Lateinamerikas Schwergewichte mit Problemen im Gepäck

Politische Skandale und sinkende Rohstoffpreise machen Venezuela, Argentinien und Brasilien zu schaffen

  • Andreas Knobloch, Panama-Stadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Lateinamerikas Linksregierungen haben in den vergangenen Jahren mächtig Selbstvertrauen gewonnen. Derzeit stecken aber einige in der Krise: Venezuela, Argentinien und Brasilien zum Beispiel.

Zu früheren Amerika-Gipfeln sind die Regierungen Venezuelas, Brasiliens oder auch Argentiniens in einer Position der Stärke und mit erheblichem diplomatischen Gewicht angereist. Vor dem Treffen in Panama-Stadt ist die Situation jedoch eine andere. Die Popularitätswerte aller drei Regierungen sind im Keller.

Vor allem Venezuela ist seit dem Tod von Hugo Chávez in eine tiefe politische und wirtschaftliche Krise gerutscht. Der rapide Verfall der Erdölpreise trifft Venezuela besonders hart. Der Ölpreis hat sich seit Anfang September quasi halbiert und pendelte zuletzt um die 55 US-Dollar pro Barrel (159 Liter). Venezuelas Haushalt hängt zum Großteil von Erdölexporten ab, zwei Drittel der Staatseinnahmen und mehr als 90 Prozent der Deviseneinnahmen stammen daraus. Um seine Währung zu stützen, hat Venezuela einen Großteil seiner Währungsreserven verpulvert; die Staatspleite droht. Die Inflation steigt, Versorgungsengpässe im Land nehmen zu. Die gesellschaftliche Polarisierung sorgt immer wieder für gewaltsame Proteste. Präsident Nicolás Maduro fehlt das Charisma seines Vorgängers Chávez, das oft als gesellschaftliche Klammer funktionierte. Die Konfrontation mit den USA kommt da fast wie gerufen, bringt sie seiner Regierung doch Rückendeckung aus ganz Lateinamerika ein und lenkt von den innenpolitischen Schwierigkeiten ab.

Auch in Argentinien steht die Regierung unter Druck, seit Mitte Januar der Staatsanwalt Alberto Nisman tot aufgefunden wurde. Er leitete die Untersuchungen zum Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires 1994, bei dem 85 Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt wurden. Nisman hatte in diesem Zusammenhang Präsidentin Cristina Kirchner angeklagt. Die Anklage beinhaltete allerdings zahlreiche Ungereimtheiten, ein Bundesgericht wies sie später zurück. Bis heute ist unklar, ob der Staatsanwalt ermordet wurde oder Suizid beging.

Kirchner ist dennoch nicht aus der Schusslinie. Gegen den befreundeten Unternehmer Lázaro Báez wird wegen Geldwäsche und möglicher Bestechung ermittelt. Gelder könnten auch an das Ehepaar Kirchner geflossen sein. Hinzu kommt der seit Jahren schwelende Konflikt mit US-amerikanischen Hedgefonds, die sich der Umschuldung 2005 und 2010 verweigert haben. Sie erwirkten in den USA ein Urteil, das die Bedienung der Gläubiger blockiert, mit denen sich die Regierung nach dem Staatsbankrott von 2001 geeinigt hatte.

Brasilien, ökonomische und politische Führungsmacht Lateinamerikas in den vergangenen Jahren, kommt ebenfalls angeschlagen zum Gipfel in Panama. Der Verfall der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt setzt der Wirtschaft zu. Das Wachstum stagniert, es droht sogar Rezession. Die Regierung steckt indessen wegen des gewaltigen Korruptionsskandals um den staatlichen Erdölkonzern Petrobras in der Krise. Petrobras-Manager sollen jahrzehntelang Bestechungsgelder für Auftragsvergaben kassiert und an Politiker weitergeleitet haben. Es geht um Milliardensummen. Präsidentin Dilma Rousseff ist zwar persönlich nicht beschuldigt, war allerdings in den fraglichen Jahren Aufsichtsratschefin des Konzerns. Unter den Beschuldigten befinden sich 22 aktive Abgeordnete, zwölf Senatoren, mehrere ehemalige Minister, Gouverneure und sogar der frühere Präsident Fernando Collor de Mello. Die meisten Verdächtigen gehören dem Regierungslager an.

Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst. Mitte März demonstrierte eine Million Menschen in ganz Brasilien gegen die Regierung Rousseff. Für den 12. April sind weitere Massenproteste angekündigt.

Angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der geringen Popularität Rousseffs ist Brasilien daran interessiert, die wegen der NSA-Affäre belasteten Beziehungen zu den USA wieder zu verbessern. Der Anfang könnte in Panama gemacht werden. Für die USA böte sich Brasilien geradezu als Vermittler an: Sowohl nach Havanna als auch nach Caracas pflegt Brasília beste Beziehungen.

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