»Neue Sterne« als Quelle von Gamma-Strahlung

Verblüffende Entdeckung am Fermi-Weltraumteleskop

  • Dieter B. Herrmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Am 11. November anno 1582 erblickte der dänische Astronom Tycho Brahe zu seiner größten Überraschung einen strahlend hellen Stern, den er niemals zuvor an dieser Stelle des Himmels gesehen hatte. Was Wunder, wenn er ihn für einen neu entstandenen Stern (lat.: stella nova) hielt. Das Objekt müsse der Fixsternsphäre angehören, meinte Brahe, da es im Unterschied zu den Planeten keinerlei Ortsveränderung erkennen lasse. Doch gerade in der Welt der Fixsterne sollte es nach der geheiligten Lehrmeinung des Aristoteles keinerlei Veränderungen geben. So erwies sich die Beobachtung von Tycho Brahe als ein Befund von erheblicher philosophischer Sprengkraft. Das ist inzwischen lange her und längst wissen wir, dass Aristoteles ohnehin Unrecht hatte, aber auch, dass Brahe mitnichten Zeuge einer Sterngeburt geworden war. Bei seiner Entdeckung handelte es sich um ein Phänomen, das wir heute als Supernova klassifizieren. Trotz fortgeschrittener Erkenntnis lebt der »falsche« Name vom »neuen Stern« also weiter.

Eine Supernova stellt die Explosion eines massereichen Sternes am Ende seines »Lebensweges« dar. Die Explosion ist so gewaltig, dass der gesamte ursprüngliche Stern dabei vernichtet wird, während seine Helligkeit für kurze Zeit auf das Milliardenfache ihres Ausgangswertes ansteigen kann. Supernovae können auch entstehen, wenn ein masseärmerer Stern von einem Begleiter umkreist wird und dessen Masse gleichsam zu sich hinüberzieht. Es kommt dann ebenfalls zu einem Kollaps durch Eigengravitation. Gerade diese Supernovae vom sogenannten Typ Ia sind für die Forschung besonders interessant, da ihre Maximalhelligkeit immer etwa gleich ist. Dadurch eignen sich solche Explosionen als »Standardkerzen« für die Bestimmung von Entfernungen und wegen der großen Helligkeiten auch bis in sehr große Distanzen hinein.

Hingegen sind die physikalischen Auslöser einer Nova (ohne »Super«) ganz anderer Art. Hier handelt es sich stets um Doppelsternsysteme, deren eine Komponente das Endstadium eines Weißen Zwergsterns erreicht hat. Durch die hohe Gravitation kann dann Masse seines Begleiter zum Weißen Zwerg gelangen, so dass es zu einer thermonuklearen Zündung auf der Oberfläche des Sterns kommt, also nicht zu einer Zerstörung des gesamten Sterns. Im Gegenteil: Nach dem Abklingen kann sich der Vorgang sogar mehrfach wiederholen. Eine Supernova endet hingegen endgültig und führt zur Entstehung eines extrem dichten Neutronensterns. Auch die Energieumsätze sind bei Novae und Supernovae extrem unterschiedlich. Deshalb war man auch nicht verwundert, dass sich Supernovae durch eine außergewöhnlich energiereiche Gamma-Strahlung auszeichnen. Enorm hoch beschleunigte Teilchen führen in Schockwellen zur Entstehung dieser Strahlung. Zugleich speisen die Supernovae auch die energiereiche Komponente der kosmischen Strahlung, eines Stromes von Partikeln, der auch ständig auf unsere Erdatmosphäre einprasselt und dann in Wechselwirkung mit den Molekülen der irdischen Lufthülle tritt. Als »Sekundäre kosmische Strahlung« registrieren wir die Produkte dieser Interaktion am Boden unseres Luftmeeres.

Doch nun hat das 2008 gestartete »Fermi Gamma-Ray Space Telescope«, das die Erde in ca. 585 Kilometern Höhe umkreist, auch bei den gewöhnlichen Novae energiereiche Gamma-Strahlung nachgewiesen. Das stellt eine echte Überraschung dar. Schon im Jahre 2010 war solche Strahlung bei einer Nova im Sternbild Schwan detektiert worden. Um die Entstehung der elektromagnetischen Gamma-Strahlung zu verstehen, musste man davon ausgehen, dass Teilchen bis in den Giga-Elektronenvolt-Bereich hinein beschleunigt worden waren. Doch damals handelte es sich um eine regelmäßig wiederkehrende Nova, deren Materie aus einem roten Riesenstern als Begleiter stammte. Ein eher seltener Fall.

Nun aber zeigten Auswertungen von Messungen aus den Jahren 2012 und 2013, dass auch ganz gewöhnliche Novae Quellen solcher Strahlung sind. Drei solcher Novae in den Sternbildern Skorpion, Einhorn und Delphin erwiesen sich als Gamma-Quellen mit sehr ähnlichen Spektren. Am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck ist Olaf Reimer, Mitglied des »Fermi-Teams«, auf Grund dieser Befunde zu der Ansicht gelangt, dass möglicherweise alle gewöhnlichen Novae mit der Emission energiereicher Gamma-Strahlung verbunden sind.

Und weshalb weiß man das erst jetzt? Das hängt mit den Schwierigkeiten des Nachweises zusammen. Die verwendeten Teleskope sind in ihrer Empfindlichkeit für die verschiedenen Wellenlängen elektromagnetischer Strahlung sehr unterschiedlich. Gerade für Gamma-Strahlen haben sie praktisch nur eine Reichweite von bis zu 15 000 Lichtjahren. Zwar kommt es innerhalb eines einzigen Jahres zu 20 bis 40 Novaausbrüchen, doch die Objekte sind über die gesamte Galaxis verteilt und die meisten von ihnen befinden sich jenseits der Reichweite von Gamma-Teleskopen. Einzig der hohen Empfindlichkeit des Fermi-Teleskops ist es zu verdanken, dass wenigstens einige von ihnen jetzt als Gamma-Quellen erkannt werden konnten.

Wieder einmal wird deutlich, dass Fortschritte der Beobachtungstechnik zu den wichtigsten Voraussetzungen für neue Erkenntnisse gehören. Das war schon bei der Einführung des Fernrohrs im Jahre 1609 so und hat sich während der gesamten seitherigen Geschichte der Astronomie immer wieder bestätigt. Manchmal entsteht der Eindruck, man arbeite an der Vervollkommnung der Beobachtungstechnik hauptsächlich, um bestehende Hypothesen zu überprüfen. Auch das ist der Fall. Doch meist führen die verbesserten Techniken auch zur Entdeckung neuer Phänomene, die kein noch so fantasiereicher Theoretiker vorhergesagt hat. Im Fall der Novae als Gamma-Quellen zeigt sich dies auch daran, dass man den Mechanismus der Emission noch keineswegs versteht. Dazu sind weitere Beobachtungen von Doppelsternsystemen erforderlich, die uns mehr Auskünfte über die dortigen Magnetfeldstärken und die Intensitäten der Strahlungsfelder geben.

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