Blut und Bildung

Politik und Gaming-Branche streiten über den Deutschen Computerspielpreis

  • Jan Bojaryn
  • Lesedauer: 1 Min.
Am 21. April wird in Berlin der Deutsche Computerspielpreis verliehen. Er ist der wichtigste Branchenpreis Deutschlands. Doch zwischen blutigen Egoshootern und niedlichen Adventuren bleibt er kontrovers.

320 Spiele bewerben sich um den Deutschen Computerspielpreis (DCP). Gewinnen werden viele; in 13 bis 14 Kategorien werden Spielemacher ausgezeichnet. Eine Jury aus Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten verteilt insgesamt 385.000 Euro an Preisgeldern. Einen Teil davon zahlt die Gaming-Branche selbst; ein erheblicher Teil kommt aber aus der Staatskasse.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sieht den Preis als wichtiges Förderinstrument. Dorothee Bär (CSU) vom BMVI gesteht dem Preis einen wichtigen PR-Effekt zu. Er zeige »eindrucksvoll die Leistungskraft der deutschen Games-Branche.« Und er solle helfen, »einen noch größeren Teil der Wertschöpfung« im Land zu halten. Ein Generationswechsel macht diese neue Spielefreundlichkeit auch für CSU-Politikerinnen möglich.

Videospiele gehen den langen Weg zur gesellschaftlichen Anerkennung, wie jedes populäre Medium zuvor auch. Der DCP markiert einige Stationen auf diesem Weg. Als er 2009 gegründet wurde, warnten Teile der CSU noch vor »Tötungstrainingssoftware«. Auch abseits der Gewalt- und Gefährdungsdebatten stand der DCP immer wieder im Zentrum von Kontroversen.

Im letzten Jahr fand der Streit einen neuen Höhepunkt. Zwei Jurymitglieder von der PC-Spiele-Zeitschrift Gamestar schmissen kurz vor der Preisverleihung hin, und überschrieben ihren Abschied rotzig mit der Aufforderung: »Werd erwachsen, Deutscher Computerspielpreis«.

Auslöser für den Eklat war mal wieder der Umgang mit gewalthaltigen Spielen: Wenn ein Spiel mit Altersfreigabe ab 18 eigentlich einen Preis gewinnen würde, sollte eine kleine Jury-Minderheit das per Veto verhindern können. Das betreffende Spiel bekäme dann einen alternativen „Jury Award". Dieser Preis sollte nur von der Spielebranche finanziert werden.

Als die neue Sonderregel letztes Jahr bekannt wurde, ärgerten sich nicht nur die Gamestar-Redakteure. Zu offensichtlich war das Unbehagen, mit dem angebliche Unterstützer dem neuen Medium gegenüberstanden. Auch die Einforderung „pädagogisch-didaktischer" Qualitäten blieb ein Zankapfel. Warum muss Kunst immer pädagogisch sein? Waren Computerspiele in den Köpfen mancher Organisatoren immer noch Kinderkram?

2015 hat sich einiges geändert. „Die Ausrichter haben sich die Kritik am DCP und auch den Austritt der beiden Juroren zu Herzen genommen.", stellt Benjamin Rostalski vom DCP fest. Tatsächlich kann man die diesjährigen Änderungen als Antwort auf viele Kritikpunkte lesen: Die Förderungssummen sind zu niedrig für Spieleentwicklung? Sie steigen, in diesem Jahr von 250.000 auf 385.000 Euro. Der Fokus auf nationale Studios wird der international agierenden Spielebranche nicht gerecht? Drei internationale Kategorien sind neu. Vor allem scheint der Spuk um Spiele ab 18 vorerst vorbei zu sein. Pädagogische Qualitäten stehen nur noch optional neben anderen Kriterien wie dem künstlerischen Wert oder technischem Können.

Ist der DCP damit nun endlich ernst zu nehmen? Hängt davon ab, wen man fragt. Denn für viele Menschen ist der DCP schon seit Anfangstagen wichtig. Allen voran für kleine Spieleentwickler. Entgegen dem Klischee sind ihre Titel nur selten gewalttätig und oft pädagogisch wertvoll.

Christian Niemand etwa wurde mit seinem Black Pants Studio für das Geschicklichkeitsspiel „Tiny & Big: Grandpa’s Leftovers" gleich zweimal ausgezeichnet. Die Preisgelder waren für sein Studio wichtig. „Ohne den Gewinn wäre die Fertigstellung von Tiny & Big noch schwieriger gewesen und neue Produktionen wären vermutlich kaum in Gang gekommen.", erklärt er. Auch bei weiteren Förderanträgen und der Partnersuche helfe der DCP-Gewinn. Große Produktionen sieht er gar nicht im Fokus der Auszeichnung. „Man sollte bedenken, dass der DCP ein Förderpreis ist." Und die Förderung haben große Studios nicht unbedingt nötig. Sie machen Spiele, die auf ein großes Publikum zielen, die von allein viel Geld verdienen sollen. „Bei Kunst, Kultur und Spielen für Kinder fällt die Zielgruppe deutlich kleiner aus, als bei Mainstream-Produktionen.", gibt Christian Niemand zu bedenken. Für solche Spiele gebe es „kaum eine Chance auf finanziellen Erfolg."

Wie wichtig der DCP für kleine Studios ist, kann auch Felix Möckel bezeugen. Der Mitgründer des Ministudios Golden Tricycle gewann 2014 mit dem Puzzlespiel „CLARC". Er und sein Kollege erlebten die Auszeichnung als „eine Art kleinen Ritterschlag". Die gelernten Architekten kamen als Quereinsteiger in die Spielebranche. „Da war die Auszeichnung eine wichtige Bestätigung. Auch die geknüpften Kontakte haben uns weitergeholfen."

Der DCP mag also den verkrampften deutschen Umgang mit Computerspielen spiegeln. Für kleine Studios und für Entwickler anspruchsvoller, unkommerzieller Spiele ist er bedeutend – unabhängig davon, ob ein Egoshooter oder ein Grafikadventure den Hauptpreis holt. Und hitzige Kontroversen, stellt Benjamin Rostalski vom DCP klar, müssten vermutlich einfach sein: „Wenn es Streit gibt, ist das doch eigentlich nur Beweis für die Relevanz des Preises."

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