Nachwuchs-Soziologen fordern Beschäftigungsstandards
Offener Brief der Initiative »Für gute Arbeit in der Wissenschaft« an Fachgesellschaft DGS / Immer mehr befristete Projektstellen statt unbefristete Forschung / Vor allem Promovierende und Postdocs betroffen
Berlin. Kurz vor dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) protestieren Nachwuchswissenschaftler gegen die prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Die DGS wird aufgefordert, »sich aktiv und konsequent für die Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse in der Soziologie zu engagieren«. Die Initiative spricht sich unter anderem für die Erweiterung des DGS-Ethikkodex um Standards für »Gute Arbeit« sowie eine Vertretung des akademischen Mittelbaus im Vorstand der DGS aus.
Hinter dem Offenen Brief steht die in Berlin gegründete Initiative »Für gute Arbeit in der Wissenschaft«, eine Online-Petition hat inzwischen mehr als 2.200 Unterstützer gefunden. Man wolle die Gesellschaft für Soziologie mit den Problemen konfrontieren, die etwa »durch befristete Arbeitsverträge, Kettenverträge und Stipendien anstelle sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse entstehen«, heißt es bei der Initiative. Davon seien vor allem Promovierende und Postdocs betroffen.
Die DGS solle sich deutlich mehr als bisher »für die Einhaltung und Verbesserung von Arbeits- und Beschäftigungsstandards im eigenen Bereich« engagieren. »Dreimonatsverträge, Bangen um eine Verlängerung, volle Arbeit bei halber Stelle, keine Zeit für die Weiterqualifizierung. Gleichzeitig bin ich Mutter zweier Kinder und würde eine gesicherte Perspektive begrüßen«, so wird eine der Unterzeichnerinnen der Petition zitiert.
Zwischen 2003 bis 2012 habe sich die Zahl der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter an deutschen Universitäten um fast 45.000 auf über 165.000 erhöht. »Getragen wird dieser Zuwachs fast ausschließlich von Projektstellen mit kurzen Vertragslaufzeiten«, kritisiert die Initiative. Die Zahl der ordentlichen Professuren sei im selben Zeitraum nur um gerade einmal gut 600 gestiegen. Unbefristete Stellen in der Wissenschaft würden immer seltener.
»Im internationalen Vergleich weist Deutschland einen äußerst geringen Anteil an festen Stellen im Wissenschaftssystem auf. Die hier seit jeher hohe berufliche Unsicherheit hat in den letzten Jahren noch einmal drastisch zugenommen«, so die Initiative. Im Rahmen des DGS-Kongresses werde man in einer Sonderveranstaltung über das Thema diskutieren. Titel: »Nachwuchs in der Krise«. nd
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