»Wir werden es wieder schaffen«

SYRIZA-Ökonom Theodoros Paraskevopoulos über den Kompromiss mit den europäischen Gläubigern, Maßnahmen gegen die humanitäre Krise in Griechenland und das Verhältnis zwischen SYRIZA und Linkspartei

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 5 Min.
Theodoros Paraskevopoulos, Jg. 1946, ist Wirtschaftsberater von 
SYRIZA. Der gebürtige Athener lebte mehrere Jahre in Deutschland. Unter anderem arbeitete er bei AEG in Hamburg und studierte Wirtschaftswissenschaften in Kiel. 2006 wurde Paraskevopoulos Mitglied von 
SYRIZA und schließlich drei Jahre lang deren außenparlamentarischer Geschäftsführer. Über das weitere Vorgehen der Regierung unter Alexis Tsipras sprach mit ihm für »nd« 
Katja Herzberg.

Ausgerechnet der Ihrer Regierung gegenüber so kritisch eingestellte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble musste die deutschen Konservativen auf Linie bringen, damit sie für die Verlängerung des Kreditprogramms stimmen. Hatten Sie befürchtet, dass ihm das misslingen könnte?
Herr Schäuble hat Positionen räumen müssen, beispielsweise in der Frage der Kontrolle der Maßnahmen, die Griechenland nun einleiten wird, oder in der Frage der Arbeitsgesetzgebung sowie auch mit der vagen Formulierung zu den Privatisierungen. Aber jetzt muss er seine Leute eben überzeugen, nicht nur aus innenpolitischen Erwägungen. Für einen Moment sah es ja auch so aus, als wäre die Bundesregierung isoliert. Das hat sich mit dem Eingreifen der Bundeskanzlerin geändert. Sollte die Bundesrepublik jetzt den Kompromiss nicht mittragen, würde das schwere Probleme für die Europäische Union nach sich ziehen. Aber davon gehe ich nicht aus.

Erstmals werden auch LINKE-Abgeordnete der Verlängerung es Kreditprogramms zustimmen. Ist das ein gutes Zeichen?
Wir hatten nie ein schlechtes Zeichen von der deutschen Linken erhalten. Die Linkspartei hatte zwar in den vorigen Abstimmungen gegen die Darlehen an Griechenland gestimmt, aber wir als SYRIZA hatten im griechischen Parlament auch dagegen gestimmt, und zwar mit derselben Begründung wie unsere Genossinnen und Genossen in Deutschland. Die war, dass da ein Darlehensabkommen geschlossen wird unter Bedingungen, die es dem Schuldner unmöglich machen, das Darlehen zu bedienen.

Mit der Verlängerung dieses Programms besteht jetzt aber die Hoffnung, dass tatsächlich notwendige Reformen umgesetzt werden wie eine effektive Besteuerung und die Bekämpfung von Korruption.
Ja, und wir müssen das machen, sonst hätte es auch keinen Sinn, die Parlamentsmehrheit und die Regierung zu fordern. Wir wollen den griechischen Staat grundlegend ändern, ihn effektiver und demokratischer machen. Und auch die Wirtschaft in Gang bringen.

Welche Maßnahmen werden jetzt als Erstes umgesetzt?
Die ersten Maßnahmen betreffen die humanitäre Krise. Die Menschen müssen sehen, dass sie nicht allein sind. Familien, die keinen Strom haben, Menschen ohne Krankenversicherung oder Kinder, die ohne Frühstück zur Schule gehen – das muss sofort ein Ende nehmen. Das kostet zwar Geld, aber schon im Thessaloniki-Programm war das solide gegenfinanziert. Das ist nämlich auch ein Punkt unseres Programms: Wir wollen keine Haushaltsdefizite haben. Das ist kein Zugeständnis an unsere Gläubiger, sondern eine feste Überzeugung der Linken.

Die Verlängerung des Programms ist an weitere Bedingungen geknüpft. So soll Athen die Reformliste bis Ende April weiter ausarbeiten. Wie wird das vonstatten gehen?
Es wird noch einmal sehr harte Verhandlungen mit den Euro-Partnern geben, weil dann Themen wie die Privatisierungen anstehen. Aber ich nehme an, dass wir es wieder schaffen. Wichtig ist jetzt, eine Steuerreform einzuleiten, so dass das griechische Steuersystem gerecht wird, dass die niedrigen Einkommen entlastet und die hohen Einkommen belastet werden. Die Hauptfrage ist, wie man Einkommen und Vermögen erfasst, die nicht angegeben werden. Hier wird der Finanzminister sehr viel zu tun haben.

Hierzu hatte Schäuble gleich beim ersten Gespräch mit Yanis Varoufakis Hilfe aus Deutschland angeboten. Werden Sie die annehmen?
Ich erinnere mich an eine Äußerung von ver.di vor fünf Jahren, als diese Frage anstand. Damals hatten die in ver.di organisierten Steuerbeamten gesagt, dass das Problem nicht darin besteht, dass unsere griechischen Kolleginnen und Kollegen nicht wissen was und wie getan werden muss, sondern dass der politische Wille fehlt. Wenn es also um technische Hilfe geht, würden wir sehr gerne auf die Erfahrungen anderer Länder zurückgreifen und auch Experten dazuziehen.

Zurück zu den Kreditprogrammen: Wird es ein drittes Programm geben, wenn das aktuelle Ende Juni ausläuft?
Es wird ein Abkommen zwischen Griechenland und seinen Partnern geben. Wir planen, dass dieses Abkommen einen griechischen und einen linken Stempel trägt. Das wird nicht leicht, weil die Verhältnisse in Europa eben nicht so sind, wie wir möchten. Aber ich nehme an, dass, wenn wir die Fortschritte machen, die wir machen wollen, es sehr schwer sein wird, dagegen anzugehen.

Was heißt »griechischer und linker Stempel«?
Wir möchten zeigen, dass Griechenlands Wirtschaft ohne Lohndruck und ohne Abstriche in den Sozialleistungen wachsen kann. Und zwar in bestimmten Bereichen und mit einer Veränderung der Wirtschaft in ökologischer Hinsicht. Dabei wird auch der Bankensektor eine große Rolle spielen. Wir gehen hier sehr vorsichtig vor, weil es natürlich internationale Widerstände gibt, wenn der Staat die Kontrolle der Banken übernimmt. Aber wir machen das.

Was heißt das mit Blick auf die Staatsschulden?
Die Schulden können nicht bedient werden. Deshalb fordern wir als ersten Schritt eine Erleichterung der Schuldenlast. Dazu kann man verschiedene Methoden anwenden. Wir glauben aber auch, dass es langfristig gesehen keine andere Möglichkeit gibt als eine Europäische Schuldenkonferenz, die die Gesamtfrage der Schulden in Europa anpackt. Darüber hinaus muss in Europa endlich mehr Geld ausgegeben werden, vor allen Dingen in Deutschland. Wenn Deutschland seine öffentlichen Ausgaben erhört, für Sozialleistungen oder Infrastrukturprogramme, hilft das auch den schwächeren europäischen Ländern. Dass diese Diskussion in Europa nun begonnen hat, ist für uns ein Lichtblick.

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