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Nicht größer und nicht kleiner

Welche Rolle spielt Deutschland in der Welt? Ein neues sicherheitspolitisches Weißbuch soll entstehen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einer Konferenz in Berlin läutete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag die Erarbeitung eines neuen Weißbuches ein.

Bislang gab es zehn Weißbücher zur deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das erste erschien 1969 unter Verteidigungsminister Gerhard Schröder (CDU). Das aktuelle ist fast zehn Jahre alt. Wer sich am Dienstag unter den Konferenzteilnehmern umschaute, sah viele alte Kameraden samt den ehemaligen Verteidigungsministern Rupert Scholz (CDU) und Rudolf Scharping (SPD). Sieht so Zukunft aus?

Nein, aber Äußerlichkeiten können täuschen. Die aktuelle Chefin im Bendler-Block setzt auf ein zeit- und zukunftsgemäßes Dokument. Und sie handelt im Auftrag vieler Ressorts, wenn sie strategische Grundzüge, Ziele und Rahmenbedingungen deutscher Sicherheitspolitik zusammenfassen und dazu die Lage der Bundeswehr sowie die Beziehungen zu Verbündeten insgesamt darstellen lässt. Dafür will die Ministerin »von Anfang an breit Expertise einbinden«. Eineinhalb Jahre gibt sie Experten, Parteien, Stiftungen und allen interessierten Bürgern Zeit zur Mitarbeit, bevor der neue Weißbuch-Entwurf auf dem Tisch des Kabinetts landet. Das ist ein Novum - so wie eine spezielle Website als Informations- und Diskussionsforum.

Seit Verabschiedung des letzten Weißbuches 2006 habe sich »das sicherheitspolitische Umfeld grundlegend verändert«. Von der Leyen sprach den »tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Wandlungsprozess der arabischen Welt« an. Sie nannte die »alarmierende Entwicklung des internationalen Terrorismus«, die nicht erst mit dem Aufkommen des Islamischen Staates begann. Sie fragte: Haben wir eine passende Antwort auf die zunehmend hybride Kriegsführung in vielen Regionen der Welt? Auch die Gefahr aus dem Cyberraum ist erkannt.

Im Augenblick verändere sich die Sicherheitsarchitektur unseres Kontinentes grundlegend, sagte von der Leyen. Das Vorgehen Russlands in der Ukraine habe weitreichende Konsequenzen. Was ist die Antwort der Bundesrepublik auf jene, die versuchten, »verbrieftes Recht zu ersetzen durch Dominanz in Einflusszonen«? Und natürlich habe die westliche Reaktion »Auswirkungen darauf, wie dieses Europa seine Sicherheit ausbalanciert« und wie - irgendwann - auch wieder »eine verlässliche Nachbarschaft in Europa möglich sein kann«. Die Chefin der Bundeswehr zitierte nicht von ungefähr den Außenamtschef und den Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Sie will einen »ganzheitlichen Ansatz«, nachhaltige Lösungen. Man wolle Deutschland nicht größer machen als es ist, doch auch nicht kleiner. Eine Floskel? Von der Leyen will wissen, was ist Deutschlands Beitrag zu Sicherheit und Entwicklung? Beides seien Grundbedingungen dafür, dass Menschen Perspektiven haben. Und welche Auswirkungen haben Armut und Gewalt? Die Rednerin sprach die »ungeheuren Flüchtlingsströme« nicht nur in Europa und Afrika, sondern auch in Asien und Lateinamerika an und warf das Thema »Verteilung natürlicher Ressourcen in Zeiten zunehmender globaler Konkurrenz« auf.

Bei allem gehe es auch um die Entwicklung »unserer Allianzen und Partnerschaften«. Die Verteidigungsministerin redete nicht nur über die EU und die NATO. Auch die UN wurde genannt. Mehrfach tauchte das Kürzel OSZE auf. Die Organisation erlebe gerade »eine Renaissance und unsere Aufgabe ist es ihre Bedeutung, ihre unverzichtbare Rolle zu stärken«.

Am Dienstag lief alles im Plenum und den - nicht-öffentlichen - Arbeitsgruppen im Fragemodus. Natürlich, denn die Konferenz war die erste ihrer Art. Weitere sollen folgen. Dann geht es um Antworten. Die Suche nach ihnen verlangt Streit, viel Streit in der gesamten Gesellschaft.

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