++Newsblog: Israels Rechte verhandelt über Koalition++

23.03.15, 15:45: 67 Abgeordnete in Sondierungsgesprächen für Netanjahu

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23.03.15, 15:45 MEZ / 16:45 IST: 67 Abgeordnete sprechen sich für Netanjahu aus

Die Sondierungsgespräche zwischen den Vertretern der zukünftigen Knesseth-Fraktionen und Präsident Re'uven Rivlin sind nun abgeschlossen: Auch Mosche Kahlon und Avigdor Liebermann haben empfohlen Benjamin Netanjahu mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Das wird wohl voraussichtlich am Mittwoch offiziell geschehen, denn dann wird Salim Joubran, Richter, und Vorsitzender der Wahlkommission im Präsidentenpalast erwartet, um Rivlin die offiziellen Wahlergebnisse zu präsentieren.

Wenn man sich manche Medienberichte durch liest, dann sieht es so aus, als sei mit den Empfehlungen auch die Rechts-Religiös-Regierung bereits beschlossene Sache. Dem ist aber nicht so: 2013 folgte auf den Regierungsbildungsauftrag ein Wochen langes Tauziehen, bei dem bis zur wirklich allerletzten Minute nicht klar war, wie die Regierung am Ende aussehen würde.

Bei Kulanu sagt man, die Entscheidung sei ausgesprochen schwer gewesen: Die Angebote der Zionistischen Union seien im Grunde alles gewesen, was man sich gewünscht habe. Und dennoch sei es nicht möglich gewesen, anzunehmen: Der Effekt eines solchen Schrittes auf die Wähler sei derzeit nicht kalkulierbar. Denn das Vertrauen in Meinungsumfragen ist seit dem Wahlkampf, der Wahlnacht komplett zerstört. Zwar glauben die Umfrageinstitute zu wissen, wen den Kulanu-Wähler sich als Premier wünschen, nämlich Herzog - aber man glaubt ihnen nicht mehr.

Die Gespräche beim Präsidenten haben aber auch gezeigt, wie beschränkt der Bewegungsspielraum Netanjahus ist: Jesch Atid, die Zentristen, hat eine Koalition unter seiner Führung kategorisch ausgeschlossen, ebenso wie die Zionistische Union, Meretz und die Arabische Liste. 53 Mandate stehen Netanjahu damit keinesfalls zur Verfügung. Er ist ausschließlich auf die folgenden Parteien beschränkt:

Likud 30
Kulanu 10
Jüdisches Heim 8
Schas 7
UTJ 6
Jisrael Beitenu 6
Gesamt 67

Verzichten könnte er, rein theoretisch, auf:

  • UTJ

oder

  • Jisrael Beitenu

da ihm in diesem Fall immer noch 61 Mandate verbleiben. Aber: Erfahrungsgemäß ist diese Mehrheit zu gering, um das Tagesgeschäft am Laufen zu halten. Zwar ist nur in den allerallerwenigsten Fällen im Parlament tatsächlich eine Mehrheit von mindestens 61 Stimmen erforderlich, wobei Misstrauensvoten und Anträge auf Selbstauflösung des Parlaments die gängigsten Varianten sind: In der Knesseth werden gerne und oft vor allem Anträge auf Misstrauensvotum eingebracht, und es würden dementsprechend nur zwei Abweichler benötigt, um einen solchen Antrag durch zu bringen. Und seit Jahrzehnten hat es keine Regierung mehr gegeben, die nicht mindestens drei Abgeordnete hatten, die sich gegen die Regierung wenden. Meist tut man das, um den eigenen Parteispitzen zu zeigen, dass man sauer ist - vielleicht hat der Betreffende nicht den Posten erhalten, den er sich gewünscht. Oft sind es auch grundsätzliche politische Differenzen, die dazu führen. Vor allem innerhalb des Likud gibt es sehr starke Differenzen: Es gibt jene, denen Netanjahu nicht rechts genug ist, und es gibt jene, die mit seinem Wirtschaftskurs nicht einverstanden sind. Da in der nächsten Regierung dem Likud Wirtschafts- und Finanzfragen komplett aus der Hand genommen sein dürften, wenn Schas und Kulanu darin vertreten sind, ist damit zu rechnen, dass der parteiinterne Dissenz im Likud sehr groß sein wird.

Sehr viel problematischer ist eine solch enge Mehrheit in Israel im allgemeinen parlamentarischen Geschäft. Denn in diesen Fällen ist nur eine einfache Mehrheit erforderlich, und es ist ausgesprochen schwer, bei solch engen Mehrheitsverhältnissen dafür zu sorgen, dass immer mehr Koalitionsabgeordnete vor Ort sind, als Parlamentarier der Opposition: Man müsste ständig jemanden dazu abstellen, zu jedem gegebenem Zeitüunkt während der Sitzungen die Zahl der anwesenden Oppositionsabgeordneten zu erheben, und dann auch noch rechtzeitig zu Abstimmungsbeginn ausreichend viele eigene Vertreter in den Saal zu bringen.

Wer jemals das Tagesgeschäft in der Knesseth verfolgt hat, weiß, dass Flöhe hüten leichter ist.

Aber wie man an den einzelnen Fraktionsstärken sieht, ist zwar ohne UTJ oder Jisrael Beitenu die beschriebene enge Mehrheit möglich, aber springt auch nur eine der anderen Parteien ab, fehlt die Mehrheit.

Rivlin hatte im Laufe der vergangenen Tage offen versucht, zumindest Jesch Atid dazu zu bewegen, in die Koalition einzutreten. Denn Rivlin sorgt sich, das sagte er am Montag erneut öffentlich, sehr um die internationalen Auswirkungen, sollte Rechts-Religiös Realität werden.

Denn schon jetzt geht das Weiße Haus in bisher nie dagewesener Offenheit und Schärfe gegen Netanjahu an; man sei »verwirrt« über seine widersprüchlichen Aussagen zur Zwei-Staaten-Lösung, hieß es am Wochenende.

Doch Jesch Atid will nicht zum Feigenblatt werden, das einzige, was man sich vorstellen könnte, auch wenn diese Variante wirklich abwegig ist, wäre, dass der Likud mit der Zionistischen Union und Jesch Atid koaliert. Links-Mitte könnte damit schon im Kabinett alles in die Schublade befördern, was aus dem Büro Netanjahus kommt. Denn das Prozedere ist so: Bevor eine Regierungsvorlage im Parlament zur Abstimmung kommt, wird darüber im Kabinett abgestimmt. Bei 35 gegen 30 Abgeordnete hätte Mitte-Links mindestens ein Kabinettsmitglied mehr.

Aber wie gesagt: Beide, aber vor allem die Zionistische Union, schließen das aus. Bei der ZU, so heißt es, stehe man bereit, falls Netanjahu scheitern sollte, und verweist darauf, dass sowohl Kulanu als auch Schas und UTJ sozial- und wirtschaftspolitisch recht nah bei ZU und Meretz liegen.

22.03.15, 16:00 MEZ / 17:00 IST: UTJ spricht sich für Netanjahu aus

Und nun sieht auch die Vertreter des Vereinten Torah-Judaismus' (UTJ) wieder gegangen, und haben eine Empfehlung für Netanjahu zurück gelassen. Damit haben sich die Vertreter von 51 der 120 zukünftigen Abgeordneten für Netanjahu ausgesprochen, und es hängt nun alles an Avigdor Liebermann, aber vor allem an Mosche Kahlon, die morgen beim Präsidenten sein werden - vorausgesetzt, Rivlin hat überhaupt vor, sich an die Empfehlungen zu halten. Muss er ja nicht. Würde nur für großes Erstaunen sorgen. Aber: Die Einschränkungen, die vor allem Schas da gelassen hat, hat er sicherlich auch gehört, und er dürfte sich die Frage stellen, wie viel eine solche Empfehlung wert ist. Voraus gesetzt, Jair Lapids Jesch Atid macht keinen Rückzieher von der vor der Wahl gegebenen Zusage. nicht wieder in eine Netanjahu-geführte Regierung eintreten zu wollen, birgt die Bildung einer Regierung auf einer solch schmalen Basis ein großes Risiko: Scheitern die Verhandlungen mit nur einer Partei, und findet sich keine Partei links oder in der Mitte bereit einzuspringen, dann geht der Regierungsbildungsauftrag an jemanden anderen, der dann wahrscheinlich Jitzhak Herzog heißen würde. Es gibt eine große Zahl von Menschen, vom Weißen Haus in Washington bis hin zum Zeitschriftenhändler ums Eck, die sich wünschen, dass dieses Szenario eintritt. Bibi IV sei jetzt schon die unbeliebteste Regierung seit Mosche Scharett in den 60ern, hat gerade ein Radio-Kommentator fest gestellt.

22.03.15, 15:45 MEZ / 16:45 IST: Schas empfiehlt Netanjahu

Das Treffen der ultraorthodoxen Schas mit Präsident Re'uven Rivlin ist nun vorbei. Die Vertreter der Partei haben Netanjahu für den Regierungsbildungsauftrag empfohlen, und dabei allerdings auch sehr deutlich gemacht, dass die Hürden hoch liegen: Nur wenn alle Bedingungen erfüllt werden, werde man in eine Koalition eintreten. Will heißen: Man will einige sehr hochprofilige Ministerposten haben, außerdem die Wehrpflicht für Ultraorthodoxe wieder abschaffen und die Umsetzung eines sozio-ökonomischen Reformpaketes erreichen, dass dem ultraorthodoxen Bevölkerungsanteil umfassende Sozialleistungen zugestehen würde. Sollte Netanjahu dazu ja sagen, wird es spannend, zu sehen, wie Mosche Kahlon darauf reagiert, denn er hat ja die Umsetzung seines eigenen Reformpaketes zur Bedingung gemacht, und würde dadurch in den Handlungsspielräumen begrenzt.

Im Likud regt sich derweil weiterhin Unmut: Die potentiellen Partner benähmen sich, als hätten sie die 30 Sitze abgeräumt; sämtliche Schlüsselressorts müssten in der Hand der eigenen Partei bleiben. Vor allem die Verteidigungs- und Außenministerien will man keinesfalls abgeben. Was wiederum das nächste Problem darstellen wird: Avigdor Liebermann, sollte er sich für Netanjahu aussprechen, will eines der beiden Ministerien für sich selbst.

Natürlich haben sich auch einzelnen Parteien die Karten angeschaut, und dabei gesehen, dass Netanjahus 30 Mandate eben 31 Mandate von der Mehrheit entfernt sind, und der Likud jeden einzelnen der Partner braucht. Ich habe es wahrscheinlich schon mehrmals geschrieben, aber: Irgendwer muss Kompromisse machen, wenn es zur Regierungsbildung kommen soll, und dabei stellt sich die Frage, ob die kleinen Parteien in Kauf nehmen wollen, dass sie bei den nächsten Wahlen erneut abgestraft werden.

22.03.15, 15:30 MEZ / 16:30 IST: Die Mehrheitsverhältnisse seit 1948

Sie finden in diesem Block nun auch eine Grafik, in der ich die Mehrheitsverhältnisse seit 1948 dar gestellt habe. Ich möchte gerne dazu anmerken, dass dies keine exakte Wissenschaft ist: Oft, sehr oft sogar, ist kaum nachvollziehbar, in welchem Teil des Spektrums eine Partei verortet war: So hatte Mosche Dayan, einst bei den Vorgängern der Arbeitspartei, Ende der 70er Jahre seine eigene Partei gegründet, genauso wie Ariel Scharon, der zuvor zwischen Sozialdemokraten und Likud hin und her gehüpft ist. Und dann gab es Parteien wie die Nationalreligiösen, den Vorläufern der heutigen Jüdisches Heim, die zwar nicht links waren, aber bis Mitte der 70er fest zum linken Lager zählten. Ich habe mir in solchen Fällen angeschaut, wo die Koalitionspräferenzen lagen, und solche Parteien dem entsprechenden Lager zugeordnet.

Man sieht an der Grafik sehr deutlich, wie in den 50er Jahren ein extrem starkes Lager aus Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten, einem kleineren Lager aus Zentrum, Religiösen und Rechten gegenüber steht, und kann, wenn man sich durch die 60er in die 70er vorarbeitet, sehen, wie das Zentrum langsam mit der Rechten verschmilzt, was dann 1973 zur Gründung des Likud führte und 1977 sieht man dann das politische Beben: Die Wähler wechselten nach einer langen Serie aus Skandalen und sozialen Protesten in Scharen zu konservativen und rechten Parteien. Gleichzeitig war die Nationalreligiöse Partei 1976 vom Koalitionspartner der Linken, zum Partner des Likud geworden. Der Grund dafür war recht banal: Von den USA wurden Kampfflugzeuge an Israel geliefert, die aber ausgerechnet an einem Samstag, dem jüdischen Ruhetag, im Land eintrafen. Entgegen der Forderung der NrP erlaubte Premierminister Jitzhak Rabin den Piloten die Landung vor Sonnenuntergang - das Tischtuch war damit zerschnitten.

Allerdings: Der Bruch hatte sich bereits lange davor angebahnt, denn die Zeiten hatten sich mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und der Besetzung des Westjordanlands, Ost-Jerusalems, der Golan-Höhen und des Gazastreifen gewandelt. Diese neue Realität katalysierte maßgeblich die Entwicklung der Rechten vom Rande des politischen Spektrums in die politische Mitte: Die Linke stritt heftigst darüber, was man denn nun mit den besetzten Gebieten anfangen solle, währen sich die Rechte zusammen mit dem Zentrum nach dem Jom-Kippur-Krieg als Hüter des Status Quo darstellte: Man hatte zwei Kriege mit einem niederschwelligen Konflikt dazwischen ausfechten müssen, und großen Teilen der Öffentlichkeit erschien die Besatzung als »Sicherheitspuffer« als eine gute Idee.

Doch nicht nur der Likud wurde damit groß. Die NrP, die zuvor eher auf das Verhältnis von Staat und Religion fokussiert war, begann, die besetzten Gebiete aus religiösen Gründen als Teil Israels zu definieren: Die ersten Siedlungen wurden von der Linken aus strategischen Gründen gebaut; in der NrP hingegen wurde die Besiedlung der Gebiete als nationale und religiöse Pflicht begriffen; die Siedlerbewegung wurde in ihren Reihen geboren; aus der Nationalreligiösen Partei wurde die eigentliche rechte Kraft in Israel, während der Likud über lange Zeit hinweg eher als konservative Partei verstanden wurde.

Interessant dabei ist, dass das Zentrum, das einst in den Likud gesaugt wurde, sich beginnend mit dem Ende der 90er Jahre von dort wieder loslöste, teils bei der Linken andockte, sich von dort wieder löste, bis dann mit Ariel Scharons Kadima 2006 die erste wirklich starke zentristische Kraft entstand: Ein Sammelbecken aus Politikern von Arbeitspartei und Likud, die in der Mitte zusammen kamen - eine Art große Koalition als Partei.

Kurz- und mittelfristige politische Entwicklungen und Ereignisse spielen dabei natürlich eine große Rolle. Doch auch die Wähler und deren Ansichten haben sich seit 1948 stark verändert: Israel hat seit der Staatsgründung einen extremen Bevölkerungszuwachs erlebt, und anders als in anderen Ländern handelt es sich dabei nicht um ein natürliches Wachstum, sondern Erwachsene, die aus allen Teilen der Welt einwandern, zu israelischen Wählern werden, und dabei natürlich ihre eigenen Ansichten mitbringen.

So waren es auch nicht allein die Entwicklungen der 60er und 70er, die den Likud entstehen ließen, und die NrP zur rechten Kraft machten: Auch die Einwanderung von Juden aus arabischen Ländern veränderte das Land. In den 50er Jahren lebten in Israel sehr viele Juden, die aus Ost-Europa stammten, und dort unter dem Einfluss der sozialistischen Idee groß geworden waren - dies erklärte auch, warum linke Parteien damals so stark waren: Man spielte, man bastelte an alternativen Konzepten für den Staat. Die aus arabischen Ländern einwandernden Menschen hingegen waren überwiegend religiös und konservativ, und fühlten sich zudem vom politischen Establishment diskriminiert.

Eine ähnliche Entwicklung war übrigens auch in den 90er Jahren zu beobachten: Mit der Einwanderungswelle aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion veränderte sich die politische Landkarte nachhaltig. Es entstanden Parteien, die sich erklärtermaßen für diese Einwanderer einsetzten, und sehr konservativ, oft auch rechts waren und sind: Liebermanns Jisrael Beitenu ist eine solcher Parteien. Andere Gruppierungen sind mittlerweile im Likud aufgegangen, und es ist absehbar, dass dies auch, über kurz oder lang, mit Jisrael Beitenu geschehen wird.

22.03.15, 14:30 MEZ / 15:30 IST: Präsident trifft sich mit Partei-Sitzen

In Jerusalem haben heute morgen die Treffen von Präsident Re'uven Rivlin und den Spitzen der im Parlament vertretenen Parteien begonnen Der Likud, die Zionistische Union, und die Arabische Liste waren schon da; gerade ist Naftali Bennett, Chef von Jüdisches Heim drin. Gleich kommen noch die beiden ultraorthodoxen Parteien Schas und UTJ. Morgen sind dann Jesch Atid, Kulanu, Jisrael Beitenu und Meretz an der Reihe.

Wie ich bereits vor einigen Tagen erwähnt hatte, werden die einzelnen Vertreter im Verlauf der Gespräche auch eine Empfehlung darüber abgeben, welcher Politiker vom Präsidenten mit der Regierungsbildung beauftrag werden sollte. Bislang steht es so:

  • Likud: Benjamin Netanjahu
  • Zionistische Union: Jitzhak Herzog
  • Arabische Liste: Jitzhak Herzog
  • Jüdisches Heim: Benjamin Netanjahu

Die israelischen Medien gehen allgemein davon aus, dass der Regierungsbildungsauftrag am Ende an Netanjahu gehen wird. Ich persönlich bin mir da noch nicht so sicher: Immerhin ist noch unbekannt, wie sich die beiden ultraorthodoxen Parteien und Kulanu entscheiden werden; von dort kamen bis zur letzten Minute nur Andeutungen.

Und vor allem Rivlin verbirgt kaum, dass er sich sehnlichst wünscht, dass wenigstens einer der drei irgend jemanden anderen vorschlägt: Der Präsident kritisierte Netanjahu und den Likud offen für die Art und Weise, mit der man Wahlkampf geführt hatte. Vor allem die Aussage am Wahltag, die Araber würden in Scharen in die Wahllokale stürzen, um Netanjahu zu stürzen, wurde am Sonntag mehrmals deutlich angesprochen. Damit habe der Likud einen Keil zwischen Araber und Juden in Israel treiben wollen, den Arabern das Recht zu wählen abgesprochen. Doch beim Likud gibt man zurück, so sei das gar nicht gemeint gewesen: Man habe eher davor warnen wollen, dass die arabischen Wähler drauf und dran sind, eine Liste zu wählen, die sich jeder Koalition und Zusammenarbeit verweigert. Damit werde der Regierungsbildungsprozess erschwert und das Tagesgeschäft behindert. Bei der Arabischen Liste verweist man darauf, dass man sich nicht grundsätzlich der Unterstützung für eine Regierung verweigere, wenn die Parameter stimmen, und außerdem in den vergangenen Jahren auch, von Zeit zu Zeit sogar mit Vertretern des Likud, erfolgreiche Gesetzesinitiativen eingebracht habe.

Rivlin tut sich aber auch ganz offensichtlich mit dem Prozedere, so wie es momentan ist, schwer: Er halte es für problematisch, dass in der Öffentlichkeit davon ausgegangen werde, dass der Chef der stärksten Fraktion im Parlament mit der Regierungsbildung beauftragt werde. Tatsächlich heiße es im Gesetz, dass der Präsident dem Politiker mit den besten Aussichten auf eine erfolgreiche Koalitionsbildung den Auftrag erteile.

Es ist eine Aussage, die sich nahtlos an frühere Äußerungen Rivlins anfügt: Er hat schon in der Vergangenenheit kritisiert, wer nach einer Wahl die Regierung bilde, sei aus Wählersicht eher ein Glücksspiel. Denn die meisten der kleineren Parteien sagen eben vor der Wahl nicht, wen sie für das Amt des Regierungschefs empfehlen. So kam es nach der Wahl im Januar 2013, dass die Wähler von Jesch Atid, die überwiegend aus dem Mitte-Links-Spektrum stammten, die Partei, die sie gewählt hatten, in einer Koalition mit dem Likud und Jüdisches Heim wieder fanden.

Eine definitive Unterstützung für Netanjahu hatte nur Jüdisches Heim vor der Wahl bekannt gegeben. Bei Jisrael Beitenu hingegen konnte man beispielsweise nicht davon ausgehen, dass Parteichef Avigdor Liebermann sich bedingungslos hinter Netanjahu stellen werden würde, denn Liebermann und Netanjahu hatten im vergangenen Sommer während des Gazakrieges einen öffentlichen Streit ausgetragen; darüber war auch das Wahlbündnis von Likud und Jisrael Beitenu zu Bruch gegangen.

Man kann also nicht sagen, dass »die Wähler« gesprochen haben: 30,14 Prozent der gültigen Stimmen entfielen auf eine Partei, die sich für Netanjahu als Regierungschef ausgesprochen hatte. Zum Vergleich: 31,41 Prozent haben für eine Partei gestimmt, die vor der Wahl Herzog favorisiert hatte. In Sitzen ausgedrückt steht es dabei 40 (ZU) zu 38 (Likud). Es herrscht also in diesem Punkt nahezu Gleichstand.

In diesen Tagen wird übrigens immer mal wieder auch laut darüber nachgedacht, den Regierungschef wieder direkt wählen zu lassen, um den Parlamentswahlen den Anschein einer Personenwahl zu nehmen: Zuletzt standen bei solchen Wahlen eher einzelne Köpfe, und nicht die Konzepte im Vordergrund.

Nur: 1996, 1999 und 2001 wurden, in dieser Reihenfolge, Benjamin Netanjahu, Ehud Barak und Ariel Scharon direkt gewählt, und in Verbindung mit dem Wahlsystem fürs Parlament hatte das überhaupt nicht funktioniert. Vor allem der Sozialdemokrat Barak war mit einem Parlament konfrontiert, in dem nur mit ausgesprochener Mühe eine Koalition zusammen zu stellen war. Und ohne parlamentarische Mehrheit war für die direkt gewählten Regierungschefs kein Gestaltungsspielraum mehr vorhanden: Die Macht des Premierministers, selbständig zu entscheiden, ist ausgesprochen begrenzt, und beschränkt sich weitgehend auf Fragen der inneren und äußeren Sicherheit; alles andere ist an eine Bestätigung durch das Parlament gebunden.

20.03.15, 16:30 MEZ / 17:30 IST: Palästinenser planen Aufkündigung von Sicherheits- und Wirtschaftsabkommen

Ich bin hier bisher nur am Rande auf die Reaktionen aus Palästina eingegangen. Einer der Gründe dafür war, dass es bisher neben den üblichen Aussagen, die in solchen Situationen eher Automatismen sind, wenig Gehaltvolles gab. Mittlerweile zeichnen sich aber auch konkrete Entwicklungen ab, die den weiteren Verlauf des israelisch-palästinensischen Konfliktes nachhaltig verändern könnten.

Bereits am 5. März hatte der Exekutivausschuss der Palästinensischen Befreiungsorganisation den Grundsatzbeschluss gefasst, die Zusammenarbeit mit Israel in Sicherheitsfragen einzustellen; umgesetzt wurde das aber nicht. Der Exekutivausschuss ist das leitende Gremium der PLO. Gestern, nachdem die Wahlergebnisse, und die Richtung, in die Israel Politik gehen wird, deutlicher erkennbar geworden waren, wurde dann im Exekutivausschuss beschlossen, den Politikausschuss mit den Planungen für den palästinensischen Ausstieg aus der Sicherheitskooperation vorzubereiten. Außerdem sollen die Pariser Verträge auf den Prüfstand gestellt werden. in diesen Abkommen wurde nach der Schaffung der Palästinensischen Autonomiegebiete das Miteinander der Wirtschaften Israels und Palästinas fest gelegt. Wichtigster Punkt: Die Verteilung von Zoll- und Steuereinnahmen, die über Israel eingeführt, oder in Israel produziert werden, aber für Palästina in den Grenzen der palästinensischen Autonomiegebiete bestimmt sind. Der Umsatzsteuereinnahmen auf Produkte, die aus Palästina nach Israel ausgeführt werden, sind hingegen gering.

Dass dieses Abkommen nicht funktioniert, wurde bereits kurz nach seiner Unterzeichnung klar: Nicht nur halten israelische Regierungen die Einnnahmen immer wieder als Strafmaßnahme zurück. Die Regelungen behindern auch die wirtschaftliche Entwicklung Palästinas. Wenn in Israel die Mehrwertsteuer herauf gesetzt wird, muss Palästina nachziehen, was dann aber einen völlig anderen Effekt auf das Konsumverhalten der Menschen hat, als in Israel.

Seit Anfang Januar wurden diese Zahlungen allerdings zurück gehalten, um die palästinensische Regierung für ihren Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof abzustrafen, der am 1. April in Kraft tritt. Aktuell funktioniert die palästinensische Verwaltung mit einem sehr rudimentären Not-Haushalt, der nurnotdürftig von eigenen Einnahmen und Hilfen der internationalen Gemeinschaft befüllt wird. Denn: Wenn das Geld dann ausgezahlt wird, geht ein erheblicher Teil davon erst einmal für die Begleichung der unbezahlten Rechnungen drauf. Oder anders gesagt: Palästina ist mehr oder weniger zahlungsunfähig, und hat auch nur wenige Möglichkeiten, dies abzuwenden.

Selbst Regierungen wie die Kanadische, die sich unmittelbar nach der Wahl hinter Netanjahu gestellt haben, wollen keine zusätzlichen Zahlungen an die Palästinenser leisten; auch aus Deutschland oder den USA ist kein frisches Geld zu erwarten. Investoren winken ab, weil niemand Lust darauf hat, Güter kostenintensiv durch Armeekontrollen zu transportieren.

Das bringt aber die palästinensische Regierung nicht nur finanziell in Schwierigkeiten: Präsident und PLO-Chef Mahmud Abbas wird nun bald 80, und es ist absehbar, dass er irgendwann in den kommenden Jahren wird abtreten müssen. Die nach der palästinensischen Verfassung längst überfälligen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen haben trotz immer wieder kehrender Zusagen bis heute nicht statt gefunden. Die Öffentlichkeit ist dementsprechend sauer auf die eigene Politik.

In Regierung wie bei der PLO wird deshalb momentan unisono eingestanden, dass Palästina an einem Scheideweg angelangt ist: Es bestehe die Gefahr, dass das Projekt Zwei-Staaten-Lösung scheitert.

Man steht unter mächtigem Druck, und versucht nun, diesen Druck nach Israel weiter zu geben, indem man die internationale Unbeliebtheit Benjamin Netanjahus ausnutzt. Die Rechnung: Wenn man die Zusammenarbeit mit Israel einstellt, dann wird Israels Regierung irgendwie darauf reagieren müssen - beispielsweise, in dem man Truppen in die palästinensischen Städte schickt, was dann auch die Besatzung wieder sichtbarer werden lassen würde: Ein Grund dafür, dass die Palästina-Frage im israelischen Wahlkampf keine Rolle spielte ist, dass die Besatzung mittlerweile eher im Verborgenen geschieht: Auch vor Ort stationierte Soldaten bekommen die Realität außerhalb der Kontrollpunkte kaum zu Gesicht. Eines der Hauptargumente für den israelischen Widerstand gegen einen palästinensischen Staat ist bisher, dass mit einem solchen Staat die Sicherheit Israels nicht mehr zu gewährleisten sei.

Bei der PLO hofft man aber auch darauf, eine internationale Reaktion forcieren zu können: Bislang beschränkten sich diese Reaktionen nahezu ausschließlich auf »eigener Staat nur auf Grundlage eines Verhandlungsergebnisses« und die Forderung an beide Seiten, an den Verhandlungstisch zurück zu kehren. Doch man sieht auch, dass vor allem das Weiße Haus dem Vogehen Netanjahus zunehmend auch offen kritisch gegenüber steht: In den vergangenen Tagen wurde berichtet, dort werde auch darüber nach gedacht, Israel keinen »diplomatischen Schutzschild« mehr zu bieten. Dabei handelt es sich um die amerikanische Unterstützung israelischer Regierungen vor allem bei UNO-Initiativen.

Gleichzeitig könnten ohne die Pariser Verträge die Höhe von Mehrwertsteuern und Zöllen komplett selbst entschieden werden; Israel müsste dann einen Mechanismus finden, der das möglich macht. Oder den Güterverkehr blockieren, was aber eher unwahrscheinlich ist.

Vor allem aber hätte man sich des einen Themas erledigt, dass die palästinensische Öffentlichkeit mit am Meisten aufregt: das Festhalten an Paris führte immer wieder zu Demonstrationen gegen Palästinas Regierung.

Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch hält man in Palästina indes nur dann für möglich, wenn auch ernsthafte Ergebnisse in Aussicht stehen. Die Erfahrung der letzten Verhandlungsrunde, bei der irgendwann deutlich wurde, dass nur verhandelt wird, um den zentristischen Teil der israelischen Regierung ruhig zu stellen, aber keine Ergebnisse beabsichtigt waren, sitzen noch tief.

19.03.15, 17:45 MEZ / 18:45 IST: Offizielles Endergebnis

Rechts
Likud 30 10
Jüdisches Heim 8 -4
Jisrael Beitenu 6 -7
Religiös
Schas 7 -4
UTJ 6 -1
Mitte → Rechts
Kulanu 10 10
Mitte → Links
Zionistische Union 24 3
Jesch Atid 11 -8
Links
Meretz 5 -1
Arabische Liste 13
120

19.03.15, 17:30 MEZ / 18:30 IST: Die wechselhaften Ergebnisse der linken Meretz

Und nun möchte ich gerne auf Meretz zu sprechen kommen: Die linke Partei kommt auf fünf Sitze; wobei der fünfte Sitz von den Wehrpflichtigen kommt, deren Stimmen erst in der Nacht zum Donnerstag ausgezählt wurden. Und das ist eine Entwicklung, die bei Meretz mit Erstaunen, aber auch mit Freude aufgenommen wurde: Soldaten sind, durch die Realität des Militärdienstes, eher konservativ, bevor sie dann später, nach dem Militärdienst ihre politischen Meinungen recht oft an die Erfahrungen des zivilen Alltages anpassen.

In der Vergangenheit konnte deshalb gerade Meretz, mit ihrer klaren Anti-Kriegsbotschaft, dort nicht punkten. Nun haben aber an die 26 000 Wehrpflichtige für die Linken gestimmt. Oder: Gut sieben Prozent der sogenannten Abwesenheitsstimmen von Soldaten entfielen auf Meretz. Hintergrund: Briefwahl gibt es in Israel nur für Israelis, die in offizieller Mission im Ausland unterwegs sind, Kranke, Häftlinge, Seeleute und eben Soldaten, die 90 Prozent der Briefwähler ausmachen, die hier »Abwesenheitsstimmen« heißen. Diese Stimmen werden zwar vor dem Wahltag abgegeben, aber erst ausgezählt, nachdem geprüft wurde, ob die Betreffenden nicht auch in einem Wahlokal gewählt haben.

Dementsprechend: Meretz bezog grob gerechnet 15 Prozent ihrer Gesamtstimmen von Wehrpflichtigen, deren Gesamtzahl aber nur, wieder sehr grob gerechnet, gut fünf Prozent der Gesamtwählerschaft ausmachen. Darüber hinaus erhielt Meretz unter den Wehrpflichtigen mit sieben Prozent fast das Doppelte als sie insgesamt erhielt. Die Partei liegt im Endergebnis landesweit bei 3,93 Prozent: Wobei die Ergebnisse auch dort Höhen und Tiefen zeigen. Und damit Rückschlüsse auf die Schwächen der Linken zulassen.

In Tel Aviv wurde Meretz mit 13,02 Prozent erwartungsgemäß drittstärkste Kraft. Insgesamt haben hier mehr als 64 Prozent der Wähler für eine linke, linksmitte Partei oder die arabische Liste gestimmt. In Jerusalem hingegen stimmten nur gut 3,9 Prozent für Meretz; nur an die 25 Prozent der Stimmen gingen überhaupt auf die linke und arabische Seite des politischen Spektrums. Es ist Bild das genau so auch überall sonst im Lande zu sehen ist: Mancherorts scheint Meretz ihre Anliegen besser vermitteln zu können als anderswo.

Dies hat mehrere Gründe: Zum einen steht Meretz, anders als viele andere Parteien, vor allem für Themen des großen Ganzen: die Forderung nach der Einführung der standesamtlichen Trauung, der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen, der Trennung von Staat und Religion im Allgemeinen, für Gleichstellung von Männern und Frauen im Alltag und die Einführung des Zivildienstes.

Darin liegt die Existenzberechtigung, aber auch der Schwachpunkt von Meretz: Viele Wähler begreifen sie als der Realität entrückt. Denn in Israel steht für die Menschen die innere und äußere Sicherheit an einer der obersten Stellen, darüber hinaus interessiert man sich vor allem dafür, welche Partei die unmittelbaren Bedürfnisse des täglichen Lebens zu erfüllen verspricht. Bei Siedlern ist das traditionell die Siedlerpartei, bei Ultraorthodoxen sind dies grundsätzlich Schas und UTJ und alle anderen Wähler wählen entweder Likud oder Arbeitspartei, wenn sie sich ausnahmsweise mal beim Namen nennt, oder wechseln von einer Neupartei, die ihnen niedrigere Lebenshaltungskosten, oder auch was sonst gerade der Aufreger des Tages sein mag zu beseitigen verspricht, zur Nächsten.

Allerdings war auch Meretz einmal eine solche Partei: 1992 als Zusammenschluss einer Bürgerrechtsbewegung, einer Abspaltung der Arbeitspartei und der liberalen, säkularen Schinui gegründet, hatte die Partei damals auf Anhieb zwölf Sitze erhalten: Am Ende der Ära von Jitzhak Schamir, zu Zeiten der ersten Intifada wirkten die Zielsetzungen der Partei auf die Wähler attraktiv.

Und auch heute punktet die Partei vor allem bei denjenigen, die an ihren Vorhaben ein unmittelbares Interesse haben: Beim gutsituierten Tel Aviver Partyvolk, das sich vor Versuchen der religiösen Einflussnahme auf das Leben in der Stadt fürchtet, bei Menschen, die gerne gleichgeschlechtlich oder säkular heiraten würden. Und nun auch bei jenen Wehrpflichtigen, die lieber nicht beim Militär, sondern beispielsweise in einem Altenheim dienen würden.

Für Parteichefin Zehawa Gal-On ist das Ergebnis der Auszählung der Abwesenheitsstimmen deshalb ein Erfolg inmitten einer Niederlage: Fünf Sitze sind einer weniger als die sechs, die man 2013 bekam, aber immer noch einer mehr, als noch am Tag nach der Wahl. Dass er von Wehrpflichtigen spendiert wurde, ist der wahre Erfolg für die Gal-On und ihre Partei. Denn vor der Wahl hatte man mit Nachdruck für die Einführung des Zivildienstes geworben.

19.03.15, 16:00 MEZ / 17:00 IST: Das Ringen um Posten hat begonnen

Einen offiziellen Auftrag zur Regierungsbildung gibt es noch nicht, und auch die Zusagen der potentiellen Koalitionspartner stehen noch weitgehend aus, Netanjahu dem Präsidenten überhaupt für die Regierungsbildung empfehlen zu wollen. Trotzdem ist innerhalb des Likud heute offen der Verteilungskampf ausgebrochen: Jeder, der Rang und Namen hat, oder glaubt ihn zu haben, fordert für sich selbst Ministerposten, und zwar möglichst Wichtige ein.

Das Problem dabei: Die scheidende Regierung hatte die Gesamtzahl der Minister auf 18 begrenzt; sinnlose Posten und Titel wie »Minister ohne Aufgabenbereich« oder »stellvertretender Minister« oder »Vize-Regierungschef« (nicht zu verwechseln mit dem stellvertretenden Regierungschef, der den Premier vertritt, wenn der sich beispielsweise im Ausland befindet), waren bereits zuvor abgeschafft worden.

Um das alles, und die mit Sicherheit aufkommenden Posten-Forderungen der Partner unter einen Hut bringen zu können, hat Netanjahu heute bereits in Aussicht gestellt, die gerade erst eingeführte Regleung umgehend wieder abschaffen zu wollen. Kostenpunkt für einen Posten samt Büro und Belegschaft: Umgerechnet mindestens drei Millionen Euro pro Jahr, heißt es in einem Bericht des staatlichen Rechnungsprüfers.

Die Ämtervergabe war im Laufe der vergangen Jahrzehnte allerdings stets integraler Bestandteil von Koalitionsverhandlungen gewesen. Auf die Spitze trieb es Ariel Scharon, als er 2003 eine Koalition bildete, in deren Kabinett sage und schreibe ein Viertel des Parlaments und etwas weniger als die Hälfte der Koalitionsabgeordneten vertreten war.

Aber: Nicht nur die Rechte, auch zur Linken wird mit Posten gewuchert. Zwar hat Spitzenkandidat Jitzhak Herzog der Zionistischen Union am Mittwoch offiziell die Opposition verordnet, aber im Hintergrund laufen die Bemühungen um eine alternative Koalition weiter. Um Mosche Kahlon und seine Kulanu vom Likud fern zu halten, brachte man bei der Zionistischen Union am Mittwoch abend offen ein Rotationsmodell ins Spiel: Im Raum steht das Angebot, Herzog könnte das Amt des Regierungschefs nach zwei Jahren an Kahlon abgeben. Kulanu hält sich aber weiterhin bedeckt.

18.03.15, 20:45 MEZ / 21:45 IST : Kleinstpartei hatte sich vor Wahlbeginn aufgelöst

Sinnloses Wissen: Gestern hatte ich ja kurz über die Anti-Porno-Partei »Zum Schutze unserer Kinder« hergezogen, für die immerhin bis heute morgen 90 Leute gestimmt hatten. Gleichzeitig gab es in verschiedenen Medien unterschiedliche Angaben über die Zahl der kandidierenden Parteien: Im Online-System der Stimmenauszählung waren stets 26 Listen aufgeführt; in den meisten Wahllokalen waren aber nur 25 Stimmzettel ausgelegt. Mittlerweile hat die Wahlkommission klar gestellt, wie es dazu kommen konnte: »Zum Schutze unserer Kinder« hatte kurz vor der Wahl die Kandidatur zurück gezogen. Zu diesem Zeitpunkt lief die Wahl in den Auslandsvertretungen und auf Militärbasen bereits begonnen. Die Stimmen wurden deshalb jetzt als ungültig gewertet.

18.03.15, 20:31 MEZ / 21.31 IST: Netanjahu beginnt mit inoffiziellen Koalitionsverhandlungen

Mittlerweile haben, inoffiziell, die Koalitionsverhandlungen begonnen. Dabei geht es zunächst einmal vor allem darum, welche Partei welchen Politiker für den Auftrag der Regierungsbildung empfehlen wird.
Denn die Entscheidung darüber liegt bei Präsident Re'uven Rivlin. Er wird sich am Sonntag mit den Vorsitzenden aller zehn Parlamentsfraktionen treffen, und dann danach die Chancen der genannten Personen für eine erfolgreiche Regierungsbildung abwägen, bevor er den Auftrag erteilt. Dabei ist er nicht daran gebunden, einen Vertreter der größten Knesset-Fraktion mit der Regierungsbildung zu beauftragen - theoretisch kommt jeder Abgeordnete in Frage. Er ist auch nicht daran gebunden, den Empfehlungen der Mehrheit der Fraktionsvorsitzenden zu folgen.
Der Auftrag muss aber innerhalb von sieben Tagen nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse erteilt werden. Der Empfänger des Auftrages hat dann 28 Tage Zeit, eine Regierung zu bilden. Schafft er das nicht, kann er eine Verlängerung von maximal 14 Tagen in Anspruch nehmen. Wird es auch dann nichts, muss der Präsident innerhalb drei Tagen nachdem die Versuche gescheitert sind, entweder jemanden anderen mit der Regierungsbildung beauftragen, wofür dann aber nur 28 Tage zur Verfügung stehen, an deren Ende, bei Erfolglosigkeit, Neuwahlen stehen, es sei denn, eine Mehrheit der Abgeordneten fordert den Präsidenten innerhalb von 21 Tagen nach Scheitern der Bemühungen schriftlich auf, einen Abgeordneten mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Dafür stehen dann 14 Tage zur Verfügung. Danach ist dann endgültig Schluss; das Parlament gilt als aufgelöst.
Zudem muss die neue Regierung von einer Mehrheit von 61 Abgeordneten bestätigt werden. Bei sehr knappen Mehrheiten kann dies ein Problem sein: Solche Abstimmungen werden von einzelnen Koalitionsabgeordneten in solchen Situationen gerne dazu genutzt, bestimmte Forderungen durch zu setzen; deshalb vermeidet man sie, wenn es geht.
Am Sonntag wird der Präsident also vor allem bei den religiösen Parteien und bei Kulanu sehr genau zuhören, und das auch dann, wenn sie Netanjahu empfehlen - denn das bedeutet nicht, dass es am Ende auch zu einem Koalitionsvertrag kommen wird.
Gleichzeitig wird Rivlin versuchen, Likud und Zionistische Union von den Vorzügen einer großen Koalition zu überzeugen. Auch wenn Rivlin selbst aus der Rechten kommt, und Verfechter einer Einstaaten-Lösung ist, hat er wenig für die rechts-religiöse Option übrig, und das vor allem dann, wenn eine einzelne Partei durch den Austritt aus der Koalition die Mehrheit zum stürzen und damit Neuwahlen forcieren kann.
Bei der Rechts-Religiös-Option wird dies bei jeder einzelnen beteiligten Partei der Fall sein; es droht eine Regierung, die nur so lange überleben kann, wie sie auf die Forderungen jeder einzelnen Partei eingeht.
Das Problem: Sowohl Kulanu als auch die religiösen Parteien fordern erhebliche Investitionen in die Sozialhaushalte, während Jüdisches Heim massive Zahlungen an die Sieldungen fordert. Für beides ist aber kein Geld da, wie ein schneller Blick in den Staatshaushalt für das laufende Jahr zeigt; Soziales und Siedlungen stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, dass sich nur dauerhaft kontrollieren lässt, wenn eine von beiden Seiten sich massiv hintan stellt. Doch weder die Siedlerpartei noch religiöse, noch Kulanu können sich das leisten: Jüdisches Heim und Religiöse mussten heftige Einbußen hinnehmen, und das im Falle von Jüdisches Heim auch in den Siedlungen selbst: In einstigen Hochburgen der Partei gewann der Likud. Kulanu derweil ist zwar noch neu, musste aber mit ansehen, wie Jesch Atid, die in der letzten Regierung ähnliches vorhatte, gescheitert ist und nun als sehr viel kleinere Fraktion ins Parlament einzieht.
Noch hat sich Mosche Kahlon nicht dazu geäußert, wie er zur Koalition mit den Rechten und Religiösen steht.

18.03.15, 17:17 MEZ / 18:17 IST: Die künstlichen stärksten Fraktionen

Mit dem Prädikat »stärkste Fraktion« ist es in Israel übrigens so eine Sache: Es kann sich ganz schnell in Luft auflösen, weil ja viele der Parteien tatsächlich Bündnisse aus kleineren Parteien sind, die gerne auch mal von einem Tag auf den anderen ihre eigenen Wege gehen. Diese Erfahrung machte beispielsweise Netanjahus Bündnis aus Likud und Jisrael Beitenu im vergangenen Jahr: Im Streit über den Gazakrieg zerbrach das Bündnis, und Netanjahu blieb mitten im Krieg als ein Regierungschef zurück, dessen Fraktion gerade mal 20 Sitze umfasste - nur einer mehr als die Neupartei Jesch Atid. Auf der anderen Seite gab es ursprünglich Bestrebungen, auch Jesch Atid in die Zionistische Union zu integrieren. Damals sei man allerdings im beiderseitigen Einvernehmen davon ab, weil man dachte, wahltechnisch einen oder zwei Sitze mehr heraus holen zu können. Heute weiß man, dass das ein Fehler war: Wären beide zusammen gegangen, dann säße ich heute hier, und würde darüber schreiben, dass die Zionistische Union stärkste Fraktion ist: Denn mit Jesch Atid kommt man nach aktuellem Stand auf gut 35 Sitze.

18.03.15, 16:58 MEZ / 17:58 IST : Herzog schließt große Koalition aus

Es wird komplizierter. Jitzhak Herzog hat mittlerweile erklärt, die Opposition sei die einzige realistische Option für die Zionistische Union. Damit bleiben, wenn die Mehrheitsverhältnisse so bleiben, wie sie sind, im Grunde nur noch Kulanu und die religiösen Parteien als mögliche Koalitionspartner für die rechten Parteien übrig. Sollte Kahlon abwicken, bliebe zwar noch rein theoretisch die Möglichkeit, Jesch Atid zum Eintritt zu überreden. Nur war man dort schon mal an den Punkt, und es hat nicht funktioniert. Außerdem müssten dann die beiden ultraorthodoxen Parteien dazu bereit sein, mit Jesch Atid in der Regierung zu sitzen. Das ist sehr unwahrscheinlich.

18.03.15, 14:27 MEZ / 15:27 IST: Netanjahu erklärt sich zum Wählerwillen

Und nach einer mehrstündigen Pause bin ich wieder da. Viel hat sich im Laufe des Tages nicht verändert: Nach wie vor sind gut 200 000 Stimmen nicht ausgezählt; es wird also, in welcher Form auch immer, noch Veränderungen beim Ergebnis kommen. Allerdings sollte man in Momenten wie diesem mit Superlativen wie: »Israel wählt Netanjahu wieder« zurück haltend sein. Der Likud hat aktuell 924 766 Stimmen bekommen; das sind 23,36 Prozent der bislang ausgezählten, gültigen Stimmen. Oder anders gesagt: 76plusnachkommastellen Prozent haben Netanjahu nicht gewählt. Nun wurde in Netanjahus Team heute immer wieder betont, diejenigen, die für eine rechte Partei gestimmt haben, hätten ja auch für Netanjahu gestimmt, weil er eben der Kandidat der Rechten sei. Das aber kann man bezweifeln: Weder Kulanu noch Jisrael Beitenu hatten ja vor der Wahl eine Präfererenz für das Amt des Regierungschefs erklärt; auch die ultraorthodoxen Parteien hatten keine Präferenz erkennen lassen. Und explizit gefragt wurden die Wähler nicht: Es gibt weder Zweitstimmen, noch Direktwahl. Manche berufen sich nun auf die Umfragen vor der Wahl, in denen Netanjahu regelmäßig als erste Wahl für das Amt genannt wurde. Nur: Was das Wahlergebnis selbst betrifft, lag nur eine einzige Umfrage, nämlich eine im Auftrag des Fernsehsenders I24, wenigstens annähernd richtig. Was die Hochrechnugen betraf, lagen absolut alle komplett daneben. Warum sollten sie es also hier richtig getroffen haben?

18.03.15, 03:30 MEZ / 04:30 IST: Hochrechnungen lagen falsch

Also ich habe jetzt mal ganz schnell und rudimentär durchgerechnet, wohin wir von der Richtung her gehen: Der Likud kommt auf um die 30 Sitze; die Zionistische Union liegt bei um die 23; die Arabische Liste bei 12; Jesch Atid bei 11, Kulanu bei 9, Jüdisches Heim bei 7, Schas bei 7, UTJ und Jisrael Beitenu bei 6 und Meretz bei 4. Das ergibt aber keine 120, weil ich die Rest-Mandate nicht berechnet habe; außerdem läuft die Auszählung noch. Wenn diese Tendenz aber richtig ist, dann wird es trotzdem nur dann für eine Rechts-Religiös-Regierung reichen, wenn Mosche Kahlon und sein Kulanu mit ins Boot kommen. Und da ist dann wiederum die Frage: Reicht die moralische Appell, der Wähler habe es so gewollt, dass Netanjahu die Regierung bildet, reicht, um ihn ins Boot zu holen? Kahlon wird sich vermutlich genau anschauen, was er aus einer solchen Koalition heraus holen könnte - er hat ja immerhin Lapid und seine Jesch Atid mit ähnlichen Bestrebungen grandios scheitern sehen.

So wie es momentan ausschaut, sind wir heute da, wo wir vor zwei Jahren und Zwei Monaten minus ein paar Tagen waren - nur mit ein paar zerschnittenen Tischtüchern mehr. Sollte Kahlon nicht mit Netanjahu wollen, und Herzog auch nicht in eine große Koalition unter Netanjahus Führung eintreten wollen, dann wird es eng für Netanjahu. In der Vergangenheit hat er es geschafft, immer wieder eine Koalition zusammen zu basteln. Darunter haben nahezu alle Partner, die er jemals hatte, gelitten. Wie leidensfähig sind also diese potentiellen Partner? Werden sie es noch einmal mit Netanjahu versuchen, weil er der Stärkste ist? Zumindest bei der Basis der Zionistischen Union herrscht im Moment Durchhaltewille; man fordert ihn von Herzog regelrecht ein: Man könne nicht sagen »alle außer Bibi« und dann am Tag nach Wahl alles mit Bibi machen, wird gerade immer wieder gesagt und getextet. Herzog ist derweil abgetaucht.

Was ich mich dabei frage: Die großen Parteien lassen allesamt ihre eigenen Hochrechnungen anfertigen, und Herzog hatte sich dermaßen sicher gegeben, dass ich gerade darüber rätsele, ob auch seine Umfragen falsch lagen, ob sich da möglicherweise in den noch nicht ausgezählten 300 000 Stimmen etwas verbirgt. Oder ob er möglicherweise wirklich versuchen wird, Kulanu und die religiösen Parteien auf seine Seite zu ziehen? Aber da ist dann wiederum die Feindschaft der Ultraorthodoxen mit Jesch Atid...

18.03.15, 02:46 MEZ / 03:46 IST

Lagen die Hochrechnungen so unbeschreiblich falsch? Es sind nun gut 75 Prozent der Stimmen ausgezählt und der Likud liegt, anders als vorher gesagt, gute 170 000 Stimmen vor der Zionistischen Union.

18.03.15, 02:30 MEZ / 03:30 IST

Und jetzt sind 140 000 Stimmen für Meretz da: Man ist drin.

18.03.15, 02:21 MEZ / 03:21 IST: Weniger Stimmen unter der Hürde

Übrigens: Bei der Wahl 2013 entfielen insgesamt 268 797 Stimmen auf Parteien, die es nicht über die Wahlhürde von damals zwei Prozent geschafft haben. Hätte es damals bereits die heute geltenden 3,25 Prozent gegeben, wären es sogar 558 347 Stimmen gewesen. Dieses Mal sind es, bei gut 60 Prozent an ausgezählten Stimmen, gerade mal 40 000 Stimmen, wenn Jachad rein kommt, und wohl an die 150 000 Stimmen, falls Jachad es nicht schaffen sollte. Ein Teil davon mag an einem Wahlverhalten liegen, dass sich durch die höhere Wahlhürde verändert hat. Allerdings ist es auch so, dass damals mehrere Parteien aus der damaligen Protestbewegung antraten, die bei mehreren Zehntausend Zuspruch fanden, es aber trotzdem nicht schafften. Denn die Protestbewegung war keinesfalls homogen, und durchaus nicht überall links orientiert. Unter dem Deckmantel des Sozialprotest gab es auch einige rassistische Ausfälle gegen Migranten. Enige der Rechten versucht nun Jachad abzufischen; während die Linken sich bei der Zionistischen Union und die Mittelschicht bei Jesch Atid umschaut. Die Parteien der Protestler traten gar nicht mehr an. Übrig blieben nahezu ausschließlich Nischenparteien wie die Piraten, oder die Grünen, die in Israel wirklich eine Nischenpartei sind, oder die erwähnte Anti-Porno-Partei. Sie haben meist nur eine einzige Forderung auf dem Radar, haben wenig Mittel zur Verfügung und schaffen es deshalb nicht in die Nähe der breiteren Wählerschaft.

Dabei haben diese Nischenparteien in israel eine lange Tradition. Ursprünglich gab es keine Wahlhürde; einen Sitz bekam, wer mehr als die Gesamtzahl der gültigen Stimmen durch 120 hatte; die Reststimmen wurden nach wechselnden Schlüsseln verteilt. Der Grund dafür war gesellschaftlicher Natur: Israel, und die jüdische Gemeinschaft in der Region in der zeit vor der Staatsgründung bestand aus Menschen aus verschiendenen Ländern, mit verschiendenen politischen und religiösen Konzepten, und auch Zionismus war damals nicht nur ein Wort, sondern ein Konzept, an dessen Ausgestaltung sich immer wieder heftigster Streit entfachte: Wie viel Religion sollte im Staat sein, wie viel Staat in der Religion; was sollte man mit den Leuten machen, die das eine oder das andere nicht wollten? Man entschied sich für eine Konzept aus Leben und leben lassen: Die einen dienen beim Militär, die anderen eben nicht, weil sie beten. Die einen leben in Israel, weil sie Jerusalem nahe sein wollen, die anderen, weil sie etwas aufbauen wollen. Es war eine streitbare Zeit, wie sich schon allein an der Länge meines Regals mit den Streitschriften, die im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu allen möglichen Fragen von Zionismus heraus gegeben wurden, erkennen lässt.

Durch das Wahlsystem wollte die Regierung von David Ben Gurion, der der erste Regierungschef des Landes war, allen gesellschaftlichen und kulturellen Gruppierungen die Möglichkeit geben, im Parlament repräsentiert zu sein. Doch im Laufe der Zeit verlor die Arbeitspartei, die bis dahin immer gesunde Mehrheiten finden konnte, an Zuspruch, man war immer mal wieder auf Kleinparteien angewiesen, die dann nach Gutdünken Regierungen zu Fall brachten, nachdem sie sie mit ihren Forderungen unter Druck gesetzt worden waren, und deshalb wurden Wahlhürden eingeführt, die wiederum das System, wie es heute ist, in Frage stellen. Immer wieder wird vor allem im akademischen Bereich die Forderung laut, man möge doch bitte umstellen, auf ein System, bei dem wenigstens ein Teil der Abgeordneten aus Wahlkreisen stammt; auf diese Art und Weise könne man die Repräsentation gesellschaftlicher Gruppierungen viel besser sicher stellen. Doch in der Politik sträubt man sich regelmäßig: Denn gemessen an den Popularitätswerten, die ziemliche viele der Hinterbänkler, die auf einer Liste hinter einem bekannten Namen ins Parlament mitwandern, haben, dürften ziemlich viele davon in einem solchen neuen System politisch nicht überleben können.

18.03.15, 01:39 MEZ / 02:39 IST: Die Wahl beginnt wendet sich gegen die Zionistische Union

Doch noch ein kleiner Einschub: Liebermann und seine Jisrael Beitenu sind drin. Sie haben gerade die für, gemessen an der Wahlbeteiligung erforderliche Mindeststimmenzahl überschritten. Derzeit ist gut die Hälfte der Stimmen ausgezählt. Die Zionistische Union liegt auf Platz 2, gefolgt von Jesch Atid und der Arabischen Liste. Meretz fehlen aktuell noch 40 000 Stimmen. Tel Aviv ist aber erst zu einem Drittel ausgezählt, und da ist die Partei ziemlich stark. Würde mich also wundern, wenn das ein Problem wäre. Bei Jachad würde es mich hingegen erstaunen, wenn man dort noch die gut 50 000 Stimmen bis zur Schwelle von irgendwo heran schaffen würde.

18.03.15, 00:17 MEZ / 01:17 IST: Kleine Parteien bangen um Parlamentseinzug

Ein großes Problem ist, dass es aktuell keine belastbaren Ergebnisse gibt. Meretz muss bei der Stimmauszählung ebenso um die Sprung über die Hürde bangen, wie Jisrael Beitenu und Jachad. Likud und Zionistische Union werden derweil bei der Auszählung von jenen 45 000 Sitzen getrennt, die am Ende einen Sitz ausmachen dürften.

18./17.03.15, 23:49 MEZ / 00:49 IST: Herzog lobt Wahlergebnis

Mittlerweile hat sich auch Herzog geäußert: Seit der Wahl Rabins im Jahr 1992 habe die Partei kein solches Ergebnis mehr erzielt, sagte er auf der Wahlparty der Zionistischen Union. Er werde nun darauf hin arbeiten, eine »echte soziale« Regierung zusammen zu stellen. Und tatsächlich Arbeitspartei und HaTnuah haben mehr Sitze geholt, als sie in der scheidenden Knesseth zusammen haben. Wo die Koalition herkommen soll, ist trotzdem noch offen. Neue Hochrechnungen gibt es nicht, denn es gibt verhältnismäßig wenig, was man hoch rechnen könnte: Zur Zeit sind gerade mal 320 000 der schätzungsweise 3,9 Millionen abgegebenen Stimmen ausgezählt. Da die Wähler einzelner Parteien aber regional unterschiedlich verteilt sind, lässt sich daraus keine Aussage ableiten: Mal kommen die Ergebnisse von Likud-starken Gebieten rein; mal melden sich die Hochburgen der Zionistischen Union. Schlusslicht aktuell: Die Anti-Pornographie-Partei. Zwölf Leute haben bisher dafür gestimmt.

17.03.15, 23:25 MEZ / 00:25 IST: Arabische Liste warnt vor großer Koalition

Enttäuschung bei der Arabischen Liste. Man hatte mit 15, insgeheim sogar 16 Sitzen gerechnet. Doch Ahmed Tibi, einer der Spitzenpolitiker der Liste ärgert vor allem, dass nun die Aussicht auf eine große Koalition besteht: »Wir hatten gehofft, dass die Öffentlichkeit in eine Richtung geht, in der man sie sozio-ökonomischen Probleme angehen kann. Eine große Koalition ist die schlimmste Option von allen.«

17.03.15, 23:12 MEZ / 00:12 IST: Unklare Ergebnisse; wenige Stimmen tatsächlich ausgezählt

Eine Sache die man heute nacht sehr deutlich im Kopf behalten muss ist: Es sind erst knapp mehr als 100 000 Stimmen tatsächlich ausgezählt. Wir wissen auch nicht, ob Jachad nun drin ist, oder nicht. Den Umfrageinstituten zufolge liegt die Partei so nahe an der Wahlhürde, dass eine verlässliche Aussage unmöglich ist. Ist sie aber drin, dann verschieben sich auch die Mandate anderer Parteien, denn weniger als vier Sitze geht nicht, und diese vier Sitze müssen von irgendwoher kommen.

17.03.15, 22:57 MEZ / 23:57 IST: Religiöse Parteien verlieren an Zuspruch

Die großen Verlierer der Wahl sind aktuell die ultraorthodoxen Parteien Schas und UTJ: Sie hatten im vergangenen Parlament noch 18 Sitze zusammen; nun werden nur noch maximal 13 vorher gesagt. Manche der Wähler dürften Eli Jischai zu Jachad gefolgt sein, andere könnte bei Kulanu gelandet sein. Auf jeden Fall ist die Enttäuschung groß. Morgen will bei der UTJ der Rat der Torah-Weisen zusammen kommen, um darüber zu beraten, ob man überhaupt in einer Regierung sitzen sollte, und falls ja, unter wessen Führung. Auch bei Schas gibt es aktuell keine Koalitionsaussage. Falls die UTJ nein sagt, wird alles noch ein bisschen komplizierter.

17.03.15, 22:42 MEZ / 23:42 IST: Kahlon äußert sich immer noch nicht

Mittlerweile glaube ich ernsthaft, dass Mosche Kahlon das Spaß macht: »Wartet bis zum Ergebnis«, hat er gerade wieder mal auf die Frage geantwortet, in welche Richtung er tendiert. Denn natürlich wollen im Moment vor allem genau das wissen: Ohne ihn wird kaum etwas gehen; möglicherweise nicht einmal eine große Koalition, die in Israel »Regierung der nationalen Einheit« heißt.

17.03.15, 22:21 MEZ / 23:21 IST: Netanjahu: »Glorreicher Sieg«; Kräfteverhältnis bleibt gleich

Netanjahu hat einen »glorreichen Sieg« für die Recht verkündet. Doch trotz des Stimmenzuwaches für den Likud, der bei den vergangenen Wahlen ohne das Bündnis mit Jisrael Beitenu auf nur 20 Sitze gekommen wäre, kann man eines mit Sicherheit sagen: Der Rechtsruck aus augeblieben. Die ultrarechte Jachad bleibt draußen; Jüdisches Heim hat, nach wie den Hochrechnungen nach geurteilt, vier Mandate verloren, Jisrael Beitenu wurde sogar mindestens mehr als halbiert, und kommt auf nur noch fünf statt elf Sitze. Der Likud dürfte sich also vor allem bei Jisrael Beitenu bedient haben, während Jüdisches Heim die säkularen Wähler weg gelaufen sind, die Bennett vor zwei Jahren noch cool fanden. Im Grunde sind die Kräfteverhältnisse im Vergleich zu 2013 gleich geblieben, wenn die Hochrechnungen stimmen.

17.03.15, 22:03 MEZ / 23:03 IST: Große Koalition?

Ein Likud-Mitarbeiter hat mir gerade gesagt, Netanjahu werde wohl auf Herzog zugehen. Das Angebot werde wohl sein, Jüdisches Heim und Jisrael Beitenu draußen zu lassen. »Nö«, lautet die Antwort von der Zionistischen Union, und zwar exakt so.

17.03.15, 21:58 MEZ / 22.58 IST: Die Partnersuche hat begonnen

Die Kandidaten machen übrigens momentan vor allem eins: Sie telefonieren. Mit den anderen Parteien. Die Regierungsbildung hat offiziell begonnen. Netanjahu und Bennett wollen versuchen, eine rechts-religiöse Regierung die Beine zu stellen; bei Links-Mitte umwirbt man derweil religiösen Parteien. Und überall wird gebannt auf Fernseher und Handys gestarrt und darauf gehofft, dass sich irgendetwas irgendwohin verschiebt.

21:52 MEZ / 22:52 IST

Sinnloses Wissen: Bei den tatsächlich ausgezählten Stimmen führt die Zionistische Union derzeit mit 27,27 Prozent; gefolgt vom Likud mit 21,41 Prozent. Allerdings wurden auch erst 20556 ausgezählte Stimmen gemeldet. Gesamtzahl der Wahlberechtigten: 5.881.696

17.03.15, 21:38 MEZ / 22:38 IST: Präsident favorisiert Große Koalition

Und schon hat sich Präsident Re'uven Rivlin zu Wort gemeldet: Er will eine große Koalition. Das ist von großer Bedeutung, weil es die Aufgabe des Präsidenten ist, einen Abgeordneten mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Nur wer von beiden soll das sein? Bei den Empfehlungen wird es im Zweifelsfall fünf zu fünf stehen. Und dann müsste der andere auch noch zustimmen. Wie gesagt: Beide hatten eine große Koalition ausgeschlossen. Die Wähler haben darüber hinaus auch noch für die jeweilige Partei gestimmt, um eben zu verhindern, dass der andere die Regierung übernimmt / an der Regierung bleibt. Also müsste derjenige, der die Regierung bildet, dem Partner etwas wirklich Gutes anbieten. Hmm.

17.03.15, 21:20 MEZ / 22:20 IST: Hochrechungen - ZU und Likud gleichauf

Das wird nicht einfach werden: Zionistische Union und Likud liegen ungefähr gleichauf; keines der beiden Lager, weder Mitte-Links noch Rechts-Religiös hat eine überzeugende Mehrheit, während Mitte Links etweder die Unterstützung der Arabischen Liste und die von Kulanu braucht, oder aber Kulanu und die religiösen Parteien ins Boot holen müsste. Das aber wird zum Problem, weil Jesch Atid mit dabei wäre - und Schas und UTJ müssten ernsthaft über ihre Schatten springen.

Denkbar wäre auch eine große Koalition aus Likud und Zionistischer Union unter Führung des stärkeren und ein oder zwei kleineren Parteien. Aber beide Seiten haben diese Option kategorisch ausgeschlossen.

Um es mit Itzik Schmueli, Abgeordneter der ZU zu sagen: »Die Party hat gerade begonnen.«

17.03.15, 21:05 MEZ / 22:05 IST: Erste Hochrechnungen

  • Likud 27 - 28
  • Zionistische Union 27 - 28
  • Arabische Liste 13
  • Jesch Atid 12
  • Kulanu 10
  • Jüdisches Heim 8
  • Schas 7
  • UTJ 6-7
  • Meretz 5
  • Jisrael Beitenu 5

17.03.15, 20:57 MEZ / 21:57 IST

Drei Minuten noch und der Wahlkampf geht trotzdem weiter: Jachad fehlen noch 1500 Stimmen, heißt es. In einigen Siedlungen werden die Wähler noch in letzter Minute ins Wahllokal geschickt. Denn wer schon drin ist, darf wählen.

17.03.15, 20:13 MEZ / 21:13 IST: Der letzte Umfrage-Stand

Ich werfe jetzt mal einen ganz schnellen Blick in die Umfragen, damit wir ungefähr wissen, wo wir am vergangenen Freitag gestanden haben - der Freitag war der letzte Tag, an dem die Veröffentlichung von Umfragen erlaubt ist.

  • Zionistische Union 25
  • Likud 21
  • Arabische Liste 13
  • Jesch Atid 12
  • Jüdisches Heim 11
  • Kulanu 9
  • Schas 8
  • UTJ 6
  • Jisrael Beitenu 5
  • Meretz 5
  • Jachad 4

Das Ergebnis aller Sitze ist nicht 120, da es sich dabei um Rundungen handelt. Man sieht, dass drei Parteien mit der Wahlhürde kämpfen; wer darüber ist, hat automatisch vier Sitze. Bei einer Fehlerquote von vier Prozent ist bei allen dreien also sowohl das drinnen als auch das draußen möglich. Falls also beispielsweise Jisrael Beitenu und / oder Jachad knapp raus fallen, werden die Sitze über die Bader-Ofer-Methode an andere Parteien verteilt, wobei die stärksten Parteien am meisten profitieren. In diesem Fall wäre dies Mitte-Links.

Sieht das Feld aber so oder ähnlich aus, gibt es Probleme: Alles hängt dann davon ab, ob Kahlon / Kulanu eine von der Arabischen Liste gestützte Minderheitsregierung stützen würde, ob die Araber überhaupt dazu bereit sind. Vielleicht könnte Herzog aber auch die Ultraorthodoxen überzeugen.

Netanjahu würde es hingegen nur dann für eine tragfähige rechts-religiöse Mehrheit reichen, wenn er mit der eigentlich als unkoalierbar geltenden Jachad zusammen geht. Oder eine Partei aus dem derzeitigen Anti-Bibi-Lager anlockt.

17.03.15, 19:52 MEZ / 20:52 IST: Likud über hohe Wahlbeteiligung besorgt

Und damit ist das Feld der aussichtsreichen Parteien komplett. Die Wahllokale sind jetzt noch gut eine Stunde geöffnet, und bei den Politikern, aber auch den Wahlkämpfern, mit denen ich gesprochen habe, ist die Nervosität deutlich spürbar. Vor allem beim Likud wirkt die Stimmung eher gedämpft; anders als bei der Zionistischen Union, wo immer wieder ein zuversichtliches »Wenn nicht heute, wann dann?« zu hören ist, hält man sich beim Likud mit Siegesbeschwörungen auffällig. Sorgen bereite ihm vor allem die recht hohe Wahlbeteiligung vor allem bei Soldaten, die bis um 18 Uhr IST um vier Prozent höher lag, als 2013, und die hohe Beteiligung in den frühen Morgenstunden, sagt ein Likud-Berater. Denn im Wahlkampf hatte eine Masse an Geheimdienstlern und Militärs Netanjahu und seinen Kurs kritisiert; Soldaten hören hier sehr genau zu. Gleichzeitig zweifelt der Berater daran, dass der Likud einen so mitreißenden Wahlkampf geführt hat, dass die Leute nach dem Aufstehen, vor dem Strand, dem Picknick (Wahltag ist freier Tag in Israel) noch eben schnell ins Wahllokal gehen, um den Likud zu wählen.

17.03.15, 19:41 MEZ / 20:41 IST: Die aussichtsreichen Listen im Einzelnen

Jisrael Beitenu? Likud? Zionistische Union? Arabische Liste? In Israel ist es kompliziert, wenn man daran gewöhnt ist, dass Parteien immer gleich heißen. Nicht nur entstehen seit einigen Jahren Wahl für Wahl immer neue Parteien - die Etablierten ändern auch noch ständig ihren Namen. Gleich folgt der Reihe nach eine Aufstellung der aussichtsreichen Parteien, ihrer Ausrichtung, und ihrer früheren Namen.

Rechtsextrem: Jachad, auch Marzel

Jachad ist eine Neupartei, die vor allem für Aufsehen sorgte, weil der Rechtsextremist Baruch Marzel auf einem sicheren Listenplatz kandidiert, falls die Partei den Sprung über die Hürde schaffen sollte. Marzel gilt als prominenter Vertreter der Kach-Bewegung, die in Israel als terroristische Vereinigung eingestuft ist. Er wird für eine Vielzahl von Übergriffen auf Palästinenser verantwortlich gemacht. Die Wahlkommission hatte versucht, seine Kandidatur zu verbieten. Doch wie auch im Fall von Haneen Zoabi, die auf der Arabischen Liste kandidiert, wurde das Verbot vom Obersten Gerichtshof einkassiert. Falls Jachad den Sprung schaffen sollte, würde Marzel allerdings eher als Trittbettfahrer ins Parlament einfahren: es ist vor allem Eli Jischai ein ehemaliger Spitzenpolitiker der ultraorthodoxen Schas, der die Wähler mitbringt.

Rechts: HaBajit HaJehudi, auch: Jüdisches Heim

Jüdisches Heim ist die Nachfolgepartei der Nationalreligiösen Partei und gilt als parlamentarische Interessenvertretung der Siedlerbewegung. Sie ist ein Bündnis aus verschiedenen rechten und ultrarechten Kleinparteien, und wird von Naftali Bennett geführt, der in der scheidenden Regierung das Amt des Wirtschaftsministers bekleidete. Der High Tech-Millionär sorgte dafür, dass die Partei auch bei säkularen Israelis innerhalb des international anerkannten Staatsgebietes Zuspruch fand, zumal die Partei, ebenso wie Jesch Atid versprochen hatte, den Wehrdienst für Ultraorthodoxe einzuführen. Nach der Bildung der Regierung blockierte Jüdisches Heim sämtliche Fortschritte in den verhandlungen mit den Palästinensern; Wohnungsbauminister Uri Ariel vom rechten Rand der Partei sorgte zudem für internationales Aufsehen, indem er immer neue Baumaßnahmen in Siedlungen ankündigte.

Rechts: Jisrael Beitenu, auch: Liebermann

Jisrael Beitenu ist vor allem für Außenminister Avigdor Liebermann bekannt. Bei den vergangenen Wahlen trat die Partei mit dem Likud auf einer gemeinsamen Liste an. 1999 gegründet, sollte die Partei eine Plattform für russische Einwanderer sein, die eine harte Linie gegenüber den Palästinensern unterstützen. Dafür Jisrael Beitenu mal allein, mal im Verbund mit der rechtsextremen Nationalen Union antrat, einer Partei, die mittlerweile in Kleinstparteien zerfallen ist, die heute abend weit, weit unten auf der Ergebnisliste stehen dürften.

Heute ist eine der Hauptforderungen der Partei die Eingliederung der überwiegend von Arabern bewohnten Gebiete im Norden Israels in die Palästinensischen Autonomiegebiete. Im Wahlkampf forderte Liebermann darüber hinaus die Einführung der Todesstrafe für palästinensische Attentäter. Die Partei wurde im Laufe der Jahre von Korruptionsskandalen erschüttert; aktuell wird wieder gegen Abgeordnete ermittelt.

Es ist nicht sicher, ob Liebermann Netanjahu als Regierungschef empfehlen wird: Die beiden gelten als miteinander verfeindet; während des Gazakrieges lieferten sich beide in aller Öffentlichkeit heftige Wortgefechte.

Rechts: Likud

Der Likud hofft, gleich als stärkste Kraft aus der Wahl hervor zu gehen, doch zuletzt sah es in den Umfragen nicht so aus: Die Rede von Regierungschef, Parteichef und Spitzenkandidat Benjamin Netanjahu vor dem US-Kongress verfehlte ihre gewünschte Wirkung; der Likud sackte in den Umfragen sogar ab. Der Likud hat ungefähr die gleichen Probleme wie die Arbeitspartei: Sein Profil ist nur noch sehr schwer erkennbar; die Plattformen der Partei bestehen vor allem aus den Aussagen ihres Parteichefs: Man werde die soziale Lage verbessern, versprach er im Wahlkampf immer wieder, sagte aber nicht wie. Und man werde in der derzeitigen Situation Verhandlungen mit den Palästinensern nicht zustimmen. Was die Alternative ist, sagte er ebenfalls nicht. Vielen gemäßigt konservativen Likud-Mitgliedern ist die Partei mittlerweile zu stark in Richtung der Siedlerbewegung gerückt: Der Likud hat, seit Netanjahu Kadima 2009 die Macht abnahm, ordentlich an Mitgliedern verloren, und auch parteiintern ist Netanjahu nicht unumstritten. Thematisch fokussierte Netanjahu den Likud im Wahlkampf weitgehend auf den Iran und dessen Atom-Programm: Nur er könne einen Deal verhindern, der dem Iran seine nuklearen Ambitionen nicht völlig weg nehme.

Der Likud wurde Anfang der 70er Jahre als Bündnis mehrerer rechter und liberaler Parteien gegründet. Die Zeit der Gründung war von sozialen Protesten geprägt gewesen: Viele Einwanderer aus arabischen Ländern fühlten sich von der überwiegend von Europäern geprägten Arbeitspartei diskriminiert; zwischen Sechs-Tage- und Jom-Kippur-Krieg entwickelte sich zudem eine schwere Wirtschaftskrise: Die sozialdemokratische Regierung hatte damals Schwierigkeiten, den Einwanderern angemessene Unterkünfte und soziale Leistungen zur Verfügung zu stellen. Nach dem Jom-Kippur-Krieg wurde die Regierung zudem von einem Skandal nach dem anderen erschüttert; am Ende verlor die Arbeitspartei; der Likud wurde zur zweiten großen politischen Kraft in Israel, bis dann in den 90er Jahren Parteineugründungen dafür sorgten, dass der Titel »größte Fraktion« meist nicht mehr als ein Viertel der Sitze bedeutet.

Mitte-Rechts: Kulanu; auch: Kahlon

Kulanu ist das große Fragezeichen bei dieser Wahl. Gegründet von Mosche Kahlon, einem ehemaligen Abgeordneten des Likud, ist die Partei völlig neu auf der politischen Landkarte, und hofft darauf, heute die Jesch Atid zu machen. Kahlon wird als Minister vor allem mit der Regulierung der Mobilfunkpreise in Verbindung gebracht, was ihm im Handy-süchtigen Israel die Zuneigung vieler eingebracht hat. Kahlon verspricht ebenfalls, die soziale Lage im Lande zu verbessern; die Konzepte sind aber eher knapp gehalten. Unklar ist auch, für welche Koalition sein Herz schlägt: Er weigerte sich, dazu Aussagen zu treffen. Aber: Seine Äußerungen in Richtung Netanjahu sind sehr viel schärfer; selbst das Angebot, Finanzminister zu werden, wenn er denn nun endlich sage, wohin er will, schlug er aus - ein Schritt, der viele Analysten ratlos zurück lies. Der reinen Lehre nach ist das Finanzministerium für ihn selbst unabdingbare Bedingung für den Regierungseintritt. Die Zionistische Union könne das aber nicht abgeben, weil sie den Platz an der Kasse schon an Prof Emmanuel Trachtenberg, einen Wirtschaftsexperten versprochen hat. Ein tiefer Blick in die Archive zeigt aber: Kahlon wollte Trachtenberg ursprünglich für seine eigene Partei haben; er war derjenige, der die Finanzen schön machen sollte.

Religiös: Jahadut HaTorah, auch: Vereinigter Torah Judaismus oder UTJ

Die UTJ ist ein Bündnis aus zwei ultraorthodoxen Kleinparteien, die bereits seit 1992 gemeinsam antreten, und nur nach der Wahl 2003 im Kabinett von Ariel Scharon als eigenständige Fraktionen fungierten. Die UTJ tritt ausschließlich für die Interessen der aus Osteuropa stammenden ultraorthodoxen Juden in Israel ein. Wie bei Schas geht es um die Aufrechterhaltung des Einflusses von Religion im täglichen Leben Israels. In beiden Einzelparteien sind die Entscheidungsstrukturen streng religiös. Die Abgeordneten handeln ausschließlich auf Anordnung prominenter Rabbiner. Grundsätzlich ist die UTJ für Koalitionen mit beiden Lagern offen; eine offizielle Position zur Palästina-Frage gibt es nicht. Die Rabbiner haben aber in der Vergangenheit mehrmals für Zugeständnisse an die Palästinenser entschieden.

Religiös: Schas

Schas vertritt vor allem die Interessen von religiösen Juden aus arabischen Länder, was bedeutet, dass die Partei vor allem auf eine Regierungsbeteiligung bedacht ist; mit wem, ist dabei eher zweitrangig. Im Gegenzug für die Beschaffung von Mehrheiten fordert Schas in der Regel das Innenministerium ein, um bestimmte, auf reliigöse Vorschriften bezogene Gesetze durch setzen zu können. Dazu zählen beispielsweise die Durchsetzung des Arbeitsverbotes für Juden am Samstag, oder die Durchsetzung des Verbots, während der Pesach-Tage im Frühjahr gesäuertes Brot und bestimmte andere Produkte zu verkaufen. Dieses Mal wird es allerdings vor allem die Abschaffung des erst gerade eingeführten Wehrdienstes für Ultraorthodoxe sein, das die Partei fordern wird. Traditionell neigte man eher der Rechten zu, die eher dazu bereit ist, auf die religiös motivierten, die Gesamt-Gesellschaft betreffenden Forderungen umzusetzen. Allerdings hat Schas in den vergangenen Monaten durchaus Schnittmengen mit der Linken bei sozialen Themen entwickelt, und auch in der Palästina-Frage Offenheit für Verhandlungen gezeigt. Seit dem Ableben ihrer spirituellen Authiorität, Rabbi Ovadia Josef, befindet sich die Partei allerdings in einem Machtkampf, der vor einigen Monaten mit dem Austritt des Spitzenpolitikers Eli Jischai seinen Höhepunkt fand. Jischai gründete gemeinsam mit dem rechtsradikalen Baruch Marzel die ebenso rechte Jachad (nicht zu verwechseln mit der einstigen Meretz-Jachad). Größter Stolperstein für eine Mitte-Links-Schas-Koalition ist Jesch Atid: Die Partei hat ein Zusammensitzen mit Jesch Atid kategorisch ausgeschlossen.

Mitte: Jesch Atid, auch: Zukunftspartei

Jesch Atid war bei der Wahl 2013 die ganz große Überraschung: Obwohl sie nie im Parlament vertreten war, und auch keinerlei Vorgängerparteien hat, stieg sie mit großen Versprechungen und einem großen Namen zur zweitstärksten Kraft im Parlament auf. Jair Lapid, Parteigründer und Spitzenkandidat, war der Öffentlichkeit zuvor vor allem als Fernsehmoderator und Verfasser von Kolumnen in der Tageszeitung Jedioth Ahronoth bekannt. Seine Wahlliste bestand zu einem großen Teil aus Politneulingen. Doch sein Bekanntheitsgrad, gemeinsam mit seinen Versprechungen, die Lage der säkularen Mittelschicht zu verbessern, wirkten auf viele Wähler ausgesprochen reizvoll. Jair Lapid verbündete sich nach der Wahl mit der rechten Jüdisches Heim, um den Regierungseintritt ohne Beteiligung ultraorthodoxer Parteien sowie die Posten des Finanzministers zu erzwingen, und setzte den Wehrdienst für Ultraorthodoxe durch. Traditionell war es seit der Staatsgründung so, dass Studenten in Religionsseminaren nicht zum Militär eingezogen werden; damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass viele ultraorthodoxe Gruppen den Staat Israel aus religiösen Gründen ablehnen. Dieses Gesetz könnte sich bei der Koalitionsbildung demnächst als Hindernis erweisen: Die ultraorthodoxen Parteien haben angekündigt, keinesfalls in eine Regierung eintreten zu wollen, die sich nicht dazu bereit erklärt, das Gesetz aufzuheben. Lapid besteht aber, jedenfalls momentan noch, darauf. Jesch Atid hat sich vor der Wahl dem »Jeder außer Bibi«-Lager angeschlossen und wird wohl Herzog als Regierungschef empfehlen.

Mitte-Links: Zionistische Union

Ein Bündnis aus Arbeitspartei, hebräisch Avodah, und HaTnuah. Die Arbeitspartei ist die große alte Dame der israelischen Politik: Bis 1977 Menachem Begin und der Likud-Block kamen, und in einem politischen Erdbeben den Sozialdemokraten die Macht entrissen, dominierte die Partei Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Für die Sportfans: HaPo'el (Der Arbeiter), das waren früher die Sportclubs der Sozialdemokraten, während die Beitar-Clubs dem rechten Umfeld zugeordnet wurden. Aber das war mal. In den vergangenen Jahrzehnten hatte die Arbeitspartei eher weniger Erfolg: Ab 1977 dominierte der Likud; kurze Phasen, in denen Avodah mit Schimon Peres, Jitzhak Rabin und Ehud Barak den Premier stellte, waren seitdem eher die Ausnahme. Peres war wegen eines Rotationsdeals in einer großen Koalition mit dem Likud an die Macht gekommen; Barak rang Netanjahu zwar Ende der 90er in einer Direktwahl das Amt ab, musste aber schon wenig später wieder weichen: Er hatte keine Mehrheit. Deshalb hat man die Direktwahl auch nach wenigen Jahren wieder abgeschafft. Rabin indes unterzeichnete die Osloer Verträge und viel dann einem Attentat zum Opfer, von dem sich die Partei Jahre lang nicht erholte: Man wechselte oft die Vorsitzenden, die Spitzenkandidaten, trat als Junior-Partner in Koalitionen ein, und trug vieles mit, um dort zu bleiben. Zwischenzeitlich waren die Parteiprogramme nur noch wenige Seiten stark; die Visionen vage.

HaTnuah ist derweil die Partei von Zippi Livni, die international am Besten für ihre Zeit als Außenministerin unter Ehud Olmert bekannt ist. Damals war sie noch bei Kadima, jener Partei, die Ariel Scharon nach der Räumung der Siedlungen im Gazastreifen und seinem Austritt aus dem Likud gegründet hatte. Scharon hatte damals sowohl viele Spitzenpolitiker des Likud, darunter auch Livni, als auch der Arbeitspartei, darunter Schimon Peres, der mittlerweile angeblich im Ruhestand ist (was aber niemandem auffällt, weil er immer noch sehr präsent ist), mitgenommen. HaTnuah war nur einmal im Parlament und zwar ab 2013, hatte dort sechs Sitze, und saß in der nun scheidenden Regierung. Dort fiel Zippi Livni vor allem als Justizministerin auf: Sie blockte sämtliche Versuche ab, bürgerliche Freiheiten per Gesetz einzuschränken, und war die wohl erbitterste Gegnerin des Nationalstaatsgesetzes, das maßgeblich zum Scheitern der Koalition beitrug.

Als Zionistische Union hoffen beide Parteien nun, stärkste Kraft im Parlament zu werden, und die nächste Regierung bilden zu können. Dafür haben sie ausgesprochen umfangreiche Plattformen zu sozialen und diplomatischen Thematiken vorgelegt.

Den Namen »Zionistische Union« erklärte mir ein Wahlkampfberater übrigens so: »Die Rechte hat komplett die Deutungshoheit über den Begriff Zionismus übernommen. Aber Zionismus besteht aus mehr als nur einem einzigen Konzept. Wir wollen den Begriff vom Extremismus befreien und zurück in die Mitte holen.«

Bleibt die Frage, wie Livni vom rechtskonservativen Likud bei Links-Mitte gelandet ist: »Ich habe mich über die Jahre hinweg stark verändert,« sagt sie, »viele Dinge, die einmal sinnvoll erschienen, behindern uns heute.«

Links: Meretz

Slogan: »Israels Linke« In den Nuller-Jahren firmierte die Partei unter dem Namen Meretz-Jachad, nachdem sie sich mit der außerparlamentarischen Organisation von Jossi Beilin zusammen getan hatte. Beilin, einer der Architekten der Osloer Verträge, war übrigens, anders als oft angenommen, in den 90ern Mitglied der Arbeitspartei, bevor er 2003 aus Protest über den Eintritt der Sozialdemokraten in eine Koalition unter Führung von Ariel Scharon bei Avodah austrat. Mittlerweile hat sich Beilin aus dem politischen Leben zurück gezogen. Die bekannteste Politikerin bei Meretz ist Zehawa Gal-On.

Links: Arabische Liste, auch: Gemeinsame Liste

Ein Bündnis aus Balad, Hadasch und Ta'al, sowie der Islamischen Bewegung, dass mit dem Ziel gegründet wurde, es allen Parteien zu ermöglichen die Wahlhürde zu überschreiten. Bis auf die Islamische Bewegung waren alle Einzelparteien in der letzten Knesseth vertreten. Die einzelnen Parteien konnten sich nicht in allen Fragen einigen: Umstritten ist beispielsweise, ob die Arabische Liste Präsident Re'uven Rivlin einen Kandidaten für das Amt des Regierungschef empfehlen soll, und noch umstrittener ist, ob man in eine Links-Zentrum-Regierung eintreten, oder sie von außen unterstützen sollte. Gut möglich, dass das Bündnis nach der Wahl in einzelne Fraktionen zerfällt.

18:35 MEZ / 19:35 IST Jetzt gibt es gerade noch einmal Schlammschlacht: Netanjahu behauptet, die Wahlbeteiligung bei arabischen Wählern sei »dreimal so hoch wie sonst«, um die eigenen Wähler an die Urnen zu bekommen. Die Zionistische Union kontert, darauf gebe es keine Hinweise; es sei alles wie immer. Natürlich will man dort nicht, dass Wähler für den Likud stimmen.

16:30 MEZ / 17:30 IST Die Wahlbeteiligung ist weiterhin hoch: Um 15 Uhr / 16 Uhr waren wir bei 45,4 Prozent. Viel wichtiger ist aber die Frage, was uns heute abend erwartet. Die Wahllokale werden um 21 Uhr MEZ schließen; direkt danach werden die Medien die ersten Hochrechnungen präsentieren.

Das Parlament hat insgesamt 120 Sitze, um die sich insgesamt 26 Parteien bewerben. Überhangmandate gibt es keine, Wahlkreise auch nicht. Alle Stimmen für Parteien, die mehr als 3,25 Prozent aller gültigen Stimmen erhalten haben, werden durch 120 geteilt.

Die Stimmen für jede Partei über der Wahlhürde werden dann durch das Ergebnis geteilt, und das Resultat abgerundet. Dies ist dann die Zahl der Grundmandate, die die Partei erhält.

Da alle Grundmandate zusammenaddiert nie 120 ergeben, werden die Restmandate nach einem recht komplexen Berechnungsschlüssel auf die erfolgreichen Parteien verteilt. Manche Listen haben dafür mit einer anderen Listen Gruppen gebildet. Ist dies der Fall, werden die Stimmen für beide Listen zusammen gezählt, und durch die Gesamtzahl der Grundmandate für beide Parteien plus eins geteilt. Hat eine Partei keine Vereinbarung geschlossen, werden nur ihre eigenen Stimmen durch ihre eigenen Grundmandate plus eins geteilt. Das Paar / die Liste mit dem höchsten Ergebnis erhält einen zusätzlichen Sitz, der dann wiederum nach der gleichen Methode an eine von beiden vergeben wird. Das geht so lange, bis alle 120 Mandate verteilt sind.

Übrigens: Es ist das erste Mal, dass die Hürde bei 3,25 Prozent liegt. 2013 wurde noch mit einer Hürde von zwei Prozent gewählt. Durchgesetzt wurde die Heraufsetzung von Avigdor Liebermann, Außenminister und Chef der rechten Jisrael Beitenu. Er wollte damit vor allem die drei arabischen Parteien aus dem Parlament drängen, die einzeln regelmäßig an die drei Prozent pro Stück geholt hatten. Aber: Die arabischen Parteien haben die Arabische Liste gebildet, werden sehr bequem den Einzug schaffen.

Und Jisrael Beitenu, dass zum Zeitpunkt der Heraufsetzung noch in einem Bündnis mit dem Likud steckte, steht mittlerweile alleine da, nachdem die Zusammenarbeit im Streit über den Kurs im Gaza-Krieg zerbrach: Liebermann war im vergangenen Sommer der Ansicht, Netanjahu sei gegenüber der Hamas zu zart.

Heute könnte Jisrael Beitenu die erste Partei sein die ihrem Plan zum Opfer fällt. Nach einer Vielzahl von Skandalen wurde die Partei in den Umfragen durchgehend bei vier bis fünf Sitzen, und damit sehr knapp an den 3,25 Prozent gemessen.

14:45 MEZ / 15:45 Uhr IST Guten Tag. Mein Name ist Oliver Eberhardt und ich ich werde Sie heute durch diesen Wahltag begleiten, einen Tag, dessen Ausgang nicht nur in Israel, sondern auch in Palästina mit Spannung verfolgt wird. Gerade einmal 24 Monate minus ein paar Tage ist es her, seit die Wahlberechtigten in Israel das letzte Mal eine Knesseth gewählt hatten.

Doch in diesen 24 Monaten ist viel geschehen. Im Januar 2013 hatten die Wähler Jesch Atid, in Deutschland auch Zukunftspartei genannt, zur zweitstärksten Kraft auserkoren. Das Besondere an dieser Partei, die sich selbst in der Mitte verortet, war, dass sie damals nicht nur selbst völlig neu war, sondern auch noch viele Polit-Neulinge mit ins Parlament brachte. Außerdem gerieten die klassischen Mehrheitsverhältnisse aus den Fugen: Rechte und religiöse Parteien standen im Patt mit linken, zentristischen und arabischen Parteien. Es folgten lange, harte Koalitionsverhandlungen, in deren Verlauf Jesch Atid durch ein Bündnis mit der Siedlerpartei Jüdisches Heim den Eintritt in eine von Benjamin Netanjahu geführte Koalition erzwang - und die beiden ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinte Torah Union außen vor blieben. Gleichzeitig setzte die Kleinparte HaTnuah Verhandlungen mit den Palästinensern durch, während Jüdisches Heim mit Netanjahu vereinbarte, dass er Verhandlungsergebnisse blockiert, und die Siedlungen ausbaut. Es folgte eine Zeit, in der viel verhandelt wurde, und viele Baumaßnahmen in Siedlungen angekündigt wurden, in der der Wehrdienst für ultraorthodoxe Juden eingeführt wurde, der Gaza-Krieg ausbrach und sich Netanjahu zunehmend mit der US-Regierung verkrachte.

Im sozialen Bereich, jenem Gebiet, in dem Jesch Atid alles besser zu machen versprochen hatte, geschah indes nicht viel: Die Lebenshaltungskosten stiegen weiter; mehrere Gesetzesentwürfe scheiterten bereits im heillos zerstrittenen Kabinett. Am Ende war es dann der Entwurf für das umstrittene Nationalstaatsgesetz, der dieser Koalition Ende 2014 das Aus bereitete.

Heute sollen die Wähler also ein neues Parlament bestimmen, aus dem wiederum eine neue Regierung gebildet werden wird. Und die Rechte um Benjamin Netanjahu hofft darauf, dass es einen so kräftigen Rechtsruck geben wird, dass es für klare Mehrheiten ausreicht. Linke und Zentrum, die sich hinter Jitzhak Herzog von der Zionistischen Union versammelt haben, hoffen natürlich, dass das Gegenteil eintritt.

Was man im Moment mit Sicherheit sagen kann ist, dass etwas passiert: Bis jetzt ist die Wahlbeteiligung so hoch wie schon seit 1999 nicht mehr. 36,7 Prozent hatten um 14 Uhr bereits ihre Stimme abgegeben. Zwar war die offizielle Zahl 2013 etwas höher: Sie beruhte aber nur auf einer Auswahl von 400 Wahllokalen. Der aktuelle Wert berücksichtigt hingegen auch Bezirke mit schwächerer Wahlbeteiligung.

Es stellt sich also die Frage, wer da für Bewegung gesorgt hat: War es Netanjahu, dem am Wochenende zuletzt einige Zehntausend Anhänger zugejubelt hatten, und der am Montag versprochen hat, mit ihm werde es in der derzeitigen Situation keinen palästinensischen Staat geben? Haben Herzog und die Zionistische Union mit ihren Plattformen für Pluralismus und mehr Sozialstaat gepunktet? Oder ist es wieder mal eine Neupartei, die die Hoffnungen der Wähler geweckt hat?

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