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Vom Hoffnungsträger zum Hauptstadtonkel

Tom Strohschneider über Wowereits Rücktritt und die Anschlussfähigkeit der Berliner Sozialdemokraten nach links

  • Lesedauer: 2 Min.

Wenn es im Moment danach aussieht, als würden von Klaus Wowereit lediglich ein paar mehr oder weniger lustige Zitate, ein unbeschreibliches BER-Debakel und vielleicht noch eine absurde Olympiabewerbung in Erinnerung bleiben, dann hat sich das der Sozialdemokrat vor allem selbst zuzuschreiben. Wer wie er zuletzt einen Politikstil zelebrierte, der kaum daran denken ließ, dass da noch echter Gestaltungsanspruch und eine politische Vision vorhanden sind, muss sich über den keineswegs nur klammheimlichen Beifall zu seinem Rücktritt nicht wundern.

Das gilt zumal, weil Wowereit ja nicht als alternder und amtsmüder Hauptstadtonkel die politische Bühne betreten hat. Sondern als einer, der biografische Gründe mitbrachte, die Welt nach links zu verändern. Der den Mut zu Rot-Rot hatte, als deshalb andere in der SPD-Zentrale noch in Ohnmacht fielen. Der zu Korrekturen an der Agenda-Politik rief, als dies unter Sozialdemokraten noch als Schröder-Lästerung tabuisiert wurde. Kurzum: Der als bundespolitischer Hoffnungsträger unter linken Sozialdemokraten galt.

Davon ist nicht mehr viel geblieben. Das hat vielleicht mit Berlin weniger zu tun als mit der SPD. Die Nordrhein-Westfälin Hannelore Kraft, die politisch auch einmal andere Signale setzte, hat den Sprung in die Bundespolitik ebenso gemieden. Aber richtig ist auch: Wowereits Amtsführung hat sich auf Berlin ausgewirkt, auf die politische Stimmung in der Stadt, auf die Veränderungslust, auf die Voraussetzungen für neue Mehrheiten. Umso mehr wird es jetzt darauf ankommen, dass bei den Berliner Sozialdemokraten die Weichen nicht so gestellt werden, dass die Anschlussfähigkeit der Hauptstadt-SPD nach links noch mehr Schaden nimmt.

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