Das Zeitfenster schließt sich

Weltklimarat mahnt in seinem neuesten Bericht zur Eile im Kampf gegen noch mehr Treibhausgas-Ausstoß

  • Lesedauer: 3 Min.
Der neue Weltklimabericht schärft Politikern einen stärkeren Einsatz fürs Klima ein. Sie hätten nun »eine Ausrede weniger«, nicht zu handeln. Die Forscher: In wenigen Jahrzehnten könnte die Folgen irreversibel sein.

Kopenhagen. Der Weltklimarat (IPCC) hat mit der Zusammenfassung seiner drei jüngsten Reports zum schnellen Handeln im Kampf gegen den Klimawandel gemahnt. Zugleich machte er Mut, dass die Erderwärmung mit weiteren Anstrengungen noch zu stoppen ist. »Wir wissen, dass wir die Emissionen drastisch reduzieren müssen«, sagte IPCC-Chef Rajendra Pachauri bei der Vorstellung des Reports am Sonntag in Kopenhagen. »Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat gesprochen, jetzt geben wir den Staffelstab an die politischen Entscheidungsträger weiter.«

»Wenn wir weitermachen wie bisher, werden uns die Möglichkeiten, den Temperaturanstieg zu begrenzen, in den nächsten Jahrzehnten entgleiten«, mahnte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Es sei ein unbelegter »Mythos«, dass der Kampf gegen den Klimawandel teuer sei.

»Es gibt noch ein Zeitfenster von zwei bis drei Jahrzehnten, in dem der Klimawandel zu akzeptablen Kosten gebremst werden kann«, erläuterte der IPCC-Autor Professor Ottmar Edenhofer in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. »Beginnt man erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts, kann man nur noch wenig tun.« Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nannte den Report »alarmierend und ermutigend zugleich«.

Seit September 2013 hatte das Gremium seinen 5. Weltklimareport in drei Teilen veröffentlicht. Zwar hatte dieser gezeigt, dass der Klimawandel mit Macht voranschreitet und der Mensch daran einen gewaltigen Anteil hat. Die Forscher stellten aber auch klar, dass der Temperaturanstieg mit globalem Einsatz noch gebremst werden kann und ein rascher Wechsel auf alternative Energien vergleichsweise wenig kostet.

»Wir kennen die Werkzeuge, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen«, sagte Umweltministerin Hendricks laut Mitteilung. »Die Staatengemeinschaft muss jetzt alles daran setzen, 2015 in Paris ein ambitioniertes Klimaschutzabkommen zu verabschieden. Eine weitere Verzögerung wäre unverantwortlich.«

Über den genauen Wortlaut wichtiger Kernaussagen des 5. Klimaberichts, den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und IPCC-Chef Rajendra Pachauri präsentierten, hatten Wissenschaftler und Regierungsvertreter seit Montag beraten. Die drei einzelnen Teile hatte der Rat im September 2013 sowie im März und April 2014 vorgestellt. Tausende Forscher hatten für das Dokument recherchiert, das der Rat den Regierungen für die Klimaverhandlungen in Lima (Peru) im Dezember und Paris im kommenden Jahr an die Hand geben will.

Nach dem Bericht sind sich die Forscher sehr sicher, dass der Mensch der dominierende Faktor für den Temperaturanstieg seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist. Diese Erkenntnis in solcher Klarheit sei neu, sagte der stellvertretende IPCC-Chef Jean-Pascal van Ypersele der Nachrichtenagentur dpa. Die Folgen des Klimawandels sind heute in allen Teilen der Welt schon spürbar. Doch eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad ist noch möglich, wenn wir schnell handeln.

Der am Sonntag veröffentlichte Synthesis-Report selbst sei ein »relativ mageres Konstrukt«, sagte WWF-Klimaexperte Stephan Singer dpa. Der komplette neue IPCC-Bericht habe aber im Vergleich zu dem von 2007 klargestellt: »Die Klimaveränderung passiert schneller und drastischer als projiziert war - und die Natur ist weniger widerstandsfähig, als man gedacht hat.«

Neu am Report seien die Lösungen, die die Forscher aufgezeigt hätten, erklärte Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser. »Die erneuerbaren Energien sind inzwischen technisch so ausgereift und wirtschaftlich so konkurrenzfähig, dass sie fossile Energien und Atomkraft bis zur Mitte des Jahrhunderts schrittweise ersetzen können.«

Die »starke Botschaft« des Berichts sei: »Die Lösungen sind da, und sie sind nicht so teuer, wenn man international zusammenarbeitet«, sagte van Ypersele. Der Report gebe den Regierungen »eine Ausrede weniger, nicht mit mehr politischer Willenskraft zu handeln«, erklärte der Belgier. »Lassen Sie uns hoffen, dass das hilft.« dpa/nd

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