Griechenland: Attac sieht Chance für demokratischen Kurswechsel

Griechischer Ministerpräsident Samaras erklärt Neuwahl zur Schicksalsfrage für Griechenland / LINKE: Neuwahlen kein Grund zur Furcht, sondern zur Freude

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Nach drei misslungenen Wahlgängen zum Präsidentenamt stehen im Januar Neuwahlen in Griechenland an. Während die Bundesregierung vor einer Abkehr vom Sparkurs warnt, spricht sich die LINKE gegen Angstmache aus.

Update 13 Uhr: Attac hat das endgültige Scheitern der Präsidentschaftswahl im griechischen Parlament und die daraus folgenden Neuwahlen begrüßt. Das globalisierungskritische Netzwerk sprach von einer »Chance für einen demokratisch durchgesetzten Kurswechsel, weg von der Umsetzung der Troikapolitik. Die griechische Bevölkerung hat nun die Möglichkeit, dem neoliberalen Austeritätsspuk ein Ende zu machen«. Erstmals könne »in einem der von der Krise am stärksten betroffenen Länder« eine Regierung gewählt werden, »die Alternativen zu den aufgezwungenen Einsparprogrammen« durchsetzt. Attac erklärte weiter, die Ankündigung von SYRIZA, die griechischen Schulden nicht zu bezahlen, entspreche einer »schon lange erhobenen Forderung nach einem Schuldenaudit beziehungsweise umfassender Schuldenstreichung unter breiter demokratischer Beteiligung«. Man sehe es als »Aufgabe aller demokratischen Akteure« an, die sich für eine emanzipatorische Krisenpolitik einsetzen, »diese Bemühungen jetzt zu unterstützen. Griechenland könnte zu einem Ort der Hoffnung werden«.

Update 12 Uhr: Der Linkenvorsitzende Bernd Riexinger hat das Scheitern der Präsidentenwahl in Griechenland als »Quittung für die Sparpolitik der Europäischen Union« bezeichnet. Kanzlerin Angela Merkel stehe »vor dem Scherbenhaufen ihrer Austeritätspolitik in Europa. Die Politik sozialer Kürzungen, öffentlichen Ausverkaufs, massenhafter Arbeitslosigkeit und des Abbaus von Arbeitnehmerrechten in den Ländern des europäischen Südens ist maßgeblich von der Bundesregierung durchgesetzt worden und gescheitert«. Nach Ansicht des Linkenpolitikers bieten die Neuwahlen in Griechenland »die Chance, die europäische Idee wiederzubeleben«. Er verwies darauf, dass die Linkspartei in Deutschland »seit langem die griechische SYRIZA-Partei« unterstütze.

»Dieser Kampf entscheidet, ob Griechenland in Europa bleibt«

Athen. Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras hat die in einem Monat anstehende Parlamentswahl zur Schicksalsfrage für sein Land erklärt. »Dieser Kampf wird entscheiden, ob Griechenland in Europa bleibt«, sagte Samaras am Dienstag in Athen, als er bei Präsident Karolos Papoulias die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen für den 25. Januar beantragte.

Am Montag war die Wahl eines neuen Staatschefs durch das Parlament zum dritten Mal gescheitert, so dass gemäß der Verfassung Neuwahlen abgehalten werden müssen. Favorit ist die oppositionelle Linkspartei Syriza, die das von den internationalen Gläubigern auferlegte Sparprogramm aufkündigen will. Samaras sagte, der nun anstehende Wahlkampf müsse verantwortlich geführt werden.

Die milliardenschweren Rettungspakete von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) hatten Griechenland vor dem Staatsbankrott bewahrt. Die mit den Hilfsprogrammen einhergehenden Einschnitte haben aber für viele Griechen die soziale Lage erheblich verschlechtert. SYRIZA-Chef Alexis Tsipras sprach am Montag von einem »historischen Tag«. »Mit dem Willen des Volkes werden die Sparpläne in ein paar Tagen der Vergangenheit angehören, und die Zukunft kann beginnen.«

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte dagegen in der Diktion von Bundeskanzlerin Merkel (ebenfalls CDU) vor der Abkehr vom radikalen Sparkurs: »Die harten Reformen tragen Früchte, sie sind ohne jede Alternative«, erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Jede neue Regierung müsse die vertraglichen Vereinbarungen der Vorgänger einhalten, dann werde Deutschland Athen auch weiter unterstützen. »Wenn Griechenland einen anderen Weg einschlägt, wird es schwierig.«

Entgegengesetzt reagierten Politiker der LINKE, wie der Parteivorsitzende Bernd Riexinger gegenüber der taz: »Die Neuwahlen sollten niemandem Angst machen. Sie sind ein Zeichen der Hoffnung und bieten die Chance, die europäische Idee wiederzubeleben, die Angela Merkel mit ihrer Austeritätspolitik zu zerstören im Begriff ist.« Ähnlich äußerte sich der Stefan Liebichj, Obmann der Linksparei im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, ebenfalls gegenüber der taz: Die Neuwahl sei »kein Grund zur Furcht, sondern zur Freude für Europa. Mit Tsipras' SYRIZA sind echte Verhandlungen nötig.«

Ende Februar läuft das Hilfsprogramm für Griechenland aus, allerdings steht noch eine letzte Tranche von sieben Milliarden Euro aus. Die Eurozone hatte die Entscheidung darüber Anfang Dezember um zwei Monate aufgeschoben, um mehr Zeit für die Überprüfung der griechischen Finanzen und die Verhandlungen mit der Regierung in Athen zu haben. Eine schnelle Regierungsbildung nach den Neuwahlen am 25. Januar ist fraglich; ohne die Milliarden-Tranche aber drohen Griechenland ab dem Frühjahr wieder Zahlungsschwierigkeiten. Agenturen/nd

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