Fluch der Sichtbarkeit

Martin Ling über Fehlsteuerung in der Entwicklungszusammenarbeit

Keiner trieb es schlimmer als Dirk Niebel: Entwicklungszusammenarbeit sollte sichtbar sein, am besten so, dass überall eine deutsche Fahne steht, wo deutsches Geld drinsteckt. Dieser Wunsch nach Sichtbarkeit ist aus Politikersicht nachvollziehbar, vermag man so doch zu illustrieren, dass mit Steuergeldern Produktives geleistet wurde. Aus Sicht einer tragfähigen Entwicklung ist eine solche Ausrichtung freilich fatal. Sie verhinderte beispielsweise, dass die Geberländer nennenswert in den Aufbau funktionierender Gesundheitssysteme in den westafrikanischen Ländern investiert haben, die derzeit massiv unter der Ebola-Epidemie leiden.

Nichts ist aus Gebersicht weniger sichtbar als das Königsinstrument der Entwicklungszusammenarbeit: die sogenannte Budgethilfe. Sie bedeutet langfristige Zusagen für einen ungebundenen Haushaltszuschuss. Damit können die Nehmerländer nach eigenen Prioritäten die Mittel verwenden, zum Beispiel, um Ärzte oder Lehrer fest anzustellen.

Selbstverständlich ist die Budgethilfe an eine Voraussetzung zu knüpfen: Das Nehmerland muss eine überzeugende entwicklungspolitische Agenda vorlegen, Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge wie Gesundheit und Bildung zu Prioritäten erklären.

Liberias Regierungschefin Ellen Johnson-Sirleaf hat selbst ihr Renommee als Friedensnobelpreisträgerin 2011 nichts genützt, um massive Unterstützung für den Aufbau der durch den Bürgerkrieg zerstörten öffentlichen Infrastruktur zu bekommen. Die Prioritäten der Geber verschieben sich mehr und mehr weg von der Budgethilfe hin zu den Eigeninteressen: Exportförderung durch Lieferbindung. 1,80 Euro Erlös für 1 Euro Einsatz in der EZ lautete Niebels Devise. Mit Investitionen in das Gesundheitswesen ist das nicht zu kriegen.

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