Die e-Card für den gläsernen Patienten

Kritiker warnen weiterhin vor der verbindlichen Einführung der elektronischen Gesundheitskarte Anfang 2015

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Jahren gibt es Proteste gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Am Wochenende trafen sich die Kritiker, um sich zu beraten. Viel Zeit bleibt ihnen nicht: In wenigen Monaten wird das neue Stück Plastik Pflicht.

Spätestens ab 1. Januar 2015 muss jeder sie haben: die e-Card, eine elek-tronische Gesundheitskarte mit Lichtbild. Wer sie nicht hat, etwa da er sein Foto zu spät bei der zuständigen Krankenkasse einreicht, soll ab nächstem Jahr seinen Arztbesuch selbst bezahlen, drohen die Versicherer.

Seit das Projekt in der Diskussion ist, gibt es Widerstand. Am Wochenende lud die Aktion »Stoppt die e-Card« zu einer Veranstaltung mit Ärzten, IT-Experten und Medienvertretern. Das Hauptargument der Gegner: Die elektronische Gesundheitskarte führe in letzter Konsequenz zum »gläsernen Patienten«. Die Informationen würden zukünftig nicht mehr bei den Haus- oder Fachärzten aufbewahrt, sondern in »Clouds« - externen Datenbanken, die nicht sicher seien, wie jüngste Erfahrungen zeigten. Kritiker monieren weiter, dass die von den Versicherten eingesendeten Lichtbilder keine Sicherheit böten. »Jeder kann ein beliebiges Foto an die Krankenkassen schicken und kriegt eine e-Card«, bemängelt IT-Fachmann Dr. André Zilch.

»Das System verbindet alle Teile des deutschen Gesundheitssystems und speichert die Daten zentral«, warnt der IT-Experte Rolf D. Lenkewitz. Die millionenfach gespeicherten Informationen seien dort nicht sicher, kritisiert Lenkewitz: »Es ist vollkommen unmöglich, alle Daten zu verschlüsseln.« Zunächst sei zwar nur geplant, die Basisdaten des Patienten wie Namen, Adresse, Krankenkasse oder Geburtsjahr zu speichern. In einem nächsten Schritt sollen aber auch medizinische Informationen, die etwa für die Notfallversorgung wichtig sind, sowie der sogenannte elektronische Arztbrief und die elektronische Patientenakte hinzukommen. »Krankheitsdaten wird man nicht mehr los«, warnt Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Die Personendaten seien sicher, erklärt hingegen der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung: »Gerade angesichts der neuen technischen Möglichkeiten werden Sicherheit und Datenschutz besonders großgeschrieben.« Die Patienten könnten darüber hinaus selbst bestimmen, »ob und welche medizinischen Daten mit ihrer Karte gespeichert werden sollen«.

Dies überzeugt die Kritiker nicht. Diese kämpfen seit Jahren gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. 2009 hätten sogar Linkspartei und FDP gemeinsam gegen die Einführung der Karte opponiert, doch die Liberalen seien später ausgeschert, schildert die Hamburger Ärztin Silke Lüder, Sprecherin der 2007 gegründeten Aktion »Stoppt die e-Card«. Dem Bündnis gehören mittlerweile 54 Organisationen von Ärzten, Patienten und Bürgerrechtlern an.

Die Überlegungen zur Einführung der Karte reichen bis 1997 zurück, erklärt Lüder. Unter der Schröder-Fischer-Regierung sei das Projekt weiter vorangetrieben worden. Einher gehe damit auch ein grundsätzlicher Wechsel hin zu einem neoliberal ausgerichteten Gesundheitssystem, in dem der Patient zum »Kunden« werde, so die Ärztin. Ursprünglich sollte die umstrittene Karte bereits 2006 eingeführt werden, doch das Vorhaben wurde abgebrochen - bei Tests hatten Patienten und Ärzte zu oft die Sicherheits-PIN-Nummer vergessen.

Doch was droht den e-Card-Verweigerern tatsächlich? Müssen sie ab 1. Januar ihre Arztrechnung selbst bezahlen? Nein, betont die Verbraucherzentrale Hamburg auf ihrer Website: Sowohl die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg als auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung hätten erklärt, »dass im Rahmen einer unbefristeten Übergangsregelung« auch die bisherigen Versichertenkarten ihre Gültigkeit behalten.

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