Die Medaille liegt vor der Haustür

Deutschlands Volleyballer wollen das Losglück nutzen und sich ins WM-Halbfinale spielen

  • Lars Becker, Katowice
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch gegen Kanada besticht die DVV-Auswahl bei der WM in Polen durch mentale Stärke. Die Grundlagen dafür legte Vital Heynen im Trainingslager in Kienbaum.

Der Morgen nach dem Einzug in die Runde der besten sechs Mannschaften der Weltmeisterschaft verlief für die deutschen Volleyballer unerwartet entspannt. Statt die Koffer für die mehr als 200 Kilometer lange Reise nach Lodz zu packen, konnte das Team am Montag ganz in Ruhe frühstücken. Das Turnier geht für die Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) wie in den bisherigen zwei Wochen in Katowice weiter: Statt vor 15 000 fanatischen Fans gegen Gastgeber Polen spielen zu müssen, trifft das Team um Star Georg Grozer in der dritten Runde auf Frankreich (Dienstag) und Iran (Mittwoch). Mit Blick auf den anderen Pool mit Polen, Olympiasieger Russland und Titelverteidiger Brasilien war der deutschen Mannschaft das Glück bei der Auslosung also mehr als hold.

»Es ist schön, dass wir im Gegensatz zu unseren Gegnern keinen Reisestress haben und die Halle in Katowice aus nunmehr neun Spielen schon kennen. Wir fühlen uns fast schon zu Hause hier«, grinste Zuspieler Lukas Kampa: »Natürlich werden das schwere Aufgaben. Die Franzosen sind sehr kompakt, Iran bislang erstaunlich konstant. Das wird nicht einfach, ist aber eine Riesenmotivation. Wir haben die Medaille quasi vor der Haustür, jetzt müssen wir nur noch zugreifen.« Gegen Frankreich hat Deutschland in diesem Jahr in der Weltliga schon gewonnen, gegen Iran im Vorjahr - gegen beide Gegner gab es aber auch Niederlagen. Je zwei von drei Mannschaften beider Gruppen schaffen den Sprung ins Halbfinale.

»Jetzt kommt es auf Kleinigkeiten an, ein gutes Spiel könnte schon zum Einzug in die Finalspiele reichen«, ahnt Kapitän Jochen Schöps. Die vor den Titelkämpfen offensiv als Ziel ausgegebene erste Medaille seit dem WM-Titelgewinn der DDR im Jahr 1970 ist jetzt tatsächlich in Reichweite. Schon fest steht die beste Platzierung bei einer WM seit genau vier Jahrzehnten - die DDR hatte 1974 Rang vier belegt. Das macht Bundestrainer Vital Heynen zurecht zufrieden: »Das ist eine Super-WM, egal, ob wir jetzt eine Medaille gewinnen oder nicht. Die deutschen Basketballer waren nicht bei der WM dabei, die Handballer sind es nur dank einer Wildcard. Wir sind unter den sechs besten Teams der Welt. Da kann man doch nur sagen: Volleyball? Wow!«

Die Entwicklung der Mannschaft bei diesen Titelkämpfen ist tatsächlich bemerkenswert. Während bei den vergangenen Großereignissen im entscheidenden Moment die Nerven flatterten, bewies sie bei ihren sieben Siegen in neun Spielen echte Siegermentalität. Bestes Beispiel war das entscheidende Zwischenrundenspiel am Sonntagabend gegen Kanada, als im ersten Durchgang beim 22:24 zwei Satzbälle abgewehrt wurden. Den Einzug in die dritte Runde machte dann Denis Kaliberda frech mit einem Lupfer hinter das Netz zum 3:0-Sieg klar. »Wir haben nicht immer perfektes Volleyball gespielt, aber alle entscheidenden Spiele gewonnen. Die Mannschaft hat definitiv gelernt, dass man auch mit Kampf gewinnen muss«, konstatierte Lukas Kampa.

Vater des Erfolgs ist Bundestrainer Heynen. Er hatte im Trainingslager in Kienbaum von der Halle bis zu den Schlafräumen Medaillenfotos aufgehängt, um das deutsche Team aus seinem Zufrieden-mit-Mittelmaß-Modus zu reißen. Auf dem Spielfeld setzen das jetzt ganz besonders »die fantastischen Drei« um: Zuspieler Lukas Kampa, Hauptangreifer Georg Grozer und der einfallsreiche Denis Kaliberda. Dass das Trio zur absoluten Weltklasse gehört, beweisen schon die Statistiken zum Ende der zweiten Runde: Kaliberda war zweitbester Angreifer, Grozer zweitbester Aufschläger und Kampa findet sich auf Rang fünf der besten Zuspieler wieder.

»Vital hat uns immer wieder klar gemacht, dass wir jedes Team dieser Welt schlagen können. Daran glauben wir jetzt auch in der dritten Runde«, sagt Grozer. Das Motto heißt »YOLO«. Das heißt ausgeschrieben: »You only live once«. Übersetzt: Du lebst nur einmal. »Meine neunjährige Tochter Bente verwendet dieses Wort ständig und ich sage es meinen Spielern ständig: Man hat wahrscheinlich nur einmal im Sportlerleben die Chance, bei einer Weltmeisterschaft in solch einem volleyballbegeisterten Land wie in Polen dabei zu sein. Diese Chance muss man nutzen.«

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