»Teurer Schnulli«

Sachsens Opposition kritisiert jüngsten Verfassungsschutzbericht des Landes

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten in Sachsen wächst, stellt der Landesverfassungsschutz in seinem neuesten Jahresbericht fest. Die Opposition kritisiert scharf, dass Pegida nicht beobachtet werde.

Dresden. Die rechtsextreme Szene in Sachsen wird aggressiver. So gelten im Freistaat inzwischen rund 900 der insgesamt 2500 Rechtsextremisten als gewaltbereit, wie aus dem in Dresden veröffentlichen Verfassungsschutzbericht 2014 hervorgeht. Das sind 70 Personen mehr als noch 2013, was einer Steigerung um rund 8,5 Prozent entspricht. Entsprechend haben laut Bericht die Gewaltdelikte zugenommen, 83 wurden 2014 gezählt (2013: 67).

In dem Verfassungsschutzbericht werden laut Landesinnenminister Markus Ulbig (CDU) die Schwerpunkte und Auswirkungen von Ex-tremismus in Sachsen aufgelistet. Für Ulbig ist der Bericht aber auch eine Art »Frühwarnsystem«, das Polarisierung in der Gesellschaft aufzeige. Rückläufige Tendenzen gebe es sowohl bei den Neo-Nationalsozialisten als auch bei der NPD, wobei letztere mit 610 Mitgliedern nach wie vor die größte rechtsextreme Partei in Sachsen bleibe. »Der NPD gelingt es immer weniger, ihre Mitglieder bei der Stange zu halten«, analysierte der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Gordian Meyer-Plath. Davon profitierten vor allem die Jungen Nationaldemokraten (JN), die mit der NPD nur noch wenig gemein hätten, sowie neue Parteien wie Die Rechte und Der III. Weg.

Die »volatilen politischen Bewegungen wie Pegida und Legida bedürfen auch weiterhin einer intensiven und fortlaufenden Bewertung, weil jedenfalls Teile von ihnen extremistisches Potenzial haben«, sagte Ulbig. Allerdings gebe es derzeit keine Erkenntnisse, die eine Beobachtung der Bewegungen insgesamt durch den Verfassungsschutz rechtfertigten.

Die vom Verfassungsschutz unter der Rubrik »Linksextremismus« erfasste Personenzahl stieg gegenüber 2013 geringfügig um drei Prozent auf nun 770 Personen. Die Zahl der erfassten Straftaten aus diesem Spektrum nahm demnach allerdings deutlich zu, nämlich um mehr als 40 Prozent: 821 Taten zählten die Verfassungsschützer, zumeist handelte es sich dabei um Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Versammlungsrecht. Gewaltdelikte gab es mit 154 im Jahr 2014 acht weniger als 2013.

Als Islamisten beziehungsweise Ausländerextremisten gelten in Sachsen 360 Personen (2013: 350), was weniger als ein Prozent der Ausländer oder Menschen mit Migrationshintergrund im Freistaat sind. Im Fokus stehen dort Salafisten im Umfeld der Al-Rahman-Moschee in Leipzig rund um den Imam Hassan Dabbagh. Laut Bericht hat es auch in Sachsen Ausreisen von Dschihadisten nach Syrien gegeben.

Scharfe Kritik äußerte die Opposition. An dem Verfassungsschutzbericht sei vor allem interessant, »was nicht drinstehe«, erklärte die Antifaschismus-Expertin der LINKEN-Landtagsfraktion, Kerstin Köditz. Sie bemängelte, dass Pegida nicht beobachtet werde. »Wenn die größte rechte Bewegung unserer Zeit kein Thema für das LfV ist - dann ist das LfV nichts als teurer Schnulli.«

Auch die sächsischen Grünen forderten die Auflösung und Neustrukturierung des Verfassungsschutzes. »Für Zahlen zu rechts- oder linksextremen Straftaten oder einer Statistik zu den Wahlergebnissen der NPD braucht es das Landesamt für Verfassungsschutz nicht«, sagte ihr innenpolitischer Sprecher Valentin Lippmann. Spätestens die Taten der Terrorgruppe NSU hätten gezeigt, dass der Verfassungsschutz als »Frühwarnsystem« versagt habe, so der Grünen-Abgeordnete. Außerdem werde nicht erfasst, wie weit rassistisches Gedankengut bis in die sogenannte Mitte der Gesellschaft reiche. Agenturen/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal