Relatives Durcheinander

Patienten ohne die neue Gesundheitskarte sind auf Wohlwollen angewiesen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Immer noch sind viele gesetzlich Versicherte ohne die neue elektronische Gesundheitskarte (eGK) unterwegs. Wenn es schlecht läuft, bleiben sie auf ihren Behandlungskosten sitzen.

Das Prozedere, nach dem Versicherte ohne die neue elektronische Gesundheitskarte (eGK) abgefertigt werden, sollte eigentlich klar sein. Die Patienten müssen ihrem Arzt nach der Behandlung einen aktuellen Versicherungsnachweis nachreichen - die alte Karte, selbst wenn sie laut Aufdruck noch gültig ist, reicht nicht. Wem das in zehn Tagen nicht gelingt, der erhält eine Privatrechnung, die er selbst begleichen muss. Bis zum Ende des jeweiligen Quartals kann der Versicherte die ausgelegte Summe vom Arzt zurückfordern, wenn er bis dahin die neue Karte oder einen Papiernachweis vorlegt. Bei einer Notfallbehandlung ohne eGK ist die Datenerfassung vereinfacht - hier genügen die persönlichen Angaben aus der Patientendatei, vom Versicherten selbst oder von anderen »Auskunftspersonen«.

Dennoch scheint es, dass einzelne Kassen, Apotheken und Arztpraxen unterschiedlich vorgehen. Betroffen sind von dem relativen Durcheinander »höchstens« noch 2,1 Millionen Menschen - das ist der Stand vom Juni 2014, als der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen die Zahl bei den Kassen abfragte. Von über 97 Prozent Versicherten mit neuer Karte war damals die Rede. Inzwischen könnten noch einige Nachzügler reagiert und endlich ihr Foto herausgerückt haben.

Aktuelle Zahlen gibt es etwa von der AOK Nordost. Dort ist ein Prozent der 1,75 Millionen Versicherten in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ohne »Rundum-sorglos-Karte« - immerhin noch 17 500 Personen. Im Bundesland Schleswig-Holstein sollen es für alle gesetzlichen Kassen 42 000 Nachzügler sein, in der Region Duisburg/Oberhausen allein bei der AOK 55 000.

Wie sich die Betroffenen nun im Falle eines Arztbesuches verhalten sollen, regelt der »Bundesmantelvertrag Ärzte«, insbesondere im Paragrafen 19. Als Ersatz für die eGK darf demnach ein Anspruchsnachweis - in Papierform - nur »im Ausnahmefall zur Überbrückung von Übergangszeiten, bis der Versicherte eine elektronische Gesundheitskarte erhält«, ausgestellt werden, allerdings nur befristet. Die Regelung übersieht geflissentlich, dass es nicht nur Nachzügler gibt, sondern auch Verweigerer. Von diesen wird schon berichtet, dass der Alternativbeleg von den Kassen teils nur auf entschiedene Nachfrage ausgegeben wird, manchmal für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten, manchmal nur für einen einzigen Arztbesuch. Andererseits holen manche Arztpraxen den Versicherungsnachweis selbst ein, sie sind dazu aber nicht verpflichtet.

Was passiert, wenn die Betroffenen ohne neue Karte kurz vor Quartalsende zum Arzt müssen und die oben genannten Fristen nicht einhalten? Eine explizite Aussage seitens des GKV-Spitzenverbandes gibt es dazu nicht. Auch bei der Abrechnung von Medikamenten, die ohne die eGK auf Privatrezept hin zunächst verauslagt werden müssen, können die Kassen die Daumenschrauben anziehen. Wenn Versicherte Aufforderungen zur Abgabe eines Lichtbildes nicht nachgekommen sind, also ein Verschulden an der verspäteten Ausstellung der eGK vorliegt, gebe es »keine Rechtsgrundlage« für eine Kostenerstattung.

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