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Stolz und Scham

Rudolf Höll berichtet über seine Zeit in der Deutschen Volkspolizei

  • Hans-Jürgen Lamm
  • Lesedauer: 2 Min.

Er ist eigentlich gelernter Buchhändler, der 1930 im Sudetenland geborene Autor. 1946 in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands geflüchtet, zwang ihn die Not, einen landwirtschaftlichen Beruf zu ergreifen. Von einem Freund wurde er 1950 zum Eintritt in die Volkspolizei überredet.

Zunächst war Rudolf Höll Schutzpolizist. Nach zwei Jahren wurde er an die Offiziersschule delegiert. Er war Abschnittsbevollmächtigter in einem Grenzort, als in der DDR Arbeiter auf die Straßen gingen und gegen die Normerhöhung protestierten. Da kamen ihm erste Zweifel an der Unfehlbarkeit der Partei- und Staatsführung. Insbesondere die rigorose Anwendung von Gewalt, wie sie später auch in Ungarn, Polen und in der CSSR praktiziert wurde, fand Höll als dem Sozialismus wesensfremd. Doch er hatte, wie er im Buch offenherzig gesteht, nicht den Mut, sich dazu offiziell zu äußern.


* Rudolf Höll: Mein Lebensweg. 40 Jahre im Dienst der deutschen Volkspolizei. Verlag am Park. 375 S., br., 19,99 €.


Seine Treue zum Staat und sein Engagement im Dienst wurden belohnt. Es folgte ein dreijähriges Studium an der Hochschule der Volkspolizei und Anfang der 1970er Jahre noch ein weiteres in Moskau. 1964 kam er ins Präsidium der Volkspolizei in Berlin. In unterschiedlichen leitenden Funktionen erlebte er Höhe- und Tiefpunkte der DDR. Noch heute erinnert er sich gern an die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Ostberlin, für deren Absicherung er mitverantwortlich war. Anfang der 1980er Jahre keimten neue Zweifel auf. Die Stagnation war unverkennbar. Trotz sichtlicher Defizite wurden 750 Jahre Berlin triumphal gefeiert. Die Volkspolizei hatte nicht nur für die Sicherheit bei den zahlreichen Veranstaltungen zu sorgen, sondern auch ihre Tätigkeit im »Historischen Festumzug« im Laienspiel darzustellen. Mit solchen Sonderaufgaben betraut, blieb Höll oft wenig Zeit für die Familie, was er noch heute zutiefst bedauert.

Als schwärzesten Tag in seiner 40-jährigen VP-Zugehörigkeit nennt der Autor den 7./8. Oktober 1989, als die greise, reformunwillige Partei- und Staatsführung Volkspolizisten für sie die »Kohlen aus dem Feuer holen ließ«. Stolz und Scham liest man aus diesem Buch.

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