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Batteriespeicher, Dinosaurierkraftwerke und rätselhafte EU-Politik

  • Lesedauer: 4 Min.
Die sechs Klimaretter-Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Gero Lücking, Vorstand für Energiewirtschaft beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

klimaretter.info: Herr Lücking, am Wochenende finden weltweit die seit Langem größten Klimaschutz-Aktionen statt. In mehr als 150 Ländern gehen die Menschen auf die Straße. Wie sehen Sie diese teilweise Renaissance der Klimaschutzbewegung?
Gero Lücking: Die Renaissance der Klimaschutzbewegung ist nur zu begrüßen. Leider findet sie bisher auf niedrigem Niveau statt, wir brauchen sie aber dringender denn je. Denn nur öffentlicher Druck wird dazu führen, dass beim Ban-Ki-Moon-Gipfel in New York, auf dem sich die Staats- und Regierungschefs zum Klimaschutz treffen, überhaupt Ergebnisse herauskommen werden. Und der schöne Spätsommer, den wir jetzt alle genießen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir wieder einmal auf ein Rekordwärme-Jahr zusteuern. Keine guten Nachrichten für das Klima.

In Schwerin ist in dieser Woche der bislang größte kommerzielle Batteriespeicher Europas in Betrieb gegangen. Der Fünf-Megawatt-Speicher soll die Schwankungen im Stromnetz ausgleichen, die bei der Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie entstehen. Was halten Sie von solchen Großspeichern?
Idee und Ansatz sind gut und richtig. Wir gehen ähnliche Wege, allerdings setzen wir viel dezentraler und kleinteiliger an. Wir setzen auf die Optimierung einer Infrastruktur, die ohnehin – durch die Konsumentscheidung der Verbraucher – in den Markt kommt. Beispielsweise denken wir da an die Elektromobilität und an stationäre Batterien, die in Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen installiert werden.

Die Batterietechnologie erfährt, angetrieben durch die technologischen Entwicklungen bei der E-Mobilität, eine rasante Entwicklung. Sowohl was Speicherkapazität, Ladezyklen, Zuverlässigkeit und Lebensdauer angeht als auch bei der Kostendegression. Kurz gesagt: Batterien werden immer besser und billiger. Dadurch wird die Elektromobilität immer beliebter.

Gleichzeitig wird auch die Installation von stationären Batterien in Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen immer attraktiver. Da die Einspeisevergütungen weiter sinken, ist die wirtschaftlichste Option für Photovoltaikanlagen, den eigenerzeugten Solarstrom im eigenen Haus zu verwenden. Mit stationären Batterien lassen sich Eigenerzeugungs- und -verbrauchsanteile verdoppeln. In der Summe führen beide Entwicklungen dazu, dass immer mehr Batterien in den Markt kommen.

Wir integrieren diese Batterien genauso in den Energiemarkt, wie die neue Fünf-Megawatt-Batterie optimiert werden soll. Mit Varta und Sonnenbatterie bieten wir unser Produkt Schwarmbatterie für stationäre Batterien an. Und zusammen mit Volkswagen nutzen wir in einem Forschungsprojekt in Berlin die Batterien von 20 E-Ups, um schwankende Einspeisungen von Wind- und Sonnenenergie durch die Nutzung der Fahrzeugbatterien auszugleichen.

Das Gemeinsame an beiden Geschäftsmodellen ist: Der Kunde, der in die Batterien oder das Elektrofahrzeug investiert hat, verdient über die Optimierung Geld und kann so seine Investition schneller amortisieren. Da für Lichtblick die Endkunden die entscheidenden Akteure der Energieversorgung der Zukunft sind, setzen wir dort an und warten nicht auf Investments im Megawattbereich.

Und was war für Sie die Überraschung der Woche?
Die EU will, wie das Handelsblatt berichtet, in den nächsten zwei Wochen Beihilfen für den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Großbritannien freigeben. Es wäre der erste AKW-Neubau in der EU seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima. 19 Milliarden Euro soll der Neubau kosten. Die Unterstützung der EU ist Voraussetzung für die Investitionsentscheidung.

Eindrücklicher kann die Unwirtschaftlichkeit dieser Dinosaurierkraftwerke nicht dokumentiert werden. Ohne Beihilfen, die den Bau absichern, ohne feste Einspeisevergütungen, die Großbritannien dem französischen Betreiber EDF zusätzlich zu der Beihilfe der EU für 40 Jahre gewähren will, und ohne das latente Risiko, dass die Allgemeinheit ohnehin für Restrisiken und die ungelöste Atommüllfrage haften müsste, würde kein Atomkraftwerk neu gebaut werden. Die unternehmerische Vernunft würde es verbieten.

Das weiß auch EDF und ruft deshalb die EU zur Hilfe. Es wäre geradezu absurd, wenn die Politik unternehmerischer Unvernunft den Weg bereiten würde. Geradezu unverständlich ist dann, wie die EU vor diesem Hintergrund Subventionen innerhalb des deutschen EEG als unerlaubte Beihilfen einstuft. Die Energie- und Finanzpolitik der EU bleibt ein Rätsel.

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