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Pilze und Monster

Jeff Vandermeer: Auftakt einer Trilogie

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Der derzeitige Science-Fiction-Boom bei den Literaturverlagen hält an. Kunstmann München bringt nun in kurzer Abfolge die Romantrilogie des 1968 geborenen preisgekrönten Fantasy- und Science-Fiction-Autors Jeff Vandermeer heraus. »Auslöschung« heißt der erste Teil, »Autorität« und »Akzeptanz« folgen im Januar und März 2015. Die Geschichte um eine abgeschlossene phantastische Zone, in der die gängigen Naturgesetze keine Gültigkeit haben, mutet ein wenig an wie eine Mischung aus der Erfolgsfernsehserie »Lost« und dem Strugatzki-Roman »Picknick am Wegesrand«, die literarische Vorlage für Andrej Tarkowskis Film »Stalker«. Vier Wissenschaftlerinnen, eine Biologin, eine Anthropologin, eine Landvermesserin und eine Psychologin bilden ein Expeditionsteam, das die »Area«, wie die Zone im Roman heißt, erkundet und dabei möglichst viel Information sammeln soll.


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* Jeff Vandermeer: Auslöschung. A. d. Am. v. Michael Kellner. Kunstmann. 240 S., br., 16.95 €.


Das Vordringen in die abgeschottete, übernatürliche Welt setzt Vandermeer als spannenden Thriller in Szene. Die »Area« mutet wie ein überbordender, tropischer Naturpark an, der von schreckliche Schreie ausstoßenden Monstern und eigenartigen, die Wahrnehmung verändernden Pilzen bewohnt wird. Die vier Frauen sind bereits die zwölfte Mission, die in die geheimnisvolle Zone geschickt wird. Was andere Missionen vor ihnen herausgefunden haben, erfahren die Wissenschaftlerinnen, bevor es losgeht, aber nicht. Der Konzern »Southern Reach«, für den sie diese ebenso faszinierende wie feindliche Welt erkunden, geht mit seinen Informationen sehr sparsam um. Die Wissenschaftlerinnen sollen möglichst unvoreingenommen Material sammeln. Um das Funktionieren der Mission zu gewährleisten, versetzt die Psychologin die anderen drei Teilnehmerinnen immer wieder in Hypnose, um sie für die Panik machenden und Angst einflößenden Reize der mit rationalen Mitteln kaum fassbaren Umwelt unempfänglich zu machen. Die vier Frauen, so wird bald klar, sind Teil einer undurchschaubaren komplexen Versuchsanordnung.

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der namenlosen Biologin in Form eines Forschungs-Tagebuchs. Ihr Ehemann hatte bereits an einer früheren Expedition in die »Area« teilgenommen und war seltsam verändert in die »normale« Welt zurückgekehrt, um kurz darauf zu sterben. Vandermeer entwickelt in einer knappen und pointierten Sprache ein überraschend komplexes psychologisches Porträt seiner Hauptfigur, die gedanklich immer wieder in ihre bedrückende Vergangenheit eintaucht, um dann mit der phantastischen und gruseligen Gegenwart konfrontiert zu werden. Denn ob ihr Ehemann vor einigen Jahren wirklich aus der »Area« zurückgekommen ist oder immer noch - womöglich in veränderter Form - durch die Zone streift, wird immer unklarer. Die Geister der Vergangenheit und die Monster der Gegenwart überlagern sich, außerdem infiziert sich die Biologin mit einem seltsamen Stoff, der langsam ihren Körper und ihre Psyche verändert.

Jeff Vandermeer baut die Spannung ganz langsam auf und führt den Leser immer tiefer in die Welt der »Area«. Während die vier Frauen in die Zone vordringen, beginnen sie plötzlich gegeneinander zu intrigieren. In einer burgartigen Festung finden sie die Leichen ehemaliger Expeditionsteilnehmer und in einem tief in die Erde reichenden Kellerschacht entdecken sie eigenartige Schriftzeichen und ein phantastisches Lebewesen. Die geheimnisvollen Monster, die die »Area« besiedeln, erleben dabei keine banale wissenschaftsfiktionale oder fantasy-magische Herleitung. Jeff Vandermeer beschreibt den von außen kommenden Schrecken immer als wesentlichen Bestandteil der inneren Psychologie. Der Roman bleibt bis zur letzten Seite spannend. Man darf schon auf die beiden weiteren Teile der Romantrilogie gespannt sein, in denen die Geschichte des »Southern Reach«-Konzerns und einer weiteren Expedition erzählt werden.

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