Zu Besuch bei Skiverrückten

Die Skiweltmeisterschaften in Falun erwarten mehr als 200 000 Fans in Südschweden

Zum vierten Mal tragen Langläufer und Skispringer ihre WM in Falun aus. Die deutschen Sportler hoffen wie die Gastgeber auf mehr Medaillen als beim letzten Mal.

Es liegt Schnee in Falun, und die Vorhersagen lassen hoffen, dass es weiß bleibt in Südschweden. Eine Wiederholung von 1974 müssen die Organisatoren der an diesem Donnerstag beginnenden Nordischen Skiweltmeisterschaften also nicht befürchten. Bei jener Ausgabe war es tagelang zu warm, und ein weißes Band zog sich durch die immer grüner werdende Landschaft. Dabei hätten die deutschen Skiläufer wohl nichts gegen eine andere Parallele zur WM vor 41 Jahren. Im Sog von Langläufer Gerhard Grimmer, Springer Hans-Georg Aschenbach und Kombinierer Ulrich Wehling wurde die Mannschaft der DDR zur erfolgreichsten Skination der Welt - eine Leistung, die weder davor noch danach einer deutschen Mannschaft gelang.

2015 ist das auch nicht zu erwarten, selbst wenn die Vorzeichen günstiger sind als 1993. Bei der bislang letzten WM in Falun gewann das gesamtdeutsche Team nur einmal Bronze. Medaillenvorgaben gibt es beim vierten WM-Besuch in Falun trotzdem nicht mehr vom Deutschen Skiverband (DSV). Seit der Veröffentlichung von Zielvereinbarungen und Fördersummen durch den Deutschen Olympischen Sportbund scheuen die Sportverbände die medialen Berechnungen, wie viel Hunderttausend Euro eine Medaille denn so kostete. »Im Team haben wir aber abgestimmt, dass wir insgesamt zwölf Medaillen bei der nordischen WM und den Titelkämpfen im Biathlon machen wollen«, umreißt die neue DSV-Sportdirektorin Karin Orgeldinger eine grobe Zielstellung. Da sich die Biathleten vor ihrer WM in Finnland in guter Form präsentieren, nimmt das etwas Druck von den Nordischen. »Aber wir sind mit allen Teams so aufgestellt, dass wir Medaillenpotenzial haben«, setzt Orgeldinger vor allem auf die Olympiasieger Eric Frenzel (Nordische Kombination), Carina Vogt und Severin Freund (Skisprung) sowie eine Überraschung der Langläufer.

So breit wie die Deutschen sind die schwedischen Gastgeber nicht aufgestellt. Zwar gehören die Langläufer um Charlotte Kalla hinter den überragenden Norwegern zu den Favoriten, in den anderen beiden Disziplinen sieht es aber sehr mau aus. Ausgerechnet vom Lugnet-Backen, auf dem Jan Boklöv 1987 den V-Stil entdeckte, wird 28 Jahre später wohl kein Schwede in den Wertungsdurchgängen der Einzelwettbewerbe hinunterschweben. Dass Christian Inngjerdingen, Carl Nordin oder Jonas Sandell die Qualifikation überstehen, ist höchst unwahrscheinlich. Der Beste von ihnen ist derzeit 151. der Rangliste - im zweitklassigen Continental Cup. Einen international aktiven Kombinierer gibt es in Schweden überhaupt nicht mehr.

Trotzdem hoffen die Heimfans vor allem nach den sehr erfolgreichen Olympischen Spielen in Sotschi, dass ihnen eine so lange Wartezeit auf die erste Medaille wie 1993 erspart bleibt. Damals gewann Langläufer Torgny Mogren erst im Abschlussrennen über 50 Kilometer, dafür aber auch gleich Gold. Eine komplette Schmach, kurz nachdem die Volkshelden Gunde Svan und Thomas Wassberg ihre Karrieren beendet hatten, war gerade noch so vermieden worden.

Auch wenn 2015 wieder nur im Langlauf Medaillen drin sind, haben die WM-Organisatoren bereits knapp 180 000 Tickets für die 21 Entscheidungen an die skiverrückten Schweden verkauft. »Unser Ziel waren 200 000, das werden wir deutlich übertreffen«, prognostiziert Sven von Holst, Geschäftsführer von Falun 2015. Ihm kommt zugute, dass die ehemalige Bergarbeiterstadt, aus der einst zwei Drittel der weltweiten Kupferproduktion stammten, eine der kompaktesten nordischen Skianlagen weltweit besitzt. Vom Langlaufstadion zu den Schanzen sind es höchstens 15 Minuten zu Fuß. Da muss sich kein Fan zwischen Langlauf und Skispringen entscheiden.

Falun gewann das Bewerberduell unter anderem gegen Oberstorf auch aufgrund der Zusagen, viel Geld zu investieren. »Hier steht jetzt eines der besten, wenn nicht sogar das beste Stadion für Langlauf und Skispringen der Welt«, ist Weltverbandspräsident Gian-Franco Kasper von der modernisierten Anlage begeistert. Allein der Umbau der Schanzen kostete seit 2012 rund 21 Millionen Euro.

Auch jener befürchtet steile Langlaufanstieg, der schon vorher dem Namen »Mördarbacken« alle Ehre machte, sollte verschärft werden. Dagegen streikten jedoch die Athleten im vergangenen Frühjahr. Jetzt ist er wieder so »leicht« wie vorher. Die Sprinter werden trotzdem froh sein, dass sie diesen Teil der Strecke beim ersten Rennen um Medaillen noch links liegen lassen dürfen.

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