Glücksspiel oder Seifenblase

Leserfrage zum Honoraranlageberatungsgesetz

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Im nd-ratgeber Nr. 1166 vom 27. August 2014 wurde über das sogenannte Honoraranlageberatungsgesetz informiert, das am 1. August 2014 in Kraft getreten ist. Ich las kürzlich, dass es damit einige Probleme gegen soll. Was hat es damit auf sich?
Karin K., Dessau

Zunächst wird mit »Honorarberatung« eine Beratung in Finanzfragen bezeichnet, bei der der Verkäufer vom Produktanbieter keine Provision erhält - stattdessen zahlt der Kunde eben ein Honorar. Für Vertriebler, die lieber beraten als verkaufen wollen, fiel nun endlich der Startschuss. »Es bleibt abzuwarten, ob er zum Wellenbrecher wird oder ob die Politik weiter helfen muss«, so das Fachblatt »Versicherungsjournal« skeptisch.

Raus aus dem Graubereich

Honorarberatung gibt es bei Anwälten, Ärzten und im Verbraucherschutz. Auch für Finanz- und Vermögensanlagen gibt es seit Langem Beratungen gegen Entgelt. Doch bislang war letzteres in einem Graubereich angesiedelt. Seit dem 1. August 2014 gibt es nun auch in Deutschland erstmals »echte« Honorarberater im Bereich der Geldanlage. Dafür sorgt nun das »Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente«, kurz Honoraranlageberatungsgesetz.

Von Provisionen lebte bislang eine ganze Branche gut bis sehr gut. Die Zahl der Finanzvertreter, die selbstständig oder fest angestellt für Banken und Sparkassen, für Fondsgesellschaften und Versicherer, Makler und andere Finanzdienstleister im Vertrieb arbeiten, geht in die Hunderttausende. Die Crux: Fast jeder, der eine Versicherung braucht oder Geld anlegen möchte, ist auf eine gute Beratung angewiesen - jedoch wird diese meist von Fachleuten durchgeführt, die davon leben, für Vertragsabschlüsse Provisionen zu erhalten.

Kritische Sichten

Verbraucherexperten wie Saidi Sulilatu von »Finanztip« sehen das kritisch: »Die sogenannten Berater sind eigentlich Verkäufer.« Sie kassieren erst, wenn sie ein Produkt vermitteln - am besten eines, wofür es eine hohe Provision gibt. Dies schaffe Anreize, falsch zu beraten. Sulilatu empfiehlt Verbrauchern daher, sich für wichtige Entscheidungen Rat von einem unabhängigen Experten einzuholen und ihn auf Stundenbasis zu bezahlen.

Eine fachkundige Honorarberatung kann vor teuren Fehlentscheidungen bewahren. Und selbst wenn ein »richtiges« Produkt empfohlen wurde, kann die Honorarberatung unterm Strich günstiger kommen. Das haben Berechnungen der verbraucherorientierten Webseite »Finanztip« ergeben. Denn was viele nicht bedenken: Die Provision zahlt letztlich auch der Kunde - über (verdeckte) Aufschläge und höhere laufende Kosten.

Sulilatu zeigt an einem Beispiel den Unterschied: Ein Indexfonds ist für viele Kunden eine passende Anlagemöglichkeit, aber provisionsfrei. Daher würde ein Vermittler stattdessen eher einen teuren Fonds mit Provision empfehlen.

Die »Finanztip«-Fachleute haben für die zehn größten Aktienfonds berechnet, wann sich ein Honorar von 600 Euro auszahlen würde - denn das entspricht etwa vier Stunden Beratung. Das Ergebnis: Im Schnitt lohnt sich eine Honorarberatung ab einem Anlagebetrag von 5500 Euro.

Geschützte Bezeichnung

Trotzdem fristet die Honorarberatung hierzulande noch ein Schattendasein, im Unterschied zu Großbritannien oder den Niederlanden. Von den etwa 250 000 registrierten freien Finanzvermittlern hierzulande sind weniger als 2000 Honorarberater. Bisher war die Bezeichnung »Honorarberater« ungeschützt. Jeder kann sich auch weiterhin so nennen, ohne besondere Anforderungen oder Regeln zu erfüllen. Geschützt sind seit 1. August 2014 nur die Bezeichnungen »Honoraranlageberater« und »Honorar-Finanzanlageberater«.

Weiterhin fehlen klare gesetzliche Regeln für die Beratung. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Caren Lay: »Das neue Honoraranlagenberatungsgesetz ist eine schillernde Seifenblase.« Provisionsgetriebener Verkauf bleibe weiterhin möglich, auch in Banken, Sparkassen und Versicherungsgesellschaften. Um das zu ändern, hatte die Linksfraktion im vergangenen Jahr sogar einen eigenen Entwurf für ein Honoraranlageberatungsgesetz (Bundestag Drucksache 17/13248) eingebracht.

Tipps zur Beratersuche

  • nd-Leser finden einen Berater, wenn sie in eine Internetsuchmaschine den Begriff »Honorarberatung« und die jeweilige Region eingeben.
  • Suchhilfen bieten auch Verbände wie die Deutsche Gesellschaft für Finanzplanung oder der Bundesverband Finanz-Planer. Achten Sie bei der Suche darauf: Nicht jeder »Anlageberater« oder »Finanzplaner« ist auch wirklich ein lupenreiner Honorarberater.
  • Honorarberatung bieten zudem Dritte an, beispielsweise spezialisierte Fachanwälte und Steuerberater sowie einige Banken und Sparkassen.
  • Am preiswertesten beraten die Verbraucherzentralen.

Hermannus Pfeiffer

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