Linke: Der europäische Frühling beginnt

Reaktionen in Deutschland auf den Wahlausgang in Griechenland / Grünenpolitiker: EU muss neuer Regierung helfen / CSU pocht auf Spardiktat

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Berlin. In der deutschen Linken ist der Wahlausgang in Griechenland mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, beglückwünschte die Schwesterpartei SYRIZA in einer ersten Reaktion auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Linkenchefin Katja Kipping sprach von einem »schönen Tag« und sagte: »In Griechenland beginnt der Europäische Frühling«. Der sachsen-anhaltische Fraktionschef Wulf Gallert sagte, »selbst Gegner von SYRIZA sollten anerkennen, dass sie sozialen Protest demokratisch und antirassistisch organisieren«. Dies laufe in der Bundesrepublik »grade anders«, so Gallert mit Blick auf die rechte Pegida-Bewegung. Die Linken-Abgeordnete Sabine Leidig nannte den Wahlausgang »unfassbar: Dieser Tag könnte Europa ändern«.

Der linke Europaabgeordnete Fabio De Masi erklärte zum Wahlausgang, »Griechenland hat Merkel abgewählt«. Der Erfolg von Syriza sei »eine Ohrfeige für die Bankenretter der Bundesregierung, die Wahlkampf für den Kandidat der Oligarchen um den Ex-Premier Samaras gemacht haben. Dies ist aber auch die letzte Chance für Europa und den Euro«. Sollte die Troika und insbesondere die Europäische Zentralbank die Demokratie in Griechenland ersticken, »weil sie den Stopp der dummen Kürzungsdiktate nicht akzeptieren und dem griechischen Finanzsystem den Hahn abdrehen, wird sich die Bevölkerung in weiteren Euro-Staaten abwenden«, so der Europaabgeordnete. »Die Bundeskanzlerin und die Troika müssen sich dann auch gegenüber den deutschen Steuerzahlern verantworten. Sie haben einen frühzeitigen Schuldenschnitt zu Lasten der deutschen und französische Banken, Investitionen in den Strukturwandel Griechenlands und einen effizienten Steuervollzug sowie die Besteuerung der Millionäre immer verhindert. Mit einem Wirtschaftskrieg gegen Griechenland wäre das Geld der Steuerzahler endgültig futsch. Daher ist der Sieg von Alexis Tsipras eine gute Nachricht – auch für die Mehrheit in Deutschland.«

Die Vorsitzende der Grünen, Simone Peter, sagte, es sei jetzt ein »Umdenken« in der EU notwendig. Es brauche eine »Offensive für nachhaltige Investitionen, Vermögensbeteiligung, Umschuldung«, so Peter auf Twitter. Die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner sagte, SYRIZA-Chef Alexis Tsipras müsse nun »zeigen, ob er mehr soziale Gerechtigkeit« und den Kampf gegen die Korruption auch umsetzen könne. Die EU müsse verhandeln, forderte Brantner auf Twitter. Ihr Parteifreund Sven-Christian Kindler sagte, wichtig seien »jetzt der Bruch von Tsipras mit dem alten Klientelsystem in Griechenland und soziale Verbesserungen«. Dabei müsse auch die Europäische Union helfen. »Klar muss sein: Griechenland bleibt im Euro. Wichtig ist, dass EU dabei über Wege für soziale Verbesserungen mit neuer Regierung verhandelt«, so Kindler.

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold erklärte, »der Erfolg von SYRIZA zeigt, dass sozialer Kahlschlag als Krisenpolitik nicht funktioniert. Die griechischen Bürger haben für einen Kurswechsel in der griechischen und europäischen Politik gestimmt«. Gigeold nannte »die Beschwörung der gescheiterten Reformpolitik der Troika« eine »reflexhafte Reaktion«. Europa müsse »zur Kenntnis nehmen, dass die bisherige Reformpolitik gescheitert ist«. Die Wahl von SYRIZA sei »eine Chance auf einen Neuanfang für eine faire Verteilung der Krisenlasten und Bekämpfung der Korruption und Steuerhinterziehung«.

Bei der CSU pocht man dagegen auf die Fortsetzung des neoliberalen Sparkurses. Griechenland müsse auch nach dem SYRIZA-Erfolg »weiter an dem Reformkurs der Vorgänger-Regierung festhalten«, hieß es in einer Eklärung der Vorsitzendeb der CSU-Gruppe im Europaparlament, Angelika Niebler. »Ein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland ist unrealistisch, da hierdurch die Probleme nicht gelöst werden. Griechenland muss weiterhin seine Strukturreformen durchführen und seinen Haushalt konsolidieren«, so Niebler.

Ähnlich äußerte sich Bundesbankpräsident Jens Weidmann auf die Umsetzung der vereinbarten Reformen. »Klar ist, dass Griechenland auch weiterhin auf Unterstützung durch ein Hilfsprogramm angewiesen sein wird. Und das heißt natürlich auch, dass es ein solches Programm nur geben kann, wenn auch die Verabredungen eingehalten werden«, sagte er am Sonntagabend in der ARD. »Ich hoffe, dass die neue griechische Regierung keine illusionären Versprechungen macht, die sich das Land nicht leisten kann.«

Die Rechtspartei AfD forderte einen Austritt Griechenlands aus dem Euro als Gegenleistung für einen Schuldenschnitt. Der Parteivorsitende Bernd Lucke sagte, nur durch einenAustritt aus der Währungsunion könnten die wirtschaftliche Misere und die Massenarbeitslosigkeit in Griechenland beendet werden.»Nun will SYRIZA den Euro nicht in Frage stellen, sondern verlangt Schuldenstreichung und weitere Kredite. Das passt nicht zusammen.« nd/Agenturen

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