Sesshaftbleiben lautet das Motto der Stunde

Die hohen Mietsteigerungen führen dazu, dass in Großstädten wie Berlin immer weniger Menschen umziehen

  • Burkhard Fraune
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer noch einen günstigen Mietvertrag hat, bestellt in Berlin ungern den Möbelwagen. Immer weniger Mieter ziehen dort um. Warum das für Möbelpacker schlecht ist, aber Maklern wenig ausmacht.

Achim Dulitz kann die Leute ja verstehen. »Die überlegen sich fünfmal, ob sie einen alten Super-Mietvertrag aufgeben und umziehen.« Aber genau davon lebt Dulitz: dass Menschen umziehen. In 14 Städten hat die Berliner Firma Zapf Umzüge Standorte. Das Kerngeschäft Privatumzüge lasse nach, sagt Vorstand Dulitz. »Das ist kein Berliner Problem, das ist bundesweit so.« Weil die Mieten vielerorts stark gestiegen sind, ziehen in den Großstädten immer weniger Menschen um.

Bundesweit ist die Umzugsquote nach Angaben des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen gesunken. Besonders Großstädte und Ballungsräume sind betroffen. Innerhalb Berlins zogen 2013 ein Fünftel weniger Menschen um als zehn Jahre zuvor, wie aus dem Immobilienmarktbericht der Investitionsbank Berlin-Brandenburg hervorgeht. In den oft recht günstigen Landes- und Genossenschaftswohnungen wagte in manchen Innenstadtvierteln nur noch jeder zwanzigste den Umzug. Gerade für Geringverdiener scheint es unbezahlbar zu werden.

Sesshaftigkeit aus Mangel an Alternativen - der Deutsche Mieterbund hält davon nichts. »Es ist nicht wünschenswert, wenn die Leute in Wohnungen bleiben, die nicht mehr für sie geeignet sind, nur weil sie sich eine neue nicht leisten können«, sagt Sprecher Ulrich Ropertz.

Wenig Neubau, viel Zuzug - das hat die Mieten über Jahre getrieben. Die sieben größten Städten haben laut Bundesbauministerium insgesamt 330 000 Einwohner mehr als 2007. Allein Berlin wuchs im vergangenen Jahr um 48 000 Menschen, weil immer mehr in die Hauptstadt ziehen und weil es dort wieder mehr Geburten als Todesfälle gibt.

Zwar wird an vielen Ecken gebaut, doch die neuen Wohnungen sind für viele Mieter zu teuer. Die Baukosten in den meisten Städten lassen sich für Investoren nur mit Kaltmieten über zehn Euro je Quadratmeter refinanzieren. Wer noch einen günstigen alten Mietvertrag hat, bleibt und hofft, dass der Vermieter nicht erhöht.

Von einer uneingeschränkt positiven Wirkung des Baubooms könne keine Rede sein, klagte der Bundesverband Möbelspedition und Logistik schon im vergangenen Herbst. Mittlerweile gehe in Ballungsräumen nach fast jedem Auszug die Miete hoch, klagen die Umzugsunternehmer-Vertreter. In einigen Regionen führe das zu einer gewissen Immobilität.

»Wir spüren das seit eineinhalb, zwei Jahren«, sagt Zapf-Chef Dulitz. Sein Unternehmen hat deshalb andere Standbeine gestärkt, etwa Firmenumzüge und das Einlagern für Privatleute und Unternehmen. »Insgesamt stehen wir gut da«, betont Dulitz.

Miet-Transporter sind trotzdem gefragt. »Wir haben einen stetigen Zuwachs«, sagt etwa Ulrich Wientjes, dessen Wagen der blauen Robbe in Berlin zum Stadtbild gehören. »Wir haben ja auch Zuzug, Berlin ist so angesagt wie keine andere Stadt auf der Welt.«

Auch die Makler in den Großstädten stört es nicht besonders, dass weniger Mieter umziehen, wie es beim Immobilienverband Deutschland heißt. »Makler leben vor allem vom Verkauf«, sagt Sprecher Jürgen-Michael Schick.

Und da ist für die Branche in Zeiten niedriger Zinsen viel zu holen. In Städten mit über einer halbe Million Einwohner leben laut Landesbausparkassen inzwischen 22 Prozent der Bürger in den eigenen vier Wänden. Vor zehn Jahren waren es 18 Prozent. Auch die selbst gewählte Sesshaftigkeit nimmt zu. dpa

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal