SPD-Linke wird aufmüpfig
Sozialdemokraten gründen neue Dachorganisation und hadern mit dem Kurs von Parteichef Sigmar Gabriel
Völlig außen vor wollte die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis doch nicht sein. Vor wenigen Wochen unterschrieb auch die Vorsitzende des linken Forums Demokratische Linke 21 (DL 21) den Aufruf zur Gründung einer neuen Parteilinken. Zuvor hatte Mattheis die Pläne ihrer Parteikollegen noch als »unfreundlichen Akt« bezeichnet. Denn sie selber war in die Vorbereitungen nicht einbezogen worden. Zudem richtet sich die Neugründung, die am Wochenende im Magdeburg vollzogen werden soll, auch gegen die DL 21, der nach zahlreichen prominenten Austritten nicht mehr zugetraut wird, Koordinierungsaufgaben zu übernehmen.
Diese Rolle soll stattdessen die nach ihrem Gründungsort benannte »Magdeburger Plattform« spielen. Führende Vertreter sind die Parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion und ihr Sprecher Carsten Sieling, die Jusos mit ihrer Chefin Johanna Uekermann und Ralf Stegner als stellvertretender Parteivorsitzender und Chef des schleswig-holsteinischen Landesverbands. Erwartet wird außerdem Arbeitsministerin Andrea Nahles. Auch Mattheis rief die DL-21-Mitglieder dazu auf, an dem Magdeburger Treffen teilzunehmen.
Gegen eine Beteiligung der DL 21 haben auch die Organisatoren der Veranstaltung am Wochenende nichts einzuwenden. Allerdings sollen diese keine führende Rolle in der neuen Dachorganisation spielen. In den Debatten am Samstag ist kein Redebeitrag von Mattheis vorgesehen. Allerdings soll in der Abschlussrunde neben Stegner, Uekermann und Sieling auch Daniela Kolbe teilnehmen. Sie ist eine der stellvertretenden DL-21-Vorsitzenden. In Medienberichten wird aber angezweifelt, dass die Leipziger Bundestagsabgeordnete noch eine sonderlich aktive Rolle in dem Forum spielt. Auf eine Anfrage des »nd« wollte Kolbe sich am Mittwoch nicht äußern.
Vor kurzem hat Stegner zudem deutlich gemacht, dass er nicht allzu viel von der DL 21 hält. »Mir reicht es nicht, mit unseren Forderungen auf Parteitagen niedergestimmt zu werden. Wenn sie nur die Herzen erwärmen, aber nie Realität werden, verändert sich nichts. Wir SPD-Linke müssen uns nämlich in Verhandlungen durchsetzen«, sagte der Parteivize der »Frankfurter Rundschau«.
Stegner und Sieling, die etwa in der europäischen Krisen- und Kürzungspolitik als nicht sonderlich widerständig galten, suchen seit einigen Monaten die Konfrontation mit Parteichef Sigmar Gabriel. Dabei geht es zum einen um die mit den USA und Kanada geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA und den damit verbundenen Investitionsschutzklauseln für Konzerne. Zum anderen sorgen sich linke Sozialdemokraten nun auch um das Wahlprogramm, das der linke Flügel vor allem aufgrund der Mindestlohnforderung und der Steuererhöhungen als Erfolg bezeichnet hatte. Stegner und Sieling warnten Vizekanzler Gabriel vor einer Abkehr von der Vermögensteuer. Hintergrund der Kritik ist offenbar die Sorge um ein sichtbares eigenes Profil der SPD in der Großen Koalition und die Unzufriedenheit mit Gabriel aufgrund schwacher Umfragewerte.
Eine andere Umverteilungspolitik und die Einführung einer Vermögensteuer wären aber wohl nur möglich, wenn sich die SPD dazu entschließen würde, auf die LINKE zuzugehen und ein rot-rot-grünes Bündnis vorzubereiten. Aber nicht einmal der linke Flügel in der SPD ist sich einig, ob Rot-Rot-Grün das Ziel ist. Im Aufruf der »Magdeburger Plattform« heißt es wolkig, man wolle Perspektiven jenseits einer Großen Koalition schaffen. Während sich Mattheis, die Jusos und andere SPD-Linke für Rot-Rot-Grün positioniert hatten, hat Stegner erklärt: »Unser Ziel im Bund bleibt in erster Linie Rot-Grün.« Regierungen mit der LINKEN sind für ihn vorerst nur auf Landesebene eine willkommene Option.
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