Eine Wagenburg um die Landesmutter

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erhielt zuletzt viel Gegenwind von der CDU, doch die SPD hält zu ihr

  • Georg Ismar
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Hannelore Kraft lief es zuletzt nicht rund. Beim Landesparteitag der SPD geht sie zum Angriff über - die Delegierten quittieren die Arbeit der Ministerpräsidentin mit einem starken Wahlergebnis.

Norbert Römer gibt erstmal den Wadenbeißer seiner Chefin. »Laschet steht das Wasser bis zum Hals«, keilt der SPD-Fraktionschef im nordrhein-westfälischen Landtag gegen den CDU-Landes- und Fraktionschef Armin Laschet. »Und jetzt will er Hannelore eine sogenannte Funkloch-Affäre anhängen.« Wer Kraft »auf so erbärmliche Weise« angreife, bekomme es mit der ganzen SPD zu tun.

Seit einigen Wochen gibt es Gegenwind für die Ministerpräsidentin und SPD-Chefin, da gilt es die Reihen zu schließen. Und am Ende steht die Wagenburg - 95,2 Prozent Zustimmung für eine fünfte Amtszeit Krafts gibt es am Samstag beim Landesparteitag in Köln. Das Signal ist deutlich: Kraft ist weiter die unangefochtene Landesmutter.

Trotzdem ist es ihr bisher schwächstes Ergebnis, wenn auch auf sehr, sehr hohem Niveau. 2012 stand Kraft im Zenit: 99,1 Prozent. Damals in Münster gab es den ersten Auftritt von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der genug Beinfreiheit für sich einforderte. Die Kandidatin der Herzen war damals aber Hannelore Kraft. Doch sie fremdelt mit dem Berliner Politikbetrieb und will »nie, nie als Kanzlerkandidatin antreten«. Amüsiert zeigt sich die stellvertretende Bundesvorsitzende in Köln, dass ihr nachgesagt werde, sie wolle aber Bundespräsidentin werden.

Doch die letzten Wochen liefen suboptimal. Die Tücken des Funklochs im Brandenburgischen und widersprüchliche Aussagen, warum sie im dortigen Urlaub kaum erreichbar war, während ein Unwetter mit zwei Toten in Münster tobte, spielen auch beim Treffen mit den 450 Delegierten eine Rolle. Dazu kommt die hohe Neuverschuldung von 3,2 Milliarden Euro - 800 Millionen mehr als geplant - und Seitenhiebe aus Berlin, sie habe dort nicht mehr so viel Einfluss.

Stück für Stück arbeitetet sich Kraft an den Punkten ab. Laschet habe kein politisches Konzept gegen sie, also setze er auf Diffamierung. Aber trotzdem bleibt die unglückliche Aussage, die die ganze Sache ausgelöst hat: »Ich war in Brandenburg auf einem Schiff und hatte eine Woche lang keinen Empfang.« Später präzisierte sie, sie habe zeitweise kein ausreichendes Netz gehabt, um sich Bild- und Videomaterial zum Ausmaß des Unglücks in der Heimat anzuschauen. Aber Innenminister Ralf Jäger (SPD) habe sie nach mehreren Versuchen erreicht und über die Lage informiert. Sie brach den Urlaub jedoch nicht ab, weshalb die Opposition die Aussagen als Schutzbehauptung interpretiert. Ein Herbeieilen in Gummistiefeln sei aber nicht ihr Stil, und Hilfe sei organisiert worden, argumentiert sie.

Kraft versteckt sich beim Parteitag hinter dem Wir: »Unsere Glaubwürdigkeit ist hoch.« Viel wichtiger, auch für ihre eigene Glaubwürdigkeit, wird das Thema Schuldenbremse sein, die ab 2020 neue Kredite verbietet. Schon jetzt gilt in Nordrhein-Westfalen eine Haushaltssperre, für einige Regierungsgäste gibt es in der Staatskanzlei nur noch Leitungswasser.

Das Land braucht neue Einnahmequellen. Etwa eine stärkere Beteiligung an Steuereinnahmen des Bundes, um die schwarze Null zu schaffen und um sich zugleich weiter kostenfreies Studium und Milliardeninvestitionen in frühkindliche Bildung leisten zu können. Und hier schickt Kraft eine Drohung: »Eins kann ich den Berlinern versprechen, egal aus welcher Richtung: Unsere Durchschlagskraft in Berlin bleibt bestehen.« Und das betrifft wohl vor allem das Thema Geld. Das dürfte in der SPD und mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch für Zündstoff sorgen. dpa/nd

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