu verschaffen. Die so stimulierte Binnennachfrage soll ein qualitatives Wirtschaftswachstum um 7,5 Prozent pro Jahr gewährleisten.

Die Umsetzung dieses neuen Wirtschaftsmodells ermöglicht die Reduzierung des Wachstums, das bislang weitgehend exportgetrieben war und jährlich zweistellige Raten aufwies. Trotzdem bleibt China Exportweltmeister und wird seine Wirtschaftskraft nutzen, um den Renminbi (Yuan) schrittweise konvertibel zu machen. Auf knapp drei Billionen Euro werden Chinas derzeitige Währungsreserven veranschlagt. Die Kunst besteht nun darin, diese Finanzkraft so einzusetzen, dass der Yuan als Handels- und Anlagewährung weiter an Gewicht gewinnt. Im Wirtschaftsverkehr mit den südostasiatischen Staaten wurde viel erreicht, seit 2010 das Freihandelsabkommen mit den ASEAN-Ländern in Kraft trat. Ferner soll bis zum Herbst 2014 die Niederlassung der Bank of China in Frankfurt am Main zur Clearingbank für den Euroraum entwickelt werden. Handelsgeschäfte mit China können dann direkt in Euro und Yuan abgewickelt werden. Ähnliches ist für das britische Pfund vereinbart. Offenkundig versucht Chinas Führung den Yuan zielstrebig zu einer Weltleitwährung zu entwickeln, wenn dies die innere Entwicklung zulässt.

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