Irre? Idee? Apropos!

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war eine schlimme Nachricht für den Humor. Und für den Ernst. Nach fast 20 Jahren im Amt nimmt der Late-Night-Talker Jon Steward seinen Abschied, was eine amerikanische Absurdität kennzeichnet: Gerade beim jungen Publikum war Art Schmidt’sches Standup-Kabarett die wichtigste Informationsquelle seriöser Nachrichten. Was hätte einer wie Steward also hierzulande alles inhaltsreich zu veräppeln gehabt, vorige Woche. Das debile Grinsen von Olaf Scholz nach seinem Hamburger Wahlsieg, die debilere Nachfrageverweigerung von Günther Jauch im Kuscheldiskurs mit dem russischen Botschafter zum Thema Ukraine-Krieg. Oder dass Hans Meiser als Animateur aufs »Traumschiff« MS Deutschland geht und das allen Ernstes damit begründet, vieles sei »richtig schlecht« geworden, was sein Medium derzeit zu bieten habe.

Zur Bestätigung dieser nicht ganz so steilen These reicht schließlich ein kurzer Blick aufs laufende Programm: Ab Montag etwa schickt Big Brother John de Mol abermals eine Schar Masochisten unter Kamerakuratel. Der holländische Medienmogul beteuert zwar, die 15 Bewohner von »Newtopia« (Sat1, 19 Uhr) könnten in einer Brandenburger Hofruine eine neue Welt aufbauen. Tatsächlich werden sie aber wohl bloß die üblichen Zutaten des privaten Voyeurismus verkochen. So wie die Beteiligten im »Game of Chefs«, das dienstags zur besten Sendezeit bei Vox Deutschlands größtes Kochtalent küren soll. Was mit Küche also. Irre Idee. So wie die, den kürzlich abgedankten Kuscheltalker »Beckmann« tags zuvor im Ersten mal wieder seinem Lehrberuf als Reporter (zum Auftakt: Irak) nachgehen zu lassen. Doch keine Sorge: Das kann der!

Irre? Idee? Apropos! Was mit kreativem Aberwitz möglich ist, zeigen Mittwoch Ralf Husmann und Arne Feldhusen mit »Vorsicht vor Leuten« (ARD, 20.15). Das geniale Paar absurder Unterhaltung (»Stromberg«) hetzt einem notorischen Hochstapler Charly Hübner als läppischen Provinzbeamten an den Hals, was zum denkbar lustigen Bürgerlichkeitscrash gerät.

Eine irre Idee hatte auch Helmut Dietls Sohn David, als er Olli Dittrich als spießigen »König von Deutschland« (Freitag, 20.15 Uhr, Arte) besetzte, der ohne es zu wissen von PR-Agenten zum Prototyp aller Konsumenten herangezüchtet wird. Nicht ganz so irre, aber eine blendende Idee ist es, Ulrich Noethen ab Montag (ARD, 20.15 Uhr) in der Romanadaption »Neben der Spur« sporadisch als Psychiater Jessen in skurrile Mordfälle zu verwickeln - was erneut zeigt, wie blöd es war, seinen »Kommissar Süden« nach zwei Folgen trotz Grimmepreis abzusetzen. Die Übertragung von dessen Verleihung wird übrigens gern nachts auf 3sat versendet, während die belanglose, aber »Goldene« Kamera am Samstag wie gewohnt mit der ZDF-Primetime geadelt wird. Aber wer weiß - vielleicht rechtfertigt ja Arnold Schwarzenegger den Aufwand im Zweiten, der den üblichen Lebenswerkpreis für einen Hollywoodstar kriegt. Wenn er denn kommt. Wer weiß. Aber irgendwie irre wär’s schon.

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