Frankreichs Sozialisten im Stresstest

Premier Valls will die Regierungspartei nach rechts öffnen und umbenennen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.

Frankreichs Sozialisten sind über den Spar- und Reformkurs von Staatschef François Hollande zutiefst zerstritten. Nun hat Manuel Valls auf die wachsende Kritik des linken Flügels stellvertretend mit neuem Zündstoff reagiert. Der eher als »linksliberal« denn »sozialistisch« einzuschätzende Premier, der für seine unternehmerfreundliche Politik und das Bekenntnis zu den »freien Kräften des Marktes« auf einer Tagung des Unternehmerverbandes Medef stehende Ovationen erhielt, hat in einem Interview scharf Stellung bezogen: »Es muss Schluss sein mit der passiven Linken, die der Vergangenheit und den 30 Wirtschaftswunderjahren nachtrauert, die vom Marxismus besessen und in sich verschlossen ist.«

Fortschrittlich sein heiße heute seiner Überzeugung nach pragmatisch sein. Als Vorbilder nennt Valls Gerhard Schröder und Tony Blair. Für eine breite Linke, wie sie ihm vorschwebt und die nach rechts wie links über den jetzigen Rahmen der Partei hinausreichen soll, lehnt Valls den Begriff »sozialistisch« ab. Daher plädiert er auch für eine Umbenennung seiner Partei. »Das ist ein Fehler«, so der sozialistische Präsident der Nationalversammlung, Claude Bartolone, auf RTL. Valls solle sich erst mal auf seine Arbeit als Premierminister konzentrieren und auf die Erwartungen der Franzosen bei Sicherheit, Beschäftigung und Energiewende antworten.

In den zehn Jahren als Parteivorsitzender hat es François Hollande mit dem ihm eigenen Sinn für Kompromisse verstanden, die Strömungen bei den französischen Sozialisten einigermaßen zusammenzuhalten. Doch in den etwas über zwei Jahren im Präsidentenamt hat seine Politik, die von zwei Dritteln der Franzosen und auch sehr vielen seiner Wähler wie PS-Mitgliedern als »verfehlt« beurteilt wird, die Partei in eine tiefe Krise geführt. Davon zeugte auch die Stimmenthaltung von 39 Abgeordneten beim Votum über den Haushalt 2015.

Diese immer stärker werdende Strömung der »Frondeurs« (Aufrührer) in der Partei hat in dieser Woche weiter Zuwachs bekommen durch die Ex-Parteivorsitzende und jetzige Bürgermeisterin von Lille, Martine Aubry. Auch sie hat nachdrücklich eine Rückbesinnung auf linke Traditionen und Werte angemahnt. So fordert Aubry, die Hälfte der 40 Milliarden Euro, die den Unternehmen zur Verbesserung ihrer Konkurrenzfähigkeit zugeschanzt werden sollen, dafür zu verwenden, die Kaufkraft der Haushalte und die Infrastruktur der Städte und Gemeinden zu verbessern, um so zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beizutragen. Der als Minister ausgeschiedene Benoit Hamon geht noch weiter: Die Wirtschafts- und Sozialpolitik von Hollande und Valls »gefährdet die Grundlagen der Republik« und öffne der rechtsextremen Front National Tür und Tor. Als ihm mit Parteiausschluss gedroht wurde, bot Jean-Luc Mélanchon seinem ehemaligen Parteifreund »politisches Asyl in der Linksfront« an.

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