Völkerrechtler kritisiert Schlussstrich-Politik
Fischer-Lescano nennt Haltung Berlins in der Reparationsfrage »beschämend« / Griechenland könne vor Internationalen Gerichtshof ziehen
Berlin. Der Völkerrechtler Andreas Fischer-Lescano hält Forderungen Griechenlands aus der NS-Zeit für berechtigt und hat der Bundesregierung eine »beschämende« Haltung vorgeworfen. »Da wird mit unerbitterlicher Härte eine Schlussstrich-Politik verfolgt, weil ein Präzedenzfall befürchtet wird«, sagte der an der Uni Bremen lehrende Professor der Deutschen Presse-Agentur. So gehe es bei der Zwangsanleihe von 1942 für das damals von den Nationalsozialisten besetzte Land um einen völkerrechtlichen Rückzahlungsanspruch. »Notfalls kann die griechische Regierung in dieser Frage vor den Internationalen Gerichtshof ziehen.« Auch sei das Thema der Reparationen nie abschließend geklärt worden.
Athen pocht seit Jahrzehnten auf eine Klärung, es gab nur 1960 ein Abkommen, das die Zahlung von 115 Millionen D-Mark vorsah. »Die Ungleichheit in der Entschädigungsfrage ist frappierend.« Es könne nicht sein, dass von der Bundesrepublik als Nachfolgerin des Täterstaates bestimmte Staaten ausgeschlossen würden. »Das muss nicht auf eine milliardenschwere individuelle Vollentschädigung hinauslaufen, aber eine Geste beispielsweise durch Einrichtung eines Fonds ist wichtig«, betonte der dem linken Spektrum zuzuordnende Fischer-Lescano. Die Bundesregierung argumentiere, durch den 2+4-Vertrag von 1990 zur deutschen Einheit seien alle Reparationsfragen erledigt.
Griechenland sei aber nicht Vertragspartner gewesen und habe auch danach einem Verzicht nie zugestimmt. »Die Argumentation der Bundesregierung ist rechtlich untragbar.« Die Ansprüche seien nicht verwirkt. »Griechenland hat seit 1990 immer wieder und am deutlichsten in einer Verbalnote 1995 auf diesen Ansprüchen bestanden und Gespräche eingefordert«, so Fischer-Lescano. dpa/nd
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.