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Ramelow: »Jetzt muss ich lernen«

Ein Gespräch mit Thüringens Ministerpräsident über 100 Tage Rot-Rot-Grün - und warum das kein Testlauf für die Bundesebene ist

  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschlands erste rot-rot-grüne Landesregierung versteht sich nach Einschätzung von Ministerpräsident Bodo Ramelow nicht als Blaupause für andere Bundesländer oder den Bund. Bodo Ramelow (59) ist der erste Politiker der Linkspartei an der Spitze einer Landesregierung. Geboren wurde Ramelow in Niedersachsen, seine Jugend und ersten Arbeitsjahre verbrachte er in Hessen. Nach dem Mauerfall kam er als Gewerkschafter nach Thüringen. Ramelow wohnt in Erfurt, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Mit ihm sprach Simone Rothe.

Sie stehen als Linker an der Spitze der ersten rot-rot-grünen Landesregierung in Deutschland. Was macht sie anders als andere Koalitionen?

Das klassische deutsche Koalitionsmodell kennt einen starken großen und einen kleinen Partner, der in der Regel nicht so viel zu melden hat. Was wir ausprobieren, ist etwas anderes: Wir verstehen uns als gleichberechtigte Partner, egal wie groß eine Partei in dieser Koalition ist. Ich bin grün, wenn es um ein grünes Thema geht und rot, wenn es um ein rotes Thema geht. Aber am Ende bin ich immer Rot-Rot-Grün und der Chef einer Mitte-Links-Regierung. Und im linken Teil der Regierung bin ich der, der am meisten mittig ist.

Also kein Parteisoldat in der Staatskanzlei, der die Linke als Regierungspartei salonfähig machen will?

Nach fast 100 Tagen im Amt ist klar, ich bin der Repräsentant dieses Landes. Das habe ich von Anfang an so angekündigt. Meine Partei hat das gewollt. Deshalb gibt es da auch keine Enttäuschung. Ich kann und will die Staatskanzlei nicht nur für einen Teil der Wähler nutzen. Deshalb wundere ich mich, dass sich Leute darüber wundern, dass ein Linker die Queen nach Gotha einlädt. Gotha hat mich um Unterstützung gebeten. Ich habe auch das niederländische Königspaar nach Thüringen eingeladen. Wir würden uns freuen, wenn mehr Niederländer über das Sauerland weiterfahren in den Thüringer Wald und bei uns Urlaub machen.

Für manche, vor allem in Westdeutschland, ist das Thüringer Regierungsmodell eine Art Tabubruch. Ist es der Testlauf für andere Bundesländer und letztlich den Bund?

Es ist der Testlauf für gar nichts. Außer dafür, die Alltagstauglichkeit dieser Dreierkonstellation in Thüringen zu beweisen. Ja, dazu gehört auch zu zeigen, dass ein Linker eine Regierung führen kann. Das ist im Paket drin. Das Modell ist in Thüringen über viele Jahre faktisch vorbereitet worden. Die drei Parteien haben sich in bestimmten Fragen nicht auseinanderdividieren lassen. Das galt selbst, als die SPD in der vergangenen Legislaturperiode mit der CDU regiert hat.

Die Opposition wirft Rot-Rot-Grün Regierungsverweigerung vor. Viele Menschen in Thüringen empfanden den Start als eher untertourig.

Das höre ich. Aber es gibt Dinge, die jenseits der Öffentlichkeit stattfinden, beispielsweise Gespräche mit fast einem Dutzend Investoren. Wir haben gemeinsam heikle Fragen angepackt wie den umstrittenen Verlauf von Stromtrassen oder den Winterabschiebestopp für Flüchtlinge. Und viele der Dinge, die wir angekündigt haben, sind auf dem Weg: das Kommunalpaket oder der Einstieg in ein beitragsfreies Kita-Jahr. Dass die Vorlagen dafür von den drei Fraktionen kamen, ist keine Regierungsverweigerung. Daran sieht man das Neue an der Thüringer Politik. Alle Parteien sind immer dafür, dem Parlament mehr Rechte einzuräumen. Rot-Rot-Grün macht es. Ich habe Freude daran, wie es sich entwickelt hat.

Ist Regieren anstrengender als Opposition?

Als Oppositionsführer im Landtag war ich der Treibende. Jetzt muss ich lernen, mit einem Regierungsapparat die Themen zu bearbeiten. Aber das geht nicht so schnell, wie ich mir das früher gewünscht habe. Einige Prozesse haben wir aber schon beschleunigt. dpa/nd

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