Vom Dopingsünder zum Champion

Der Kroate Marin Cilic war gesperrt, kam schnell zurück und wurde nun von Altmeister Goran Ivanisevic zum Titel bei den US Open geführt

  • Wolfgang Müller, New York
  • Lesedauer: 4 Min.
2013 war er wegen Dopings monatelang gesperrt. Jetzt hat Marin Cilic seinen ersten Grand-Slam-Titel gewonnen - auch dank der Hilfe seines prominenten Trainers.

Nach seinem Meisterstück im Finale der US Open küsste Marin Cilic ein wenig schüchtern die silberne Henkeltrophäe. Die Fotografen hatten den fast zwei Meter großen kroatischen Tennisprofi nach dem Finale der US Open in New York erst zu der üblichen Geste auffordern müssen. In Cilics Heimat fast 7000 Kilometer entfernt feierten die Menschen zu dem Zeitpunkt bereits mit Straßenpartys und Feuerwerk den historischen Coup und eine »wundersame Nacht«, wie die Zeitung »Vecernji List« schrieb.

Als am Montagabend eine Rückhand des 25-Jährigen unerreichbar für den demoralisierten Japaner Kei Nishikori im Feld landete, hatte sich der Dopingsünder des vergangenen Jahres endgültig in der Tennishistorie verewigt: mit seinem ersten Titel bei einem der vier wichtigsten Turniere und als erster kroatischer Grand-Slam-Champion, seitdem Goran Ivanisevic vor 13 Jahren in Wimbledon triumphiert hatte.

Schnell tauchten im Internet erste Bildmontagen auf: mit Cilic als Triumphator in New York und seinem jetzigen Trainer Ivanisevic 2001 bei dessen Erfolg auf dem Londoner Rasen. »Es ist ein Wunder. Es fühlt sich komplett unrealistisch an, davon habe ich mein Leben lang geträumt«, sagte Cilic, als er zwei Stunden nach dem 6:3, 6:3, 6:3 gegen Nishikori den 49 Zentimeter hohen und knapp 3,2 Kilo schweren Siegerpokal im Presseraum auf dem Podium platzierte.

Novak Djokovic, Roger Federer, Rafael Nadal oder Andy Murray - die großen Vier des vergangenen Jahrzehnts waren längst aus New York abgereist oder wegen einer Verletzung gar nicht erst gekommen. Zum ersten Mal seit den Australian Open 2005 tauchte keiner aus dem Trio Djokovic, Federer, Nadal in der Finalkonstellation eines Grand-Slam-Turniers auf. »Der Hurrikan Cilic fegt über die US Open hinweg«, schrieb das Internetportal »Dalje.com«. Die Zeitung »Jutarnji List« meinte im Überschwang: »Cilic steigt zu den Unsterblichen im Tennis auf.«

Für dieses mit Überraschungen reichlich gesegnete Turnier war das Endspiel zwischen dem nur an Nummer 16 gesetzten Cilic und der Nummer elf Nishikori die passende Pointe. Mit einem humorlosen Dreisatzsieg zerstörte der Kroate die Hoffnungen seines 20 Zentimeter kleineren Gegners auf den ersten asiatischen Titelgewinn bei einem der vier größten Tennisturniere.

»Das bedeutet mir so viel, es ist das Größte überhaupt«, sagte Cilic, der noch auf dem Platz die ersten Telefonate mit der Heimat führen wollte, aber keinen Empfang hatte. Dafür musste er bei der Pressekonferenz dreimal seine Antworten unterbrechen, weil sein Handy klingelte und er vor lauter Aufregung den Lautlosmodus nicht fand. »Es ist ein besonderer Tag für mich, aber auch für ganz Kroatien«, sagte der Aufschlagexperte und berichtete von »WM-Atmosphäre« in seinem Land. Zum zweiten Mal nach 2001 feiert das junge Land einen Tennishelden. Das taten die verzückten Fans noch in der Nacht, etwa auf dem zentralen Ban-Jelačić-Platz der kroatischen Hauptstadt Zagreb oder in Cilics bosnischer Geburtsstadt Medjugorje.

So wie Federer (mit Stefan Edberg), Djokovic (mit Boris Becker), Nishikori (mit Michael Chang) oder lange Zeit auch Murray (mit Ivan Lendl) hatte sich Cilic im vergangenen Jahr die Hilfe und Expertise eines Altmeisters geholt. Anfang Juli fragte er seinen Mentor Goran Ivanisevic, ob er sich vorstellen könne, als Trainer für ihn zu arbeiten.

Zu dem Zeitpunkt war Cilic wegen eines Dopingvergehens gesperrt. In München war er im Frühjahr 2013 positiv auf das Stimulans Nikethamid getestet worden und erklärte den positiven Befund mit der Einnahme von Glukosetabletten. »Ich glaube wirklich, dass er nicht absichtlich etwas Falsches getan hat. War er vielleicht ein bisschen dumm? Vielleicht«, hatte Federer nach seiner Halbfinalniederlage gesagt und den Dopingsünder verteidigt. »Ich habe das Gefühl, dass ich ihn gut kenne, und glaube, dass er so etwas nicht tun würde.«

Der Internationale Sportgerichtshof CAS reduzierte die folgende ohnehin schon kurze Sperre von neun auf nur noch vier Monate, Ende Oktober 2013 kehrte Cilic in Paris auf die Tour zurück - erstmals mit Ivanisevic in seiner Box. »Er hat eine entspannte Atmosphäre und enorme Kenntnis ins Team eingebracht. Er hat mir sehr geholfen«, berichtete Cilic. In diesem Jahr gewann er die Turniere in Zagreb und Delray Beach. Am Montag wird er erstmals seit 2010 wieder unter den besten Zehn der Weltrangliste stehen. dpa/nd

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