Alenka Bratusek wirft das Handtuch

Nach dem Ungarn Tibor Navracsics fiel auch die designierte slowenische EU-Kommissarin im Europaparlament durch

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach ihrem Scheitern im Europaparlament will die Slowenin Alenka Bratusek nicht mehr EU-Kommissarin werden. Das teilte der künftige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel mit.

Der Postenhandel zwischen Sozialisten und Konservativen hat dazu geführt, dass die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ausgewählten Kandidaten weitgehend abgenickt wurden. Durchgefallen aber ist bei den Anhörungen im Europäischen Parlament am Mittwoch die für die Energieunion ausgewählte Slowenin Alenka Bratusek. Sie sollte auch Vizepräsidentin werden. In der umgekrempelten Kommission sollen die nun sieben Stellvertreter mit Juncker das Machtzentrum bilden. Sie kontrollieren und filtern, ohne ihre Zustimmung kann keines der übrigen Kommissionsmitglieder einen Gesetzesvorschlag machen.

Die Ablehnung Bratuseks war sehr deutlich. Nur gut zehn Prozent der Mitglieder der beiden zuständigen Ausschüsse für Umwelt und Industrie hatten sich für die einstige Regierungschefin Sloweniens ausgesprochen. Ihr wurde vorgeworfen, sich angeblich selbst für den Posten nominiert zu haben. Zudem soll sie bei ihrer Anhörung fachlich nicht überzeugt haben. Doch aus Brüssel war auch zu vernehmen, dass europakritische Äußerungen eine Rolle gespielt haben sollen, wegen derer sie auf diesem einflussreichen Posten abgelehnt wird. Bratusek hatte 2013 Geld aus dem EU-Rettungsfonds abgelehnt, damit Slowenien »ein souveräner Staat« bleibe. Sie kritisierte schwere Eingriffe der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank über Rettungsgelder in Griechenland, Irland, Portugal und Spanien, denen Kürzungs- und Sparprogramme aufgezwungen wurden.

Abgelehnt wurde auch der Ungar Tibor Navracsics. Ihm wurde vorgeworfen, als Justizminister in der Regierung unter Viktor Orbán für Eingriffe in Justiz, Wahlrecht und Pressefreiheit mitverantwortlich zu sein. Zudem dulde seine Fidesz-Partei auch Antisemiten. Navracsics sollte in der Brüsseler Kommission für Bildung, Kultur und Bürgerrechte zuständig sein. Doch wird Fidesz einen neuen Kandidaten benennen - und wäre auch ein Pyrrhussieg für das Europaparlament möglich, weil es auch noch schlimmer kommen könnte.

Juncker muss auch in Slowenien einen Ersatz für Bratusek finden, wobei auch der Druck auf den dortigen Regierungschef Miro Cerar wächst, rasch einen neuen Anwärter nach Brüssel zu schicken. Das EU-Parlament fordert wieder eine Frau. Da Kandidaten aber nicht zwangsläufig für bisher vorgesehene Ressorts geeignet sind, kann es zu neuen Umstellungen in der geplanten Kommission kommen. So wird nicht ausgeschlossen, dass der bisherige deutsche Kommissar für Energie und Klima, Günther Oettinger, statt der Slowenin auf den Posten für die Energieunion wechselt. Er ist eigentlich für den Posten des EU-Kommissars für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft vorgesehen.

Abgenickt wurde im Nachgang nun doch der schwer umstrittene Spanier Arias Cañete, der Oettinger ablösen soll. Linke Parteien, Umweltschützer und Feministinnen hatten ihn heftig kritisiert, da der frühere Landwirtschaftsminister nicht gerade für Umwelt- und Klimaschutz stand. Er gilt als Lobbyist der Ölindustrie und fiel durch Macho-Sprüche auf. Aktien an zwei Ölfirmen verkaufte er erst kurz nach seiner Nominierung. Die Verstrickungen bestehen weiter, denn die Unternehmen werden von seinem Schwager geführt.

Doch Cañete gehört zum Personalpaket von Sozialisten und Konservativen. Erstere schluckten neben Cañete auch Jonathan Hill nach einer zweiten Befragung. Der gilt als »Banken-Lobbyist«. Der konservative Brite wird trotz seiner früheren Tätigkeit nun Finanzmarktkommissar und unter anderem für die Finanztransaktionssteuer zuständig sein, die London ablehnt. Im Tausch dafür stimmten die Konservativen dem französischen Sozialisten Pierre Moscovici zu. Dem zukünftigen Währungskommissar wurde vorgeworfen, als Finanzminister stets die Defizitgrenze gerissen zu haben; nun aber soll er für die Umsetzung der Stabilitätsregeln sorgen. Man darf gespannt sein, ob zu dem Deal auch gehört, dem ultrakonservativen Spanier Luis de Guindos den Vorsitz der Eurogruppe vorzuenthalten. Denn der stand als Wirtschaftsminister 2013 für ein Rekorddefizit von 10,6 Prozent und eine Rekordverschuldung. Gegen ihn wendet sich der bisherige Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Er weigert sich, vorzeitig abzutreten, weshalb über diese Personalie später entschieden wird.

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