Merkels Deflation

Wirtschaftspolitiker Michael Schlecht (LINKE) über die Folgen einer schwachen Konsumnachfrage für die Eurozone

  • Michael Schlecht
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Dezember 2014 rutschte die Eurozone in die Deflation. Wird jetzt nicht entschieden gegengesteuert, droht sie sich zu verfestigen. Die Folge wäre über Jahre hinweg eine wirtschaftliche Stagnation.

Sinkende Preise sind für die Haushalte eigentlich eine feine Sache. Doch für die gesamte Wirtschaft kann sie ein bitteres Gift sein. Sinken die Preise, werden Investitionen und Konsum in Erwartung weiter sinkender Preise aufgeschoben, dies kann schnell in einen hartnäckigen wirtschaftlichen Strudel führen. Japan steckt bereits seit 20 Jahren in der Deflation fest.

Dass die Eurozone in die Deflation gerutscht ist, liege nur am niedrigen Ölpreis heißt es beschwichtigend. Aber warum sollte das beruhigen? Die Ölpreise sind zwar auch wegen höherer Ölförderung insbesondere in den USA gesunken, aber auch wegen der schwachen Nachfrage nach Öl. Der gesunkene Ölpreis ist auch Ausdruck der weltweiten wirtschaftlichen Schwäche, nicht zuletzt auch der Eurozone. Doch auch wenn die Entwicklung der Energiepreise aus der Inflation herausgerechnet werden, kennt die Inflation nur eine Richtung und zwar abwärts.

Die Deflation ist Ausdruck der niedergeprügelten Nachfrage in der Eurozone. Die von Merkel den Euroländern aufgezwungenen Kürzungsprogramme haben diese wirtschaftlich ausgebremst oder sogar abstürzen lassen. Griechenlands Wirtschaftsleistung beispielsweise liegt mehr als 25 Prozent unter dem Vorkrisenniveau, die Industrieproduktion gar um die 40 Prozent niedriger.

Die Europäische Zentralbank als Hüterin der Preisstabilität stemmt sich mit aller Macht gegen den Preisverfall, ist aber zunehmend machtloser. Das angekündigte Aufkaufprogramm für Anleihen, auch staatliche, droht auch zu verpuffen. Die Idee dahinter ist, die Zinsen für Investoren weiter zu senken und so Investitionen zu ermöglichen. Doch Unternehmen investieren nicht, wenn sie keine Absatzaussichten haben, egal wie billig Kredite zu haben sind.

Die ungewöhnlichen Appelle seitens der EZB für höhere Löhne und mehr öffentliche Investitionen verhallten bisher. Dabei ist dies mittlerweile das effektivste Mittel zur Bekämpfung der Deflation und der wirtschaftlichen Stagnation, wenn nicht sogar mittlerweile das einzige. Das eilig vom EU-Kommissionspräsident Juncker zusammengeschusterte Investitionspaket erweist sich bei näherer Betrachtung als Taschenspielertrick, merkliche zusätzliche Investitionen sind dadurch nicht zu erwarten.
Stattdessen brauchen wir ein echtes öffentliches Investitionsprogramm in Europa, finanziert vor allem durch eine EU-weite Vermögensabgabe für Millionäre. Doch Investitionen können nur richtig wirken, wenn ein sofortiger Stopp der sozial katastrophalen und wirtschaftlich unsinnigen Kürzungsprogramme in der Eurozone erfolgt.

Ohne zusätzliche Absatzchancen auch in Deutschland für unsere europäischen Partner droht ein europäisches Investitionsprogramm zu einem Konjunkturprogramm allein für die deutsche Industrie zu werden. Das würde zwar die Profite der deutschen Industrie steigern, aber weder den Beschäftigten in Deutschland noch den Menschen anderswo in Europa helfen. Auch ist fraglich, ob es dann einen Beitrag gegen die Deflation in der Eurozone leisten kann.

Deshalb brauchen wir eine Abkehr vom einseitig exportorientierten Wirtschaftsmodell in Deutschland. Diese muss durch eine massive Stärkung der Binnennachfrage vor allem durch höhere Löhne eingeleitet werden. Dazu muss die Durchsetzungsmacht der Gewerkschaften gestärkt werden, unter anderem durch ein Verbot der Leiharbeit und des Missbrauchs von Werkverträgen sowie die Beschränkung von Befristungen auf wenige sachgrundbezogene Ausnahmen.

Darüber hinaus brauchen wir in Deutschland ein Zukunftsinvestitionsprogramm von 100 Milliarden Euro jährlich für den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Die eine Hälfte davon sollte für dringend benötigte öffentliche Investitionen in Bauten, Verkehr und vor allem auch in die Energiewende verwendet werden, die andere Hälfte sollte in die Bereiche Bildung, Erziehung und die Pflege fließen.

Der Autor Michael Schlecht ist wirtschaftspolitischer Sprecher Linksfraktion im Bundestag.

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