CSU will Migranten Deutsch vorschreiben

Forderung im Leitantrags-Entwurf für den Parteitag / Selbst die CDU schüttelt den Kopf / SPD: Jetzt fehlt nur noch eine Sprachpolizei

  • Lesedauer: 3 Min.

Update: 16.35 Uhr: Trotz Kritik und Spott von allen Seiten sieht CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer keinen Grund, von der Forderung abzurücken, dass Zuwanderer auch in ihrer Familie deutsch sprechen sollen. »Die Entwürfe der Leitanträge zum Parteitag sind gut vorbereitet und breit abgestimmt«, betonte er am Samstag. »Der Parteivorstand wird diese am Montag unverändert, so wie vorgelegt, intensiv beraten.«

In einem der Leitantrags-Entwürfe für den Parteitag Ende kommender Woche in Nürnberg, die der Vorstand am Montag beschließen will, heißt es: »Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen.«

Der Satz sorgt bei der Opposition, aber auch in der Union für anhaltende Kritik. »Die CSU ist in Absurdistan angekommen. Zum Schreien komisch, wenn es nicht so brandgefährlich wäre«, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der Nachrichtenagentur dpa. Sie fügte hinzu: »Staatliche Regulierung, was in heimischen Wohnzimmern passieren darf. Ich dachte, diese Zeiten hätten wir hinter uns gelassen.«

Der innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, sagte: »Jetzt ist die CSU narrisch geworden.« Die Forderung sei »übergriffig, respektlos und reine Stimmungsmache«. »Was ich zu Hause spreche, geht die CSU einen feuchten Kehricht an«, betonte Beck und fragte: »Wie will sie denn Menschen zu Hause dazu anhalten, deutsch zu sprechen? Welcher Blockwart soll denn das kontrollieren? Wie und worüber die Menschen in ihren vier Wänden reden, geht in einem freien Land weder den Staat noch eine Partei etwas an.«

Auch innerhalb der CSU regt sich vereinzelter, aber dafür umso heftigerer Widerstand. Der Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, der CSU-Landtagsabgeordnete Martin Neumeyer, sagte der »Süddeutschen Zeitung«: »Das ist ein Schmarrn! Machen wir dann demnächst die Videoüberwachung in den Küchen?«

Forderung im Leitantrags-Entwurf für den Parteitag

Berlin. Die CSU fordert hier lebende Ausländer auf, sich grundsätzlich auf Deutsch zu unterhalten - in der Öffentlichkeit, aber auch zu Hause in der eigenen Familie. »Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen«, heißt es in einem Leitantrags-Entwurf für den Parteitag Ende kommender Woche, der am Freitag an die CSU-Spitze verschickt wurde. Die Papiere lagen der Deutschen Presse-Agentur vor.

Der Sprach-Vorstoß sorgte umgehend für Kritik, Kopfschütteln und Spott. Sogar die Schwesterpartei CDU ging auf Distanz. »Ich finde ja, es geht die Politik nichts an, ob ich zu Hause lateinisch, klingonisch oder hessisch rede«, schrieb CDU-Generalsekretär Peter Tauber auf Twitter.

»Jetzt fehlt nur eine CSU-Sprachpolizei, die das Ganze kontrollieren soll«, sagte Bayerns SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen. Der integrationspolitische Sprecher der SPD, Arif Tasdelen, sagte: »Das ist eine völlig absurde Einmischung in das Privatleben der Menschen. Warum sollte ein in Bayern lebendes amerikanisches Ingenieur-Ehepaar in seiner Wohnung nicht mehr englisch miteinander sprechen? Oder warum sollte ein italienischer Gastwirt nicht mehr seine Muttersprache verwenden dürfen?«

Grünen-Chef Eike Hallitzky kritisierte: »Die Sprachwahl daheim diktieren? Lebensfremder geht's nicht. Fehlt nur noch, dass die CSU den Bürgerinnen und Bürgern vorschreiben will, dass der Wohnzimmerteppich weiß-blau sein soll.«

Auf dem Nürnberger Parteitag sollen mehrere Leitanträge verabschiedet werden: zur Außen-, Integrations-, Finanz-, und Wirtschaftspolitik. Am Montag berät zunächst der CSU-Vorstand nochmals über die Papiere. dpa/nd

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