Linke Radikale geben klein bei

Frankreichs PRG hält den regierenden Sozialisten weiter den Rücken frei

  • Andrea Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einer Woche starker Worte und vielstündiger Verhandlungen haben sich die regierenden Sozialisten und die kleine linksliberale Partei der Linken Radikalen (PRG) geeinigt, fast gar nichts zu ändern.

Weiter so und Spaß dabei. Aus der Drohung mit dem Auszug aus der französischen Regierung wird nichts. Der Vorsitzende der Partei der Linken Radikalen (PRG), Jean-Michel Baylet gab am 17. Oktober bekannt, Premierminister Manuel Valls sei schriftlich in mehreren entscheidenden Punkten den Forderungen der Radikalen entgegengekommen. Folgerichtig hat dann der Vorstand der PRG am Freitagabend für den Verbleib in der Regierungskoalition gestimmt - mit nur zwei Gegenstimmen der insgesamt 300 Stimmberechtigten. »Unser Herz schlägt links, wir wollen, dass sich Frankreich wieder aufrappelt und wir wollen den Erfolg dieser Regierung und dieses Präsidenten«, betonte Baylet wenige Stunden später in einem Radiointerview. Die PRG ist mit einem Minister und zwei Staatssekretären in der Regierung von François Hollande vertreten.

Wenige Tage zuvor hatte Jean-Michel Baylet mit seinem »Regierungspakt« Hollande eine Art Wunschkatalog in Form eines Ultimatums vorgelegt, in dem er Forderungen der Radikalen präsentierte, ohne deren Erfüllung ein gemeinsames Weiterregieren unmöglich sei. Eine Grundvoraussetzung dafür waren insbesondere Zugeständnisse bei der geplanten Gebietsreform, von der die PRG Nachteile für ihre zahlreichen lokalen Abgeordneten fürchtet. Zu diesem Punkt sagte Manuel Valls die Beibehaltung der Generalräte, der gewählten Vertretungen, in reichlich 50 ländlichen Departements zu.

Valls versicherte weiter, dass in Kürze dem Parlament ein Gesetzentwurf über selbstbestimmtes Lebensende und Sterbehilfe vorgelegt wird. Das ist ein Thema, das der PRG ebenfalls sehr am Herzen liegt. Auch sollen die Linken Radikalen ab sofort stärker in die Entscheidungsprozesse der Regierung einbezogen werden. Was die Steuerreform betrifft, so konnte Jean-Michel Baylet nicht erreichen, dass die Regierung auf die geplante Abschaffung der ersten Bemessungsstufe für die Einkommenssteuer verzichtet. Auch mit seinen Forderungen hinsichtlich der Familienbeihilfen konnte er sich nicht durchsetzen.

Das Thema von Wahlvereinbarungen zwischen beiden Parteien wurde von Valls ebenfalls nicht aufgegriffen. Jean-Michel Baylet, der bei den Teilwahlen des Senats im September sein Senatorenmandat verloren hat, wettert seitdem, die Sozialisten hätten ihre Wahlvereinbarungen nicht eingehalten. So konnte man wiederholt hören und lesen, Baylet räche sich mit seinem Ultimatum an die Regierung im Grunde nur für seine persönliche Niederlage. »Wenn Sie glauben, mein eigener Fall könne die Regierungskoalition infrage stellen, dann überschätzen Sie mich aber«, versuchte der PRG-Parteichef diesen Verdacht in einem Radiointerview zu zerstreuen.

Die Sozialisten ihrerseits haben sich geschickt aus der Affäre gezogen. Premierminister Valls ist es gelungen, die PRG mit relativ nebensächlichen Kompromissen ruhig zu stellen, ohne die Richtlinien des gerade verabschiedeten Staatshaushalts ändern zu müssen. Die PRG ist der letzte verbleibende Koalitionspartner der Regierung seit dem Rückzug der Grünen-Partei im März. In der Nationalversammlung halten die Sozialisten noch knapp die absolute Mehrheit, sind aber angesichts der »Rebellen« in den eigenen Reihen bei umstrittenen Abstimmungen auf die Stimmen der elf PRG-Abgeordneten angewiesen. Ein Bruch des Bündnisses hätte den bereits stark angeschlagenen Präsidenten François Hollande und seine Regierung weiter geschwächt.

Hinterfragten die Radikalen in den letzten Tagen grundlegend ihre »Nützlichkeit« in der Regierungsmehrheit, so fühlen sie sich nun in ihrer Rolle bestätigt. Ihr Ultimatum war insofern taktisch geschickt, als es der Partei zumindest vorübergehend einen angesichts ihrer Stimmenzahl überdimensionalen Einfluss verschaffen konnte. Als ernstzunehmender Partner müssen sie in den nächsten Wochen und Monaten nun entscheidend nachziehen. Schließlich ersetzt die permanente Krise keine wirkliche Regierungsmethode. Seit dem Amtsantritt François Hollandes 2012 war dies bereits das vierte Mal, dass die PRG mit einem Rückzug aus der Regierungskoalition gedroht hat.

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